Année politique Suisse 1991 : Wirtschaft / Geld, Währung und Kredit
 
Geld- und Währung
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Geldmengenpolitik
Die Nationalbank hatte für 1991 erstmals die angestrebte Expansionsrate der Geldmenge nicht exakt beziffert, sondern angegeben, dass sie ein mittelfristiges Wachstum der Notenbankgeldmenge von rund 1% im Jahresmittel erreichen wolle. Diese Wachstumsrate ist aus technischen Gründen etwas kleiner als die als optimal erachtete reale Wirtschaftsentwicklung. Die für einen Zeitraum von 3 bis 5 Jahren geltende Zielvorgabe soll es erlauben, weiterhin die Teuerungsbekämpfung als Hauptziel der Geldmengenpolitik zu verfolgen, aber genügend flexibel zu bleiben, um auf kurzfristige Wechselkursstörungen zu reagieren. Für 1992 sah die Nationalbank im Einvernehmen mit dem Bundesrat keinen Anlass für eine Kursänderung [1].
Nachdem im Vorjahr die Geldmenge geschrumpft war, steuerte die Nationalbank im Berichtsjahr wieder einen etwas expansiveren Kurs. Im letzten Quartal lag die saisonbereinigte Notenbankgeldmenge um 1,4% über dem Vorjahresstand (1990: -2,6%). Auch die anderen Aggregate expandierten: M1 nahm im gleichen Zeitraum um 0,6%(1990: -1,6%) und M3 um 3,3% (1990: +2,2%) zu. Diese Geldmengenexpansion lag leicht über den mittelfristigen Zielvorgaben, blieb jedoch im internationalen Vergleich gering. Das Wachstum erfolgte nicht gleichmässig: es fand vor allem im ersten Quartal statt, anschliessend zwang der Kursverlust des Schweizer Frankens die Nationalbank wieder zu einem restriktiveren Kurs. Dass die Inflation trotz dieser Politik des knappen Geldes auf ihrem hohen Stand blieb, führte die Nationalbank insbesondere auf zwei Faktoren zurück: den starken Anstieg der Lohnkosten und die witterungsbedingten Preissteigerungen bei den Nahrungsmitteln [2].
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Währung
Nach dem Aufschwung im Vorjahr verlor der Schweizer Franken im Berichtsjahr gegenüber den Währungen der wichtigsten Industriestaaten wieder an Wert. Vor allem im Frühjahr, aber auch im Sommer intervenierte die Nationalbank mit Dollarverkäufen zugunsten der eigenen Währung. Die nominale Abwertung betrug gegenüber dem US-Dollar 7,9% und gegenüber dem japanischen Yen 14,5% (1990: +23% resp. +18%). Im Vergleich zu den vier wichtigsten Währungen des Europäischen Währungssystems EWS machte der Wertverlust zwischen 2,7% und 3,5% aus. Der exportgewichtete nominale Frankenkurs lag zu Jahresende um 5,3% unter dem Vorjahresstand. Der unter Berücksichtigung der Teuerungsentwicklung im In- und Ausland berechnete exportgewichtete reale Frankenwert lag im Dezember 1991 um 3,3% unter dem Vorjahreswert; im Jahresmittel blieb er jedoch praktisch unverändert (+ 0,2%) [3].
Der Nationalrat befasste sich mit einer parlamentarischen Initiative Hafner (gp, BE), welche verlangte, den gesetzlich vorgeschriebenen Golddeckungsgrad des Notenumlaufs von derzeit 40% zu senken, die in der Verfassung festgelegte Pflicht der Nationalbank zur Einlösung von Banknoten in Gold aufzuheben, die Nationalbank zu verpflichten, ihren Goldbestand abzubauen und den Verkaufserlös primär zur Rückzahlung der Staatsschulden zu verwenden. Die vorberatende Kommission beantragte, die Initiative namentlich wegen der vorgesehenen Verteilung der Erlöse zur Ablehnung zu empfehlen, einige ihrer Elemente aber in ein Postulat aufzunehmen. Da die Mindestrate der Golddeckung auch nach Meinung von Experten nicht mehr den Erfordernissen der Währungs- und Geldpolitik entspricht, und die Einlösepflicht für Noten — von welcher gemäss BV 396 nur in Kriegszeiten oder bei gestörten Währungsverhältnissen abgewichen werden darf — effektiv vom Bundesrat bereits 1954 aufgehoben worden ist, soll der Bundesrat eine Anpassung dieser Bestimmungen überprüfen. Die Volkskammer folgte diesem Antrag und überwies das Postulat [4].
Der Nationalrat überwies zudem ein Postulat Weder (ldu, BS), welches den Bundesrat einlädt zu prüfen, ob die im Ausland gelagerten Goldvorräte der Nationalbank in die Schweiz transferiert werden können und ob diese Lagerung im Ausland überhaupt zulässig ist [5].
Zu dem vom Parlament gutgeheissenen Beitritt der Schweiz zum Internationalen Währungsfonds (IWF) und zur Weltbank siehe oben, Teil I, 2 (Organisations internationales) [6].
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Geld- und Kapitalmarkt
Nach dem starken Ansteigen in den beiden vorangegangenen Jahren entwickelten sich die schweizerischen Geldmarktsätze wieder leicht rückläufig. Der Satz für dreimonatige Depots auf dem Eurofrankenmarkt sank im Jahresmittel auf 8,1 % (1990: 8,8%). Auf internationaler Ebene waren keine einheitlichen Tendenzen auszumachen. Der Satz für entsprechende DM-Anlagen stieg etwas an und überholte den schweizerischen wieder, die Zinsen für US-Dollars und englische Pfund reduzierten sich hingegen massiv [7].
Die Zinsen auf dem Kapitalmarkt bildeten sich in den ersten fünf Monaten zurück und stiegen dann wieder fast auf den Ausgangswert an. Die Rendite eidgenössischer Obligationen sank von 6,9% anfangs Januar bis 6,3% Ende Mai, stieg dann bis Ende November wieder auf 6,8% und betrug zu Jahresende 6,7%. Die Sparheftzinsen zogen zwar zu Jahresbeginn noch leicht an, blieben dann aber bis Jahresende konstant auf durchschnittlich knapp 5,1 %. Bei den Hypotheken verlief die Entwicklung insgesamt ähnlich: die Althypotheken erhöhten sich bis zum Sommer im Mittel um 0,25 Prozentpunkte auf 6,9% und blieben bis Jahresende auf diesem Stand; der durchschnittliche Satz für Neuhypotheken reduzierte sich im Jahresverlauf von 8,0% auf 7,8% [8].
Das Parlament räumte die wenigen verbliebenen Differenzen bei der Revision des Preisüberwachungsgesetzes aus. Die neuen Bestimmungen, welche auch die Zinsen in wettbewerbsschwachen oder kartellierten Märkten der Kontrolle unterstellen, wurden auf den 1. Oktober in Kraft gesetzt [9].
Die Beanspruchung des schweizerischen Kapitalmarkts lag mit 48,2 Mia Fr. um 8% unter dem Vorjahresstand (52,5 Mia Fr.). Die Ausgabe von Wertpapieren durch inländische Schuldner ging ebenso zurück wie die Anleihenbeträge ausländischer Emittenten. Da aber die Kreditvergabe ins Ausland anstieg, reduzierte sich der bewilligungspflichtige Kapitalexport nur geringfügig von 43,6 auf 42,5 Mia Fr. Der grösste Teil davon ging in die Industrieländer (rund 89%), zur Hauptsache in die EG-Staaten (32,6%), nach Japan (30,4%) und nach Nordamerika (15,2%). Während der ohnehin sehr geringe Anteil der Entwicklungsländer (Lateinamerika: 0,3%, Afrika (ohne Libyen und Ägypten): 1,2%, Asien und Ozeanien: 2,4%) gesamthaft stagnierte, sank derjenige der mittel- und osteuropäischen Staaten auf 1,1% (1990: 2,1%). An die internationalen Entwicklungsorganisationen gingen 5,2% der Kapitalexporte. Nach der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika durch die UNO und die EG hob die Nationalbank die seit 1980 geltende Plafonierung der Kapitalexporte in dieses Land ebenfalls auf [10].
 
[1] SNB, Jahresbericht, 84/1991, S. 7 ff.; Presse vom 14.12.91; NZZ, 20.12.91 (G. Rich); "Die Geldpolitik der Nationalbank im Jahre 1992", in SNB, Quartalsheft, 1991, Nr. 4, S. 315. Vgl. SPJ 1990, S. 106.
[2] SNB, Jahresbericht, 84/1991, S. 9 ff. und 34 ff. Vgl. auch oben, Teil I, 4a (Konjunkturpolitik).
[3] SNB, Jahresbericht, 84/1991, S. 39 f.; SNB, Der Monat, 1992, Nr. 5, S. 82 ff. Zu den Interventionen der SNB gegen den hohen Dollarkurs siehe auch TA, 12.3.91.
[4] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 1910 ff.
[5] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 770.
[6] Vgl. auch Lit. Dubois.
[7] SNB, Jahresbericht, 84/1991, S. 38; SNB, Der Monat, 1992, Nr. 5, S. 55 f.
[8] SNB, Jahresbericht, 84/1991, S. 41 f.; SNB, Der Monat, 1992, Nr. 5, S. 59. Zu den Vorschlägen für neue Finanzierungsmodelle im Liegenschaftsmarkt siehe unten, Teil I, 6c (Mietwesen).
[9] Siehe oben, Teil I, 4a (Wettbewerbspolitik).
[10] SNB, Jahresbericht, 84/1991, S. 41 f.