Année politique Suisse 1991 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung
 
Stimm- und Bürgerrecht
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Bürgerrecht
Der Bundesrat beschloss, das 1990 revidierte Bürgerrechtsgesetz auf den 1.1.1992 in Kraft zu setzen. Die meisten Kantone befassten sich deshalb mit der Anpassung ihrer kantonalen Gesetze. Widerstände zeigten sich nur im Thurgau, wo die SD wegen der Bestimmungen über das Doppelbürgerrecht das Referendum einreichten [10]. Auf Bundesebene stimmte eine Kommission des Nationalrats einer parlamentarischen Initiative Ducret (cvp, GE) zu, welche eine Halbierung der für die ordentliche Einbürgerung verlangten Wohnsitzdauer von zwölf Jahren verlangt [11]. Beide Kammern des Parlaments überwiesen zudem eine Motion Portmann (cvp, GR), welche den rund 200 000 in der Schweiz aufgewachsenen Ausländern ein erleichtertes Einbürgerungsverfahren gewähren will [12].
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Stimm- und Wahlrecht
Zum zweiten Mal nach 1979 konnte sich das Volk zur Senkung des Stimm- und Wahlrechtsalters auf 18 Jahre aussprechen. Die Kampagne verlief äusserst ruhig, da einzig die EDU die Vorlage bekämpfte. Am 3. März stimmte das Volk der Senkung des Wahlrechtsalters mit 981 422 zu 367 641 Stimmen zu; kein einziger Kanton lehnte diese Verfassungsänderung ab. Am deutlichsten fiel das Ja in denjenigen Kantonen aus, welche das Stimmrechtsalter 18 bereits seit längerer Zeit kennen [13].
Stimmrechtsalter 18. Abstimmung vom 3. März 1991
Beteiligung: 31,3%
Ja: 981 422 (72,7%) / 20 6/2 Stände
Nein: 367 641 (27,3%) / 0 Stände

Parolen:
Ja: alle Parteien ausser EDU; SGB, CNG, LFSA.
Nein: EDU.
Der positive Ausgang dieser Abstimmung liess auch die Zahl der Kantone, welche das Stimmrechtsalter in kantonalen Belangen noch nicht gesenkt haben, rasch schrumpfen. Ende Jahr verblieben in dieser Gruppe nur noch St. Gallen und Appenzell-Innerrhoden, wo entsprechende Vorlagen 1992 dem Volk vorgelegt werden sollen [14].
Im Berichtsjahr häuften sich die Vorstösse für die politische Gleichstellung der Ausländer und Ausländerinnen. In der Waadt lancierte die SP eine ,Volksinitiative für die Einführung des kommunalen Stimm- und Wahlrechts für Ausländer, die seit mindestens fünf Jahren in der Schweiz ansässig sind. Das passive Wahlrecht soll allerdings nur für die Gemeindeparlamente, nicht aber für die Exekutiven gelten. Trotz des Einsatzes von bezahlten Sammlern erreichte dieser Vorstoss die nötige Unterschriftenzahl nicht [15]. Zustandegekommen ist hingegen eine von einem Komitee lancierte radikalere Volksinitiative, welche in der Waadt das aktive und passive Wahlrecht auf Kantons- und Gemeindeebene für Niedergelassene einführen will [16]. Ebenfalls eingereicht werden konnte eine ähnliche, im Vorjahr in Basel-Stadt lancierte Initiative. Ein gleiches Volksbegehren wurde auch im Kanton Bern von einem breit abgestützten Komitee, dem unter anderen die SP, die GP, das GB und der Gewerkschaftsbund angehören, lanciert. Ahnliche Kreise — allerdings ohne Gewerkschaftsbund — lancierten im Aargau eine Initiative für die fakultative Einführung des Ausländerstimmrechts auf Gemeindeebene. Im Kanton Zürich konnte eine im Vorjahr lancierte gleichlautende Initiative eingereicht werden [17].
 
[10] Inkraftsetzung: NZZ, 6.5.91. Zu den Kantonen siehe unten, Teil II, 1c. TG: SGT, 9.9. und 12.12.91. Zum Bundesgesetz siehe SPJ 1990, S. 23 f.
[11] Verhandl. B.vers., 1991, V, S. 30; NZZ, 24.4.91.
[12] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 396 f.; Amtl. Bull. StR, 1991, S. 1094. Vgl. auch SPJ 1989, S. 21 f. und 1990, S. 23 f.
[13] TA, 4.2.91; NZZ, 11.2. und 26.2.91 (EDU); Presse vom 4.3.91 ; BBl, 1991, II, S. 64 f. Siehe SPJ 1990, S. 24 f. Zur Senkung des zivilrechtlichen Mündigkeitsalters siehe unten, Privatrecht.
[14] NZZ, 17.6. und 11.10.91; BüZ, 9.12.91. Siehe auch unten, Teil II, 1b.
[15] JdG, 8.2.91; 24 Heures, 8.2. und 20.2.91; NZZ, 18.5.91.
[16] 24 Heures, 28.2. und 24.5.91.
[17] BS: BaZ, 19.6.91. BE: Bund, 29.4. und 27.9. AG: BaZ, 29.6.91; AT, 13.7.91. ZH: Vr, 8.3.91; TA, 11.3. und 16.5.91. Vgl. auch SPJ 1990, S. 25 sowie unten, Teil II, 1b.