Année politique Suisse 1992 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Radio und Fernsehen
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SRG
Die Strukturreform der SRG nahm auch auf regionaler Ebene konkrete Formen an. In der Deutschschweiz arbeitete der DRS-Vorstand neue Statuten für die Regionalgesellschaft DRS aus. Neues oberstes Organ der Regionalgesellschaft DRS soll der 23köpfige Regionalrat sein, der im wesentlichen die Funktionen übernimmt, die bisher der Delegiertenversammlung übertragen waren. Ein siebenköpfiger Ausschuss soll das neue exekutive Leitungsorgan, den Regionalratsausschuss, bilden, in dem auch der SRG-Generaldirektor Einsitz nimmt. Ohne Gegenstimme verabschiedete die DRS-Delegiertenversammlung die neuen Statuten und wählte die fünf Mitglieder des Regionalrates (der Präsident des DRS-Regionalvorstands gehört dem Ausschuss ex officio an) [33].
Auch beim Westschweizer Radio und Fernsehen (RTSR) wurde die Regional-Organisation der SRG-Strukturreform angepasst. Direktionspräsident wurde Jean-Jacques Demartines. Der Regionalrat setzt sich neu aus 28 Mitgliedern zusammen; ein neu geschaffener Programmrat, bestehend aus 25 Mitgliedern der verschiedenen kantonalen Gesellschaften, stellt die Verbindung zwischen Verwaltung und Programmschaffenden sicher [34].
Die Mitgliederversammlung der Radio- und Fernsehgenossenschaft der italienischen Schweiz (CORSI) hiess die Statutenreform im Zuge der Anpassung an die SRG-Organisationsreform ebenfalls gut. Nur wenig veränderte, aber neu benannte Organe der CORSI sind der Regional- und der Publikumsrat mit je 17 Mitgliedern, die den bisherigen Ausschuss der Genossenschaft und die Programmkommission ersetzen [35].
Der Bundesrat wählte Eric Lehmann, ehemaliger Chefredaktor der Genfer Tageszeitung "La Suisse" sowie Direktor und Delegierter des Verlegers der "Tribune de Genève", zum Präsidenten des neu geschaffenen SRG-Zentralrates; dieser ersetzt Yann Richter, der unter der alten Organisationsstruktur den SRG-Zentralvorstand präsidiert hatte [36].
Die SRG konnte sich aus Spargründen vorläufig nicht zu einer Beteiligung am öffentlichrechtlichen französisch-deutschen Kulturprogramm "Arte" entschliessen. Auch über eine Beteiligung am mehrsprachigen Informationssender "Euronews" mit Sitz in Lyon — Programmchef ist im übrigen der Tessiner alt-Nationalrat Dario Robbiani (sp) — wurde vorerst noch nicht entschieden. Das 1990 und 1991 eingesetzte Sparprogramm der SRG zeitigte schon positive Folgen; für das Rechnungsjahr 1992 wurde ein Ertragsüberschuss von 20 Mio Fr. erwartet, das Budget 1993 rechnet mit einem Überschuss von über 50 Mio Fr. Der Marktanteil des Fernsehens DRS sank um drei Prozentpunkte auf 29%, in der Romandie konnte TSR seinen Anteil von 31% halten, und im Tessin verbesserte TSI den seinen von 26% auf 28% [37].
Im Bericht "SRG und Kultur" verteidigten die Autoren die kulturellen Funktionen des "service public"; das Kriterium der Einschaltquoten gewinne laut dem Bericht unter dem Konkurrenzdruck der ausländischen Privatsender ohne entsprechenden Kulturauftrag ständig an Bedeutung und gefährde damit die Existenz der schweizerischen Fernsehketten, die unter anderem durch die Kulturvermittlung und das Kulturschaffen, für welche sie 1991 265 Mio Fr. ausgegeben haben, auch einen Beitrag zum nationalen Zusammenhalt leisten [38].
Der Nationalrat überwies ein Postulat der SVP-Fraktion, wonach bei der Neuformulierung der SRG-Konzession der Leistungsauftrag so zu modifizieren sei, dass durch vermehrten und koordinierten sprachregionalen Programmaustausch die nationale Klammerfunktion der SRG deutlich verstärkt wird [39].
Rechtsbürgerliche Kreise lancierten eine Volksinitiative "für eine freiheitliche Medienordnung ohne Medienmonopole", die eine eigentliche Privatisierung von Radio- und Fernsehanstalten zum Ziel hat. Sämtliche Veranstalter sollten freien Marktzutritt erhalten und einander gleichgestellt werden. Laut SRG-Generaldirektor Riva würde eine derartige Medienordnung die regionalen Vollprogramme der Romandie und der italienischsprachigen Schweiz in Frage stellen und die Preise für die Übertragungsrechte von Sportveranstaltungen und Spielfilmen in die Höhe treiben. Der Zeitungsverlegerverband reagierte seinerseits abweisend auf die lancierte Initiative, weil der Text die Streichung des Artikels 55bis, Absatz 4 BV, zur Folge hätte; dieser verlangt, dass auf Stellung und Aufgabe anderer Kommunikationsmittel, insbesondere der Presse, Rücksicht zu nehmen sei [40].
Der Bundesrat erteilte der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) eine neue Konzession, worin er sie ermächtigte, ab 1993 zusammen mit privaten Anbietern einen vierten Kanal mit dem Namen "S +" zu realisieren. Für "S +" soll eine autonome Programmdirektion eingeführt werden, welche der SRG-Generaldirektion untersteht und den Interessen der Sprachregionen sowie der privaten Veranstalter Rechnung tragen soll. Sowohl das sogenannte Vertragsmodell als auch die Möglichkeit der unabhängigen Veranstaltung sollen realisiert werden können. Die Vorrangstellung der SRG wird jedoch weiterhin garantiert, was im übrigen von der Schweizerischen Fernseh- und Radiovereinigung (SF RV) sofort kritisiert wurde. Entgegen dem Willen der SRG hat der Bundesrat die Idee des Kultur- und Bildungsauftrages explizit in der Konzession formuliert; darin ist auch der Gebrauch der Hochsprache für das deutschschweizerische Fernsehen in Nachrichten- und Informationssendungen verankert. Die Medienunternehmen Jean Frey AG und Ringier hatten bisher Interesse für eine Zusammenarbeit bekundet. Erstere kündigte an, ein Wirtschaftsmagazin namens "Bilanz-TV" ausstrahlen zu wollen, letztere plante, das Magazin "Cash-TV" über die vierte Senderkette zu verbreiten. Gemäss den Erwartungen des BAKOM werden die privaten Anbieter die Programmkapazität von "S +" nur teilweise ausschöpfen; für die übrige Programmzeit könnten somit Wiederholungen aus dem SRG-Programm angesetzt werden [41].
 
[33] NZZ, 11.2.92; NQ, 17.3.92; Presse vom 2.1.3.92. Vgl. auch SPJ 1991, S. 287 f.
[34] 24 Heures, 1.4.92. Zum neuen Organisationsorganigramm siehe 24 Heures, 15.9.92 sowie wf, Radio-/TV-Spiegel, 1992, Nr. 51/52.
[35] CdT, 18.5. und 21.9.92; NZZ, 19.5.92.
[36] Lib. und TA, 17.3.92; Klartext, 1992, Nr. 2. Vgl. auch die Kritik an der Wahl durch die SP (BZ, 27.3.92). Zur Wahl der vom Bundesrat ernannten Zentralratsmitglieder: NZZ, 7.5. und 3.7.92.
[37] Arte: NQ, 25.4.92; 24 Heures, 1.5.92; vgl. auch Bund, 5.5.92. Euronews: JdG, 23.12.92; NQ, 31.12.92. Budget: NZZ, 18.12.92. Marktanteile: BZ und 24 Heures, 1.5.92.
[38] Lit. