Année politique Suisse 1992 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Schweizerische Volkspartei (SVP)
Nachdem die SVP in den letzten Jahren neue Sektionen in traditionell christlichdemokratisch oder freisinnig geprägten Kantonen wie Solothurn, Basel-Stadt und Zug gegründet hatte, gelang es ihr im Berichtsjahr, diese Politik durch die Sektionsgründung in den Kantonen Luzern und St. Gallen weiterzuführen. Diese neuen Sektionen verstehen sich in der Regel als rechtsbürgerliche Alternative zur CVP und der FdP und stehen damit dem von der Zürcher Sektion vertretenen Kurs näher als der gemässigteren Politik der Berner, Bündner oder Westschweizer Kantonalparteien [34].
Um das Stimmpotential der Auslandschweizer besser auszunutzen, welche künftig aufgrund der revidierten gesetzlichen Bestimmungen brieflich an Wahlen und Abstimmungen teilnehmen können, gründete die SVP – wie kurz davor die FDP – die Tochterpartei "SVP International" [35].
Auf Druck der Zürcher Kantonalpartei lancierte die SVP Schweiz die "Initiative für eine vernünftige Asylpolitik", welche die Rechte der Asylbewerber massiv einschränken will. Schwerpunkte im Initiativtext sind die Möglichkeit der sofortigen Wegweisung illegal Eingereister sowie der staatlichen Lohnverwaltung für Asylbewerber. Nicht unterstützt wurde die Initiative von der Bündner Sektion [36].
Die unterschiedlichen Meinungen in der Partei in bezug auf die Integrationspolitik kam noch deutlicher als im Vorjahr zum Vorschein. Während die Zürcher Sektion schon zu Beginn des Jahres an ihrer traditionellen Albisgüetlitagung zum Widerstand gegen EWR- und EG-Beitritt aufrief und ihre Nein-Parole zum EWR noch vor dem Parolenbeschluss der nationalen Partei fasste, wurde die Kritik am Zürcher Parteipräsidenten Blocher seitens der SVP-Vertreter aus der Romandie und dem Kanton Bern immer lauter. Dabei visierte diese parteiinterne Kritik nicht nur die Haltung Blochers zum EWR an, sondern auch seine als populistisch und nicht konstruktiv taxierte Kampagne. Da Blocher von den Medien zum massgeblichen Repräsentanten der SVP hochstilisiert werde, gefährde er damit auch die Position der SVP als Regierungspartei [37]. Die interne Polarisierung bezüglich eines EWR-Beitritts ging bei keiner anderen Partei so weit wie bei der SVP. Am Parteitag in Bern, an welchem Bundesrat Ogi den EWR gegen Nationalrat Blocher verteidigte, entschieden sich die Delegierten mit 289 zu 119 Stimmen gegen den EWR, nachdem schon der Parteivorstand das Vertragswerk mit 28 zu 19 Stimmen abgelehnt hatte. Damit war die SVP die einzige Regierungspartei, welche den EWR bekämpfte; die Berner und Waadtländer Sektionen fassten trotzdem die Ja-Parole, während die jurassische SVP Stimmfreigabe beschloss [38]. Nach der Ablehnung des EWR-Vertrags durch Volk und Stände beabsichtigte Blocher, an einer Pressekonferenz stellvertretend für die SVP Zukunftsvorstellungen für den Alleingang zu präsentieren, musste dies jedoch zusammen mit der Parteileitung tun, da letztere ihm das Feld nicht allein überlassen wollte. Die Vorschläge wurden allerdings sowohl von den andern Regierungsparteien als auch von internen Opponenten als Gemeinplätze kritisiert, durch welche sich die SVP aus der Verantwortung zu stehlen versuche [39].
Entgegen einer Mehrheit der SVP-Fraktion und dem wiederum als prominentesten Gegner in Erscheinung getretenen Nationalrat Blocher befürwortete der Parteikongress den IWF-Beitritt [40]. Die SVP-Delegierten verwarfen hingegen die Parlamentsreform en bloc — nach Meinung der Mehrheit führten die Reformen in Richtung eines Berufsparlaments —, obwohl der Zentralvorstand ein Ja empfohlen hatte. Die Berner Kantonalsektion und die Junge SVP fassten jedoch die Ja-Parole für die drei Vorlagen der Parlamentsreform [41].
Bei kantonalen Wahlen konnte die SVP kleine Gewinne erzielen und bestätigte somit ihren langfristigen Aufwärtstrend; bei den Kommunalwahlen in Bern verlor sie hingegen ihren einzigen Exekutivsitz.
 
[34] Ww, 23.1.92; SGT, 22.2.92; Bund, 2.5.92; TA, 23.12.92 (lnnerschweiz); BZ, 20.11.92; SGT, 25.1 1.92 (SG). Vgl. auch SVP ja, 1992, Nr. 5. Nur in den Kantonen UR, OW, NW, AR, Al, VS und NE gibt es noch keine SVP-Sektionen.
[35] BaZ, 5.8.92; NZZ, 19.8.92; SVP-ja, 1992, Nr. 7.
[36] BBl, 1992, V, S. 864 f.; BZ, 25.4.92; SVP ja, 1992, Nr. 1 und 3/4; vgl. auch oben, Teil I, 7d (Flüchtlinge) sowie SPJ 1991, S. 348.
[37] Presse vom 27.1.92 (Albisgüetlitagung); Blick, 29.1.92; Lib., 30.1.92; TA, 1.2.92; L'Hebdo, 6.2.92; NQ, 7.2.92; BZ, 8.2.92 (interne Kritik). Zum populistischen Stil siehe auch TA, 8.12.92.
[38] Presse vom 26.10.92; Ww, 29.10.92 (Parteitag); 24 Heures, 17.10.92; Bund, 16.11.92; Dém., 3.12.92 (abweichende Kantonalsektionen). Vgl. auch TA, 31.8.92; BZ, 2.9.92; Ww, 17.9.92.
[39] TA, 10.12.92; Presse vom 12.12.92; NQ, 15.12.92. Vgl. auch Lit. Ladner.
[40] Presse vom 6.4.92.
[41] NQ, 16.8.92; Presse vom 17.8.92. BE: NZZ, 20.8.92. Junge SVP: NZZ, 25.8.92.