Année politique Suisse 1991 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft
 
Mietwesen
Nach dem vom Bundesamt für Statistik halbjährlich berechneten Index für Wohnungsmieten, erhöhte sich das Niveau der Mietpreise im November 1991 im Vergleich zum Vorjahresmonat gesamtschweizerisch um 8,5%. Im Jahresmittel ergab sich gar eine Mietzinserhöhung von 9,9%. Der im letzten Halbjahr eingetretene Anstieg der Mietkosten ist in erster Linie eine Folge der angehobenen Hypothekarzinssätze und betrifft sowohl die alten wie die neuen, d.h. vor oder nach 1947 erstellten Wohnungen in etwa gleichem Masse [30].
Ende Oktober trat das Bundesamt für Konjunkturfragen mit einer im Auftrag des Bundesrates erstellten Studie über Wohnungsmieten und Teuerung an die Öffentlichkeit. Darin wird hinsichtlich einer erleichterten Bekämpfung der Inflation die Lockerung der bestehenden mietrechtlichen Bindung zwischen der Höhe der Hypothekarzinsen und den Mietpreisen gefordert. Den vollständigen Übergang von der Kosten- zur Marktmiete wagt das Amt allerdings noch nicht zu fordern, da die dazu notwendige Akzeptanz seiner Meinung nach zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhanden ist. In einer Kompromisslösung wird daher vorgeschlagen, innerhalb des bestehenden Mietrechts mehr Spielraum zur Anpassung der Preise zu schaffen, um so von der reinen Kosten- allmählich zu einer Marktmiete zu gelangen [31].
Ende Dezember beauftragte der Bundesrat das EVD mit der Ausarbeitung einer Botschaft, wonach Rahmenmietverträge zwischen Hauseigentümer- und Mieterorganisationen für allgemeinverbindlich erklärt werden können, wenn die beteiligten Organisationen gesamtschweizerisch oder regional repräsentativ sind. Damit nahm die Regierung die überwiegend positiven Reaktionen während der Vernehmlassung auf, in deren Folge sich einzig die FDP sowie einige deutschschweizerische Kantone skeptisch geäussert hatten, während die Massnahme insbesondere in der Romandie auf ein positives Echo gestossen war [32].
Von dort, nämlich dem Kanton Genf, war auch eine entsprechende Standesinitiative eingereicht worden, welche bereits letztes Jahr vom Ständerat gutgeheissen worden war. Im März schloss sich der Nationalrat diesem Urteil an, wobei seine Unterstützung mit 48 zu 43 Stimmen allerdings recht knapp ausfiel. Seine Kritik beschränkte sich dabei jedoch ausschliesslich auf den Buchstaben b der Initiative, welcher gesetzliche Bestimmungen zur Festlegung eines dem Durchschnitt von fünf Jahren entsprechenden Hypothekarzinssatzes als Bezugsgrösse forderte. Der Nationalrat gab auf Antrag seiner Kommission auch einer parlamentarischen Initiative Guinand (lps, NE) Folge, welche ebenfalls die Möglichkeit, Rahmenmietverträge für allgemeinverbindlich zu erklären, einführen will [33].
Eine Standesinitiative des Kantons Aargau befasste sich mit der Frage des Eigenmietwerts. Der Vorstoss, welcher im Oktober vom Aargauer Grossen Rat überwiesen wurde, verlangt, dass die von den Kantonen festgesetzten Eigenmietwerte auch für die direkte Bundessteuer gelten sollen, soweit sie mindestens den halben Marktwert umfassen [34].
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Finanzierung
Der letztes Jahr von der zuständigen Kommission des Ständerats erarbeitete Vorentwurf zu einem Bundesbeschluss "über die Förderung kantonaler Miet- und Hypothekarzinszuschüsse", welcher als kurzfristige und subjektbezogene Massnahme gegen die Teuerung im Bereich der Hypothekarzinsen gedacht war, wurde in der Vernehmlassung mit wenig Begeisterung aufgenommen. Zwar wurde allgemein die mit dieser Massnahme angestrebte Linderung von Härtefällen begrüsst, doch warnten insbesondere die SP und der Mieterverband davor, es bei solchen Einzelmassnahmen bewenden zu lassen, während sich mehrere Kantone, welchen der Vollzug des Beschlusses obläge, kritisch über dessen Umsetzbarkeit in die Praxis äusserten. Trotz dieser skeptischen Stellungnahmen sprach sich im November die damit betraute Kommission des Ständerates dafür aus, das Projekt weiter zu verfolgen [35].
