Année politique Suisse 1991 : Bildung, Kultur und Medien / Medien
 
Presse
Der Konjunktureinbruch und eine damit verbundene Verminderung des Inseratevolumens bei verschiedenen Presseerzeugnissen verstärkten den ohnehin schon bestehenden Konkurrenzdruck im Zeitungswesen; Fusionen und Monopolisierung im Medienbereich kennzeichneten das Berichtsjahr. Die Konzentration im schweizerischen Pressewesen war auch Gegenstand einer Interpellation von Nationalrat Zbinden (sp, AG), der vom Bundesrat wissen wollte, wie er diesen Prozess aus staatspolitischer Sicht beurteile und wann seiner Ansicht nach staatliche Massnahmen ergriffen werden müssten. In seiner Antwort gab der Bundesrat zu bedenken, dass er mangels verfassungsmässiger und gesetzlicher Grundlagen nur marginal auf diesen Prozess einwirken könne, dass es aber Sache der Kartellkommission sei, wettbewerbspolitische Aspekte zu prüfen. Diese beschloss, im Jahre 1992 eine Untersuchung der Pressekonzentration durchzuführen und dabei auch eventuelle Interventionen zur Förderung des Pressewesens zu beurteilen [8].
In der Deutschschweiz kaufte die Curti Medien AG nach dem Zusammenbruch der Omni Holding Werner K. Reys das in sie eingegliederte Medienunternehmen Jean Frey AG auf. Mit der Einverleibung von Publikationen wie "Die Weltwoche", "Bilanz", "Sport", "Katapult" und verschiedener Fachzeitschriften wurde damit die Curti Medien AG zur dritten Kraft in der schweizerischen Verlagsbranche. Allerdings redimensionierte Curti sein Unternehmen wieder durch die Einstellung resp. den Verkauf einiger Fachzeitschriften. Ausserdem wurde der defizitäre "Sport" zur Hälfte an die "Basler Zeitung" und das Wirtschaftsmagazin "Bilanz" zur Hälfte an das deutsche "Handelsblatt" der Holtzbrinck-Gruppe veräussert [9].
Auch die Neue Zürcher Zeitung AG vergrösserte ihr Imperium durch eine Mehrheitsbeteiligung von 60% an der Freien Presseholding St. Gallen, welche ihrerseits 60% am Druck- und Verlagsunternehmen Zollikofer AG besitzt; durch letztere kontrolliert die NZZ AG künftig indirekt das "St. Galler Tagblatt", die mit über 70 000 Exemplaren auflagenstärkste Tageszeitung der Ostschweiz. Im übrigen lancierte die NZZ im August eine neue Monatsbeilage namens "Folio" mit Schwerpunktthemen [10].
In der stark umkämpften Presselandschaft der Innerschweiz fusionierten die beiden ehemaligen Erzrivalen, das liberale (freisinnige) "Luzerner Tagblatt" und das christlichdemokratische "Vaterland", zur neuen "Luzerner Zeitung" [11]. Die konfessionell ausgerichtete politische Presse verlor ausserdem mit der Einstellung der katholischen Tageszeitung "Neue Zürcher Nachrichten" ihr einziges Organ im Kanton Zürich; sie war seit 1972 als Kopfblatt der St. Galler "Ostschweiz" herausgegeben worden [12].
Ähnliche Tendenzen in Richtung Konzentration liessen sich auch in der Westschweiz feststellen. Die Printmedien verspürten den Inserateeinbruch noch stärker als in der Deutschschweiz. Ausserdem sorgte die Ankündigung einer neuen überregionalen Tageszeitung durch die Edipresse und Ringier für einen verstärkten Wettbewerb sowohl um Leser- und Abonnentenzahlen als auch um Inserenten. Das "Journal de Genève" fusionierte mit der "Gazette de Lausanne" und erschien noch vor der Erstausgabe des "Nouveau Quotidien" in neuer Aufmachung; das neue gemeinsame Blatt erreicht eine Auflagenzahl von über 30 000 [13]. Die Genfer Zeitung "La Suisse" schloss sich aus finanziellen Überlegungen dem 1990 gegründeten Inseratepool "Swiss Combi" (TA, BZ und LNN) an, der damit über 1,3 Mio potentielle Leser erreicht [14].
