Année politique Suisse 1992 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft / Bodenrecht
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Vollzugsprobleme
Im Falle der vom Kanton Graubünden wegen Verletzung der "Lex Friedrich" verklagten italienischen Immobilienfirmen intervenierte der Bundesrat zugunsten letzterer und legte dem Kanton Graubünden nahe, auf eine konsequente Durchsetzung des Gesetzes zu verzichten und die betreffenden Gesellschaften nicht zu liquidieren, obwohl ein solches Vorgehen zuletzt auch vom Bundesgericht gefordert worden war. Der Kanton kam der eidgenössischen Weisung nach, indem er den illegalen Grundstückserwerb nachträglich sanktionierte [18].
Dieses Vorgehen von Bund und Kanton rief allgemeine Verwunderung hervor. Die Bündner CSP sprach in einer einstimmig verabschiedeten Resolution von einem "rechtsstaatlich skandalösen" Vorgehen. Im Kantonsparlament wie in den eidgenössischen Räten wurden in dieser Frage Dringliche Interpellationen eingereicht. In den Bundeskammern verlangten neben dem Bündner SVP-Ständerat Gadient auch Nationalrat Steffen (sd, ZH) sowie die sozialdemokratische Fraktion vom Bundesrat Auskunft über sein Eingreifen sowie die weitere Anwendung der "Lex Friedrich".
Bundesrat Delamuraz, gestand zwar " mangelnde Eleganz" in dem Vorgehen des Bundesrates ein, rechtfertigte dieses jedoch mit der Bemühung der Regierung, einem internationalen Schiedsgerichtsspruch zuvorzukommen. Ausserdem habe sich 1965, bei der Beratung über die damalige "Lex von Moos", der Vorläuferin der heutigen Gesetzgebung, nicht der Bundesrat, sondern das Parlament leichtfertig über etwaige Reibungspunkte mit dem internationalen Recht hinweggesetzt. Eine vollständige Abschaffung des Bundesgesetzes lehnte Delamuraz zwar ab, stellte jedoch im Falle der Ablehnung des Beitritts der Schweiz zum EWR Modifikationen in Aussicht, um ebendiesen stossenden Widerspruch zwischen schweizerischer Gesetzgebung und bilateralen Verträgen zu beseitigen [19].
Diese Erklärungen genügten der sozialdemokratischen Fraktion nicht. Mittels einer Motion verlangte sie eine Anschlussgesetzgebung an die "Lex Friedrich" mit gleich wirksamen Bestimmungen wie sie das bestehende Bundesgesetz enthält. Zur Abstimmung kam der Vorstoss jedoch nicht, da er von Leuba (lp, VD) bekämpft wurde [20].
Auf rechtlicher Ebene wurde das vom Bundesrat empfohlene Vorgehen von der Bündner Gemeinde Pontresina mit einer Beschwerde beim kantonalen Verwaltungsgericht zunächst angefochten. Ende Jahr stimmte jedoch auch diese Gemeinde der vorgeschlagenen Vergleichslösung zu, so dass unter die Affäre der nach der "Lex Friedrich" illegal erworbenen Grundstükke juristisch ein Schlussstrich gezogen werden konnte [21].
Für die Jahre 1993 und 1994 beantragte das EJPD eine Herabsetzung der Kontingente für den Erwerb von Ferienwohnungen durch Personen im Ausland um 120 auf 1300 Einheiten pro Jahr, wobei der Verteilschlüssel unter den Kantonen beibehalten werden sollte. Nachdem in der Vernehmlassung jedoch vor allem von Seiten der grossen Fremdenverkehrskantone Kritik an dieser Massnahme laut geworden war, verzichtete der Bundesrat Ende Jahr auf die vorgesehene Herabsetzung der Kontingente. Die Kantone hatten ihre Kritik unter anderem mit der im Ausland wieder steigenden Nachfrage nach Immobilienbesitz in der Schweiz gerechtfertigt [22].
 
[18] Presse vom 2.4.92; NZZ, 25.4, 8.5 und 11.5.92; Kommentare in NZZ, 16.4.92 und BüZ, 24.4.92; vgl. auch das Interview mit Regierungsrat Brändli in BüZ, 24.4.92. Siehe auch SPJ 1991, S. 182.
[19] BüZ, 27.4 und 23.5.92; NZZ, 23.5.92; Amtl. Bull. StR. 1992, S. 478 ff.; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1082 ff.
[20] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2158 ff.
[21] BüZ, 12.11 und 13.11.92; Presse vom 31.12.92.
[22] NZZ, 26.9 und 24.12.92; vgl. auch BüZ, 6.11.92; CdT, 14.1 1.92. Siehe auch Lit. Frei.