Auch zwei Motionen — die eine von Reimann (sp, BE), die andere von Thür (gp, AG) — beschäftigten sich mit der Frage der Mietzinszuschüsse. Verlangt wurde dabei der Erlass von Rahmenbestimmungen, welche die Kantone verpflichten, Zuschüsse an die Kosten der Wohnungsmieten von Einzelnen oder Familien auszurichten, deren Mietzinsbelastung ihre Lebenshaltung unzumutbar schmälert bzw. die Auszahlung von Bundesbeiträgen an jene Kantone, welche mindestens im Umfang von bundesrechtlich festzulegenden Rahmenbedingungen Mietzinszuschüsse ausrichten. Diese beiden Vorstösse wurden vom Nationalrat auf Antrag des Bundesrates als Postulate überwiesen [36].
Die Entwicklung im Bereich der Hypothekarzinsen bewegte auch 1991 viele Mitglieder des Parlaments. Bereits in der Frühjahrssession wurde im Nationalrat eine Reihe von Motionen zu diesem Thema eingereicht. Die Motion zur Finanzierung von Hypotheken, welche der Ständerat Ende letzten Jahres angenommen hatte, wurde von der grossen Kammer als Postulat überwiesen [37].
Gleiches geschah mit einer Motion, mit welcher die LdU/EVP-Fraktion im wesentlichen die Einführung einer Amortisationspflicht für Hypotheken verlangt hatte. In seiner Antwort hatte sich der Bundesrat bereits im Februar dazu bereit erklärt, diese Frage durch eine von ihm eingesetzte Arbeitsgruppe prüfen zu lassen, weshalb der Vorstoss nicht in der zwingenden Form der Motion entgegenzunehmen sei. Ein ähnliches Postulat Eisenring (cvp, ZH) hinsichtlich der Zwangsamortisation von Hypotheken wurde vom Nationalrat ebenfalls überwiesen [38].
Mehrere Vorstösse befassten sich mit längerfristigen Massnahmen im Hypothekarbereich. Als Postulate wurden auf Antrag des Bundesrates überwiesen: die Motion Reimann (sp, BE) für eine langfristige und damit stabilere Finanzierung von Hypotheken (z.B. über Obligationen), die thematisch ähnlich gerichteten Vorstösse Jaegers (ldu, SG) hinsichtlich der Wohnbaufinanzierung über handelbare, grundpfandrechtlich gesicherte Wertpapiere mit festem Zinssatz sowie Schüles (fdp, SH) zur Schaffung gesetzlicher Grundlagen zur Errichtung eines Marktes für Hypothekaranlagen, die Motion Meizoz (sp, VD) für eine Abkoppelung der Mietzinsen von den Hypothekarzinsen sowie ein Postulat Salvioni (fdp, TI) [39].
Zu diesem Themenkreis waren auch im Ständerat drei Motionen eingereicht worden. Die Vorstösse Onkens (sp, TG) und Webers (ldu, ZH) wurden problemlos als Postulate überwiesen, derjenige Zimmerlis (svp, BE), der aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung auf Opposition stiess, benötigte dazu die Gunst des Präsidenten, welcher ihn bei einem Patt von 8 zu 8 Stimmen mit Stichentscheid überwies [40].
Mit einem Expertengremium unter der Leitung von Thomas Guggenheim, dem Direktor des Bundesamtes für Wohnungswesen, und bestehend aus Vertretern der Banken, der institutionellen Anleger, der Wissenschaft, der Kantone und der Bundesverwaltung wurde eine weitere Kommission zur Bewältigung der Krise auf dem Wohnungsmarkt eingesetzt. Die Expertengruppe, welche im Januar vom Bundesrat ernannt wurde, hat den Auftrag, Vorschläge für eine Verbesserung der Wohnbaufinanzierung zu erarbeiten, um der bestehenden Lage auf dem Hypothekar- und Liegenschaftsmarkt besser begegnen zu können [41].
 
[30] Die Volkswirtschaft, 65/1992, Nr. 3, S. 16*.
[31] Presse vom 25.10.91.
[32] Presse vom 24.12.91.
[33] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 688 f. (Standesinitiative) und 690 ff. (Guinand). Vgl. auch SPJ 1990, S.177f.
[34] AT, 16.10.91.
[35] Reaktion: NZZ und TA, 24.1.91; BaZ und BZ, 9.2.91; Vr und LNN, 11.2.91. StR-Korn.: NZZ, 6.11.91. Vgl. auch SPJ 1990, S. 179.
[36] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 693 ff.
[37] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 203; vgl. SPJ 1990, S. 179. Zur Einführung einer dauerhaften wettbewerbspolitischen Überwachung der Hypothekarzinsen siehe oben, Teil I, 4a (Wettbewerbspolitik).
[38] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 696 (Eisenring) und 699 (LdU/EVP).
[39] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 697 (Salvioni), 698 (Meizoz), 699 (Reimann), 700 (Jaeger) und 700 f. (Schüle).
[40] Amtl. Bull. StR, 1991, S. 190 ff.
[41] NZZ, 22.1.91.