Année politique Suisse 1991 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte
 
Gerichte
Ein Jahr nach der Niederlage in der Volksabstimmung präsentierte der Bundesrat einen neuen Vorschlag für die Entlastung des Bundesgerichts. Er hielt sich dabei an die Vorschläge des Parlaments und der Bundesrichter und verzichtete auf die beiden besonders umstrittenen Bestimmungen, welche den Zugang zum Bundesgericht hatten erschweren bzw. einschränken wollen (Erhöhung der Streitwertgrenze und Vorprüfungsverfahren). Die Schwerpunkte der neue Vorlage für eine Teilrevision des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege liegen bei organisatorischen Massnahmen, wie etwa der Verallgemeinerung der Dreier- anstelle der Fünferbesetzung oder der Vereinfachung von Verfahren. Zudem soll das Bundesgericht im Bereich der Verwaltungsrechtspflege durch einen Ausbau der richterlichen Vorinstanzen auf Bundes- und Kantonsebene entlastet werden. Auf eine Erhöhung der Richterzahl will der Bundesrat weiterhin verzichten; hingegen beantragte er, die 1984 als Überbrückungsmassnahme bewilligten 15 ausserordentlichen Ersatzrichterstellen in ordentliche, unbefristete Stellen umzuwandeln [51].
Beide Parlamentskammern hiessen diese Vorschläge ohne jegliche Opposition und praktisch unverändert gut [52].
Die im Vorjahr vom Ständerat überwiesene Motion Zimmerli (svp, BE), welche verlangte, dass das Bundesgericht nicht nur formal, sondern auch materiell auf staatsrechtliche Beschwerden gegen Kantone eintreten kann, um in allen Fällen den Anforderungen der EMRK zu genügen, fand im Nationalrat keine Unterstützung. Da die wenigen Kantone, welche noch nicht über ein Verwaltungsgericht verfügen (UR, AR und AI), mit dem revidierten Gesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege zur Einrichtung entsprechender Instanzen innerhalb von fünf Jahren verpflichtet werden, wurde der Vorstoss als überflüssig abgelehnt [53].
 
[51] BBl, 1991, II, S. 467 ff.; Presse vom 19.3.91. Zur Abstimmung und zu den neuen Vorstössen siehe SPJ 1990, S. 44 f. Zu den Ersatzrichtern vgl. SPJ 1984, S. 26 und 1988, S. 35. Zur Überlastung des Bundesgerichts siehe Gesch.ber. 1991, 2. Teil, S. 339 f. und 354 ff. sowie NZZ, 3.4.91.
[52] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1307 ff. und 2039; Amtl. Bull. StR, 1991, S. 465 ff. und 923; BBl, 1991, III, S. 1413 ff.
[53] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 2454 ff. Vgl. SPJ 1990, S. 44.