Année politique Suisse 1992 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
 
Jugendliche
Weil die Vorarbeiten in diese Richtung bereits weit vorangeschritten sind, schrieben beide Räte eine Standesinitiative des Kantons Jura zur Herabsetzung des Mündigkeitsalters auf 18 Jahre als erfüllt ab. Nach einer weitgehend zustimmenden Vernehmlassung gab der Bundesrat im Sommer eine entsprechende Botschaft in Auftrag [71].
In ihrem neuesten Bericht zur Situation der Jugendlichen in der Schweiz kam die Eidg. Kommission für Jugendfragen (EKJ) zum Schluss, die Verpflichtung des Staates, bei allen seinen Entscheiden die Interessen künftiger Generationen zu wahren und zu vertreten, müsse in der Verfassung verankert werden. Sie verlangte zudem eine unabhängige Instanz, die den Auftrag hätte, wichtige Verfassungsänderungen, die gesetzgeberische Arbeit und grössere Infrastrukturaufgaben auf ihre Jugendverträglichkeit hin zu überprüfen [72].
Die EKJ will künftig enger mit den kantonalen und örtlichen Jugendgremien zusammenarbeiten und vermehrt aktuell eingreifen, wo Jugendliche betroffen sind. Ziel der Vernetzung ist eine rasche Umsetzung der in ihren jüngsten Berichten enthaltenen Vorschläge. Beschränkte sich die EKJ bisher darauf, umfangreiche Berichte zu verfassen, die zwar meistens viel Beachtung erhielten, konkret aber kaum zu Veränderungen führten, so will sie neu in Richtung Lobbyarbeit für Jugendliche gehen [73].
Die meisten der Jugendrechte, die vom Jugendforum der Europäischen Gemeinschaft in einer Charta gefordert werden, sind in der Schweiz bereits garantiert. Einige wichtige Postulate sind jedoch noch nicht verwirklicht. Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) rief deshalb dazu auf, die Charta dort als Massstab zu nehmen, wo noch Lücken in der Gesetzgebung für Jugendliche bestehen, beispielsweise bei der kostenlosen Ausbildung bis auf Universitätsebene, der Bereitstellung preisgünstigen Wohnraums sowie dem Einbezug in die politischen Gremien [74].
Zu den Zielen der bundesrätlichen Legislaturplanung für die Jahre 1991-1995 gehört auch die Förderung des Jugendaustauschs im ausserschulischen Bereich sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene. Eine erste Umsetzung erfolgte mit der Einführung der "Carte Jeunes Suisse", die den Jugendlichen in 18 Ländern Europas über 200 000 Spezialangebote in den Bereichen Reisen, Mobilität, Kultur, Bildung, Freizeit, Dienstleistungen und Konsum eröffnet. Die Karte wird von einer Nonprofit-Organisation getragen, die 1991 im Auftrag des BAK von der SAJV gegründet wurde. Sie repräsentiert die Schweizer Version der europäischen Jugendkarte "Euro 26", deren Triebfeder 1985 die Jugendkonferenz des Europarates war und die heute bereits von über drei Millionen Jugendlichen in Europa eingesetzt wird [75].
Für die Schweizer Jugend, sagte Bundesrat Delamuraz am Abstimmungsabend des 6. Dezember, sei das Nein der Schweiz zum EWR besonders folgenschwer. Viele Jugendliche sowohl aus der Romandie wie aus der Deutschschweiz wollten denn auch vor der Ablehnung des EWR nicht kapitulieren. Verschiedene Einzelgruppen wie etwa "Jugend für den EWR", "Génération Europe" und die Lausanner Studentenvereinigung, aber auch die SAJV und gewerkschaftliche Verbände bildeten zusammen das Komitee "Geboren am 7. Dezember 1992" riefen zu einer nationalen Kundgebung auf und kündigten an, eine Volksinitiative zur Wiederholung der EWR-Abstimmung lancieren zu wollen [76].
Zur Revision des Sexualstrafrechtes, welche die Bestimmungen über die Jugendliebe lockert, siehe oben, Teil I, 1 b (Strafrecht).
 
[71] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 238; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 82: LNN, 16.6.92. Vgl. oben, Teil I, 1b (Privatrecht).
[72] Lit. Eidg. Kommission; Presse vom 22.5.92.
[73] Presse vom 17.11.92.
[74] Lit. Schweizerische; NZZ, 22.4.92.
[75] BBl, 1992, III, S. 118; Presse vom 13.5.92. Siehe dazu auch die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR. 1992, S. 2181 f.
[76] Bund. 16.12.92. Vgl. auch oben, Teil I, 2, EEE.