Année politique Suisse 1991 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft / Raumplanung
print
Konzepte
Als wohl wichtigste Arbeit auf dem Gebiet der Raumplanung konnte im Berichtsjahr das vom Bundesrat 1985 beim Nationalfonds in Auftrag gegebene Nationale Forschungsprogramm "Boden", welches insgesamt in 67 Projekten gegen 150 Forschende beschäftigt hatte, abgeschlossen und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Die im Schlussbericht zusammengefassten Massnahmen für eine neue "Kultur" im Umgang mit dem Boden postulieren folgende Grundsätze:
Stärkere Nutzung des bestehenden Verdichtungspotentials in den äusseren Stadtquartieren, Vorortsgemeinden und mittleren urbanen Zentren, vor einer Neuerschliessung weiteren Baulandes sowie regionale Anpassung der Bauvorschriften an eine derartige innere Erneuerung und Verdichtung.
Begrenzung des Wachstums "nach aussen" durch eine engere Umschreibung der Bauzone sowie die Verschärfung der Vollzugsinstrumente durch die Einführung einer bundesrechtlichen Enteignungskompetenz zur Durchsetzung zonenkonformer Nutzung und eine mittelfristige Kontingentierung der Siedlungsfläche; Konkretisierung und Abstimmung der Verkehrs- und Siedlungsentwicklung in den kantonalen Richtplänen und Förderung des raumsparenden öffentlichen Verkehrs durch höhere Treibstoffkosten.
Veröffentlichung von Handänderungen und Preisen sowie Einführung einer Bodenpreisstatistik des Bundes; angemessene Abschöpfung der durch die konzentrierte Besiedlung anfallenden höheren Bodenerträge und deren Verwendung für öffentliche Aufgaben; Verstärkung der Wohnhilfe des Bundes und deren Ausrichtung auf raumsparende Massnahmen, etwa zur Gewinnung zusätzlicher Wohneinheiten in bestehenden Gebäuden.
Reduktion oder gänzliches Verbot der vom Boden nicht abbaubaren Schadstoffe, insbesondere Bekämpfung der umweltschädigenden Düngung, und Erweiterung des Leistungsauftrags an die Landwirtschaft durch ökologische Aspekte. Erhaltung naturnaher Lebensräume für Tiere und Pflanzen durch Inventarisierung der bestehenden Gebiete und deren Vergrösserung auf etwa das Doppelte [10].
Mit den Auswirkungen der europäischen Integration auf die künftige Raumplanung in der Schweiz befasste sich ein international besetztes Symposium, welches im Rahmen der Jubiläumsfeiern zum 700. Geburtstag der Eidgenossenschaft vom 27.-29. Juli in Schaffhausen durchgeführt wurde. In den Referaten wurde eine faktische Beeinflussung der schweizerischen Raumplanung durch die Integrationsprozesse innerhalb der EG festgestellt. Als konkrete Gefahren dieses Prozesses wurden — neben einem Fortbestehen der Vollzugskrise — der zunehmende Kampf um den Boden und damit eine verstärkte Tendenz zur Deregulierung in der Raumplanung der Städte erkannt. Die zukünftige wirtschaftliche Rolle der Schweiz sahen die Experten vornehmlich als Standort hochwertiger Dienstleistungsanbieter, während für die zentrale Frage des Verkehrs sowohl eine Reduktion der Mobilität als auch eine verstärkte Verlagerung des Transports auf die Schiene ins Auge gefasst wurde [11].
Schliesslich trat auch der Schweizerische Handels- und Industrieverein (Vorort) mit Vorschlägen hinsichtlich der Bodenpolitik auf. Sein "Liberales Bodenkonzept" sieht eine Lösung der angespannten Lage auf dem Bodenmarkt in der weitgehenden Aufhebung staatlicher Einschränkungen und einer Stärkung der Marktkräfte. Daher wird in dem Papier neben den dringlichen bodenpolitischen Massnahinen des Bundes vor allem auch die Beschränkung des Zugangs zu landwirtschaftlichem Boden auf Selbstbewirtschafter, wie sie vom Parlament im Berichtsjahr beschlossen worden ist, heftig kritisiert [12].
 
[10] Presse vom 30.10.91. Vgl. auch Vr, 15.2.91; NZZ, 5.7., 31.10. und 4.11.91 sowie Lit.
[11] NZZ und Vr, 28.5. und 29.5.91; SN, 14.5. und 27.5.-29.5.91; TW, 29.5.91.
[12] Vgl. Presse vom 27.2.91. Zum bäuerlichen Bodenrecht siehe unten.