Edipressé lancierte mit einer Minderheitsbeteiligung von Ringier (20%) und der französischen Tageszeitung "Libération" (10%) ihre neue, allseits mit Spannung erwartete, überregionale Tageszeitung "Le Nouveau Quotidien" unter der Leitung des ehemaligen "Hebdo"-Chefredaktors Jacques Pilet. Die neue Tageszeitung, welche von Dienstag bis Sonntag erscheint, unterscheidet sich deutlich von den Boulevardzeitungen "Le Matin" und "La Suisse", und wendet sich an ein eher jüngeres und offenes Publikum mit Interesse für Europafragen [15].
Gegen Ende des Berichtsjahres gründeten Edipresse und Publicitas ein Gemeinschaftsunternehmen, wobei Edipress 75% und Publicitas 25% an Kapital einbrachten. Sämtliche Presseerzeugnisse der beiden Gesellschaften und das Druckereizentrum Bussigny gingen in einen einzigen Pool ein, womit Edipresse die "Tribune de Genève" und einen grösseren Anteil des "Nouvelliste" von Sion und des "Démocrate" von Delémont zusätzlich zu "24 Heures", "Le Matin" und "Le Nouveau Quotidien" kontrolliert. 47% der welschen Tagespresse befinden sich somit in den Händen von Edipresse [16].
Der harte Konkurrenzkampf hatte auch seine Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den Sozialpartnern. Die drei Grossunternehmen Ringier, Tages-Anzeiger und die Druckerei Winterthur (im Besitze der Curti-Medien) traten aus dem Verband graphischer Unternehmen aus und demonstrierten damit ihre Absicht, die Anstellungsverhältnisse in Zukunft flexibler und individualistischer zu gestalten. Ringier und die Tages-Anzeiger AG kündigten zudem an, auf Ende Jahr auch aus dem Verband der Zeitungs- und Zeitschriftenverleger auszutreten. Damit werden diese Unternehmen nicht mehr an die Gesamtarbeitsverträge ihrer Branchen gebunden sein. Der Tages-Anzeiger – mit einer Auflage von über 260 000 Exemplaren zweitgrösste Tageszeitung der Schweiz – sorgte aber auch mit der Entlassung von Chefredaktor Viktor Schlumpf für Aufsehen. Die Angestellten, Medienverbände und die Gewerkschaft GDP protestierten gegen eine offensichtliche Verletzung des Kollektivvertrags, da bei der Entlassung das Anhörungsrecht des Redaktionspersonals nicht gewährt worden war. Bereits zuvor hatte die Geschäftsleitung das arbeitnehmerfreundliche Redaktionsstatut aus dem Jahre 1973 revidiert und die Mitspracherechte des Redaktionspersonals abgebaut. Die internen und externen Proteste gegen die Entlassung Schlumpfs, gegen den Austritt aus den Kollektivverträgen und gegen eine marktgerechtere Ausrichtung der Zeitung gestalteten sich heftiger als es das Unternehmen wohl erwartet hatte; Direktionspräsident Heinrich Hächler gab auf Jahresende die operative Führung des Unternehmens ab [17].
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Agenturen
Nachdem im Jahre 1990 vor allem die Schweizerische Depeschenagentur (SDA) Entlassungen vornehmen musste und den Betrieb neu strukturiert hatte, geriet im Berichtsjahr die Konkurrenzagentur Schweizerische Politische Korrespondenz (SPK) in finanzielle und organisatorische Schwierigkeiten. Die 1917 unter dem Namen "Schweizerische Mittelpresse" gegründete Agentur bediente ursprünglich vor allem kleine Zeitungen, die sich keine eigenen Korrespondenten leisten konnten. Nach und nach entwickelte sie sich zum Sprachrohr der schweizerischen Wirtschaft und wurde seit Beginn der 80er Jahre von der Wirtschaftsförderung (wf) mit vier bis fünf Mio Fr. pro Jahr unterstützt [18].
Die Direktion der SPK strich in einem ersten Schritt vier Redaktorenstellen im französischsprachigen Dienst. In einem zweiten Schritt wurden, aufgrund eines angekündigten Abbaus der wf-Unterstützung um 50%, 25 von ca. 60 Stellen im deutschsprachigen Dienst und im technischen Bereich aufgehoben. Die SPK gab bekannt, dass sie ihr Schwergewicht auf Wirtschafts- und Inlandberichterstattung legen wolle. Gespräche mit der Leitung der SDA zeigten auch, dass sich beide Agenturen von einer engeren Zusammenarbeit — eventuell sogar einer Fusion — Synergieeffekte versprachen [19].
Die pauschale Entschädigung des Bundes an die Schweizerische Depeschengentur im Betrage von 11% der Betriebskosten wurde im Berichtsjahr durch ein neues Modell abgelöst. Dieses sieht eine differenzierte Abgeltung der Agenturleistungen (Abonnemente, italienischer Ubersetzungsdienst, Alarmdienst, Datenbankbenützung, Übermittlung der Pressemeldungen des Bundes) vor. Gleichzeitig wurden' auch die Verträge mit der SPK und der Associated Press (AP) bezüglich der entschädigten Leistungen angepasst [20].
Das vom Journalisten Roger de Diesbach aufgebaute Pressebüro BRRI (bureau de reportages et de recherches d'informations) in Rossens (FR) konnte die Betriebsschliessung nach fünfjähriger Tätigkeit knapp vermeiden, nachdem ein grösserer Personalwechsel stattgefunden hatte und kurze Zeit darauf wichtige Kunden ihre Abonnements gekündigt hatten. Das Pressebüro erarbeitet hauptsächlich Hintergrundartikel in zwei Landessprachen für Tages- und Wochenzeitungen [21].
Im Bereich der Bildagenturen wurde die seit 1990 bestehende Monopolstellung von Keystone wieder aufgehoben, weil Reuters erneut einen eigenen Bildagentur-Dienst mit Schweizer Themen aufbaute [22].
 
[8] Amtl. Bull. NR, 1991, S. 2003 f. (Interpellation); NZZ, 18.12.91 (Kartellkommission). Vgl. auch Bilanz, 1991, Nr. 11, S. 268 ff.
[9] TA, 4.4.91; Presse vom 20.4.91; SJU news, 1991, Mai (Kauf Jean Frey AG); Presse vom 4.5.91 und NZZ, 18.5.91 (Sport); NZZ, 6.5. und 3.7.91 sowie SGT, 4.7.91 (Fachmagazine); NZZ, 6.7.91 und Klartext, 1991, Nr. 3 (Bilanz).
[10] Presse vom 28.2.91 (Übernahme); TA, 3.8.91; NZZ, 5.8.91 (Folio).
[11] Presse vom 1.5.91; BaZ, 7.8.91; NZZ, 28.8.91.
[12] TA, 26.1.91.
[13] Presse vom 20.2.91; JdG, 2.9.91 (Erstausgabe in neuer Form). Die freisinnige Lausanner Tageszeitung "Nouvelle Revue de Lausanne" wurde als Folge des verstärkten Konkurrenzkampfes zu einer Wochenzeitung redimensioniert
[14] BaZ, 15.8.91.
[15] 24 Heures, 24.9.91; Presse vom 25.9.91; Klartext, 1991, Nr. 5. Vgl. auch SPJ 1990, S. 274.
[16] Presse vom 15.1 1.91. Vgl. auch die Interviews mit Lamunière von Edipress in NQ, 17.11.91 und SHZ, 12.12.91.
[17] Verbandsaustritte: Presse vom 21.6.91; Klartext, 1991, Nr. 4; SJU news, 1991, September, Oktober und Dezember. Schlumpf: Presse vom 17.9.91; Ww, 26.9.91; Klartext, 1991, Nr. 5; SJU news, 1991, Oktober. Redaktionsstatut: TA, 7.6.91; NZZ, 8.6.91; Klartext, 1991, Nr. I ; SJU news, 1991, März. Hächler: Presse vom 7.1 1.91 ; Klartext, 1991, Nr. 6. Siehe auch Ww, 11.7.91 (Hintergrundartikel zu Hächler vor dessen Rücktritt); Politik und Wirtschaft, 1991, Nr. 11, S. 69 ff.
[18] TA, 20.4.91. Zur SDA siehe SPJ 1990, S. 274.
[19] Presse vom 18.7.91 (Entlassungen); Klartext, 1991, Nr. 5 (Zusammenarbeit mit SDA).
[20] BBl, 1991, II, S. 623.
[21] Bund, 1.6.91; Klartext 1991, Nr. 2.
[22] Bund, 1.3.91.