Année politique Suisse 1992 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen / Kulturpolitik
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Pro Helvetia
Seit dem 1. Januar des Berichtsjahres ist der bisherige Direktor des Berner Konservatoriums, Urs Frauchiger, neuer Generalsekretär der Pro Helvetia. Sein Amtsantritt fiel mit der Frage des künftigen Standortes der Institution zusammen. Eine von der Stadt Zürich angekündigte massive Erhöhung des Mietzinses für die seit 1949 bewohnte Liegenschaft hatte bereits im Vorjahr die Stiftung veranlasst, nach alternativen Standorten Ausschau zu halten. Neun Städte unterbreiteten der Stiftung günstige Angebote. Ernsthaft in die Diskussion einbezogen wurde vor allem Biel, welches durch seine Brückenfunktion zwischen Deutschschweiz und Romandie eine besondere kulturpolitische Dimension hätte sicherstellen können. Aus Gründen der besseren Erreichbarkeit sowie der Bedeutung der Limmatstadt im kulturellen Leben des Landes wurde schliesslich am Standort Zürich festgehalten [3].
Hingegen erfolgte eine Dezentralisierung in Richtung Westschweiz. Im September eröffnete die Kulturstiftung in Carouge (GE) ihre "Antenne romande", eine Zwéigstelle, die halb ausgelagerter Teil des Sekretariats, halb Botschaft und Fühler der Stiftung im Welschland sein wird. In Carouge wird vor allem die Abteilung "Réseaux", welche die Aktivitäten der Pro Helvetia im Ausland betreut, Platz finden [4].
Trotz heftiger Gegenwehr vor allem von Stiftungspräsidentin Rosemarie Simmen (cvp, SO) im Ständerat stimmten beide Kammern im Zug der Sparmassnahmen einer Kürzung der Subventionen an die Pro Helvetia um 24 Mio Fr. für die Jahre 1993-1995 zu. Die Beschneidung der Finanzhilfe, welche mit rund 25% deutlich über der generell vorgenommenen linearen Kürzung von 10% liegt, wurde damit gerechtfertigt, dass lediglich eine Redimensionierung auf das Niveau der Finanzplanvorgabe von 1990 erfolge. 1991 hatte das Parlament in einer grosszügigen Geste – und in einem günstigeren konjunkturellen Umfeld – einer Subventionserhöhung um real 35% auf 130 Mio Fr. zugestimmt. Zusammen mit den ungekürzten Beiträgen für das Berichtsjahr (28 Mio Fr.) ergibt sich für den Zeitraum 1992-1995 eine Gesamtfinanzhilfe von 106 Mio Fr., was gegenüber der vorangehenden Beitragsperiode immer noch einer Erhöhung um 20 Mio Fr. oder gut 23% entspricht. In seiner Botschaft ging der Bundesrat davon aus, dass damit die Stiftungstätigkeit im bisherigen Rahmen weitergeführt werden könne. Auf einen realen Ausbau müsse allerdings verzichtet werden [5].
Die Pro Helvetia beschloss daraufhin, ihr Budget nicht linear um die entgangenen Beiträge, sondern schwerpunktmässig zu kürzen. 1993 soll bei der Literaturförderung, der Erwachsenenbildung und den für das Ausland bestimmten Publikationen gespart werden. Im darauffolgenden Jahr werden die Bereiche Theater, Musik und Tanz finanziell beschnitten. 1995 sollen die visuellen Künste sowie der Kulturaustausch mit dem Ausland die Leidtragenden der Sparmassnahmen sein [6].
Mit Mitteln aus dem Osteuropa-Kredit leistet die Pro Helvetia in den Ländern des ehemaligen Ostblocks kulturelle Aufbauarbeit. Eine erste "Antenne" wurde Ende Jahr in Budapest eröffnet; weitere Aussenstellen sind in Pecs, Prag, Bratislava, und Krakau geplant. Insgesamt finanzierte die Stiftung bisher über 120 Projekte primär in Ungarn, der CFSR und in Polen, aber auch in Rumänien, Bulgarien, den baltischen und den GUS-Staaten [7].
 
[3] Frauchiger: TA Magazin, 3.1.92; JdG, 18.1.92; WoZ, 16.4.92; SoZ, 10.5.92. Standort: TA, 9.3.92; Bund und NZZ, 10.3.92; TA, 18.3.92; Bund, 21.3.92; Presse vom 27.3.92. Siehe auch SPJ 1991, S. 272 f.
[4] Presse vom 9.9.92; LNN, 12.9.92.
[5] BBl, 1992, III, S. 366; Amtl. Bull. StR, 1992, S. 568 ff. und 951; Amtl. Bull. NR, 1992, S. 1859 ff.; Presse vom 13.5.92; NQ, 16.6.92; TA, 26.9. und 20.10.92; BZ, 8.10.92.
[6] NZZ, 13.11.92.
[7] BZ, 2.10.92; NQ und TA, 9.12.92; Bund, 19.1.93.