Année politique Suisse 1992 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Medienpolitische Grundfragen
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Offizielle Informationstätigkeit und Medienfreiheit
Radio und Fernsehen DRS haben ihren Informationsauftrag bezüglich der Abstimmung über den EWR-Beitritt laut Publikumsrat, vor der Strukturreform Programmkommission genannt, auf unparteiliche, vielfältige und vertiefende Art und Weise erfüllt. Kritik vor allem aus der Romandie erntete jedoch die Verwendung des Dialekts während den wichtigsten kontradiktorischen Podiumsdiskussionen. Ebenso wurde die fehlende Bereitschaft zur Zusammenschaltung der verschiedenen sprachregionalen Sender gerügt [7].
Im Ehrverletzungsstreit, der auf den sogenannten "Historikerprozess" folgte, hiess das Bundesgericht die Klage des Zürcher Anwalts Frick gegen einen Journalisten des Tages-Anzeigers gut mit der Begründung, das Prinzip der Unschuldsvermutung hätte respektiert werden müssen. Der Journalist hatte im Dezember 1989 in einem Artikel die These eines Historikers und dessen Vorwürfe gegen Wilhelm Frick, dieser sei 1940 in einen Putschversuch verwickelt gewesen, übernommen, ohne die Quellen zu überprüfen. Eine generelle Pflicht für Medienschaffende, Angaben in wissenschaftlichen Arbeiten anhand der Primärquellen zu überprüfen, besteht allerdings nicht. Laut Angaben des Bundesgerichts ergibt sich eine solche Pflicht jedoch dann, wenn kumulativ ein schwerer Angriff auf die Ehre erhoben werde und überdies die Sekundärquelle die Primärquelle nicht wörtlich zitiere. Dann müsse mit der Möglichkeit einer eigenen Wertung des Zweitautors gerechnet werden [8].
Das Westschweizer Fernsehen setzte sich über einen Genfer Richterspruch hinweg, als es trotz Verbot in der Sendung "Tell quel" einen Beitrag über den in Genf wegen verschiedenen Delikten in Untersuchungshaft einsitzenden Notar Didier Tornare ausstrahlte. Die Generaldirektion der SRG unterstützte den Entscheid der TSR, weil es eine unzulässige Medienzensur sei, wenn ein Richter ohne vorherige Visionierung eine Verfügung gegen eine Sendung erlasse. Das Verbot in Form einer superprovisorischen Verfügung war aufgrund einer wahrscheinlichen Vorverurteilung des Angeklagten vor dem Prozess ausgesprochen worden. TSR rekurrierte darauf gegen den Gerichtsentscheid, weil dieser sämtliche Informationen über den Fall Tornare, nicht nur jenen der Sendung "Tell quel", untersagt hatte [9].
Erstmals wurde das Gegendarstellungsrecht auch im Inseratebereich, nach der Einreichung einer Klage eines Interessenverbandes, durch die Justiz durchgesetzt. Die persönliche Betroffenheit durch Aussagen in einem Inserat berechtigt laut Gerichtsurteil einen eventuell Geschädigten ebenso wie im redaktionellen Teil, das Gegendarstellungsrecht zu fordern. Die Basler Zeitung musste, gemäss Urteil des Bezirksgerichts Zürich, dem Verband der Schweizerischen Gasindustrie das Gegendarstellungsrecht auf ein zweimalig erschienenes Inserat der Erdölvereinigung gewähren. Dabei blieb die Kostenüberwälzung des Gegendarstellungsrechts auf das betroffene Medienunternehmen umstritten [10].
 
[7] NZZ, 21.12.92; L'Hebdo, 26.11.92.
[8] Presse vom 22.7.92; Klartext, 1992, Nr. 4.
[9] Presse vorn 16.11.92; JdG, 4.12.92.
[10] BaZ, 18.9.92; Klartext, 1992, Nr. 5. Siehe auch Lit. Zäch und Schaltegger.