Année politique Suisse 1992 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung / Öffentliche Ordnung
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Kundgebungen
Die grössten politischen Demonstrationen führten im Berichtsjahr die Landwirte durch: am 9. Januar protestierten an drei Orten insgesamt 31 000 Bauern (15 000 in Bern, 10 000 in Weinfelden/TG und 6000 in Luzern) gegen die GATT-Verhandlungen. Gut besucht waren auch die am 10. Dezember vor allem von Frauen durchgeführten Protestaktionen gegen die sexuelle Gewalt im Krieg in Bosnien. Die kriegerischen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien waren denn auch das häufigste Thema bei den insgesamt 40 (1991: 30) von uns verzeichneten Kundgebungen mit 1000 und mehr Beteiligten: zehn Grosskundgebungen fanden zu diesem Anlass statt (inkl. eine Demonstration von Griechen gegen die Anerkennung der neuen Republik Mazedonien und eine von Serben gegen die Berichterstattung in den deutschsprachigen Medien). Am zweithäufigsten waren Grossdemonstrationen gegen die Fremdenfeindlichkeit bzw. gegen eine Verschlechterungen der Arbeitsverhältnisse (je 7). Letztere fanden vorwiegend in der französischsprachigen Schweiz statt, während sich die Kundgebungen gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen den Krieg in Bosnien auf die Deutschschweiz konzentrierten. Mehr als die Hälfte der Grossdemonstrationen wurden in den Städten Zürich und Bern durchgeführt (11 resp. 10), wovon in Zürich deren sechs von in der Schweiz ansässigen Ausländern organisiert wurden. Bei diesen Grossanlässen kam es lediglich an der Bauerndemonstration in Bern zu Aùsschreitungen und Auseinandersetzungen mit der Polizei. Viel häufiger waren derartige Vorkommnissen jedoch bei den kleineren Demonstrationen im Zusammenhang mit der Räumung von besetzten Häusern (v.a. in Zürich und Genf) und mit Blockierungen des motorisierten Privatverkehrs (v.a. in Zürich) [22].
Nachdem der bernische Grosse Rat im Vorjahr einen Vorstoss für ein Vermummungsverbot bei Demonstrationen knapp verworfen hatte, reichte nun ein aus Politikern der SVP, der FDP, der SD und der EDU gebildetes Komitee eine entsprechende Volksinitiative ein. Das bernische Stadtparlament lehnte ein Postulat der FDP für ein Vermummungsverbot ab. Ebenfalls negativ äusserte sich die Zürcher Kantonsregierung zu einer im Vorjahr eingereichten Volksinitiative der AP [23].
 
[22] In der folgenden Zusammenstellung sind die Kundgebungen der Gewerkschaften zum 1. Mai, welche in den Grossstädten jeweils einige Tausend Beteiligte aufweisen, und die traditionellen — allerdings nur noch schwach besuchten — Ostermärsche der Pazifisten im schweizerisch/deutschen Grenzgebiet nicht erfasst. Belege für die Demonstrationen mit 1000 und mehr Teilnehmenden (in Klammer Anzahl und Thema): Zürich: TA, 23.3. (1500/gegen Fremdenfeindlichkeit), NZZ und TA, 10.2. (2000/Serben gegen Medien), NZZ, 2.3. (1500/Schliessung Kanzlei-Zentrum), NZZ, 23.3. (1000/Schliessung Kanzlei-Zentrum), TA, 30.3. (2000/Kurden gegen Türkei), NZZ, 11.5. (1000/Griechen gegen Mazedonien), NZZ, 25.5. (2000/Kroaten und Bosnier), NZZ, 12.10. (1000/Kurden gegen Türkei), NZZ, 23.10 (3000/Gewerkschafter), TA, 26.10. (1000/Kurden gegen Türkei), TA, 11.12. (5000/Frauen gegen Krieg in Bosnien). Bern: BZ, 10.1. (15 000/Bauern gegen Gatt), BZ, 24.2. (1000/gegen Fremdenfeindlichkeit), BZ, 23.3. (6000/gegen Fremdenfeindlichkeit), Bund, 30.3. (1500/für liberale Drogenpolitik), TA, 6.7. (6000/ausländische Bauarbeiter; Pensionskassen im EWR), Bund, 21.9. (2000/AKW Mühleberg), BZ, 27.9. (3000/Krieg in Bosnien), Bund 27.11. (1000/Krieg in Bosnien), Bund, 11.12. (5000/Frauen gegen Krieg in Bosnien), Bund und Suisse, 21.12. (6000/Jugend für europäische Integration). Genf: JdG, 3.2. (2000/Kosovo-Albaner), BZ, 20.2. (3000/Staatsangestellte), BZ, 12.3. (5000/Staatsangestellte), JdG, 23.10. (1500/Mittelschüler), JdG, 6.11. (2000/Bauunternehmer), JdG, 9.12. (8000/Gewerkschafter), JdG, 18.12. (1000/Staatsangestellte). Basel: BaZ, 23.10. (5000/Gewerkschafter), BaZ, 11.12. (2000/Frauen gegen Krieg in Bosnien). La Chaux-de-Fonds: 24 Heures, 27.4. (1000/gegen Fremdenfeindlichkeit), Express, 19.12. (1500/ für europäische Integration). Lausanne: Suisse, 18.1. (3000/gegen Fremdenfeindlichkeit), JdG, 9.10. (1000/Staatsangestellte). Luzern: LZ, 10.1. (6000/Bauern gegen Gatt), LNN, 11.12. (1500/Frauen gegen Krieg in Bosnien). Erstfeld/UR: LNN, 30.11. (2000/Eisenbahner). St. Gallen: SGT, 23.3. (1200/gegen Fremdenfeindlichkeit). Schaffhausen: SN, 28.12. (3000/gegen Fremdenfeindlichkeit). Weinfelden/TG: SGT, 10.1. (10 000/Bauern gegen Gatt). Nachtrag zu 1991: Zürich: NZZ, 3.1.92 (3000/Schliessung Kanzlei-Zentrum).
[23] Initiative: Bund, 20.5. und 10.12.92. Stadt Bern: BZ, 22.10.92. ZH: TA, 9.10.92. Vgl. SPJ 1991, S. 29 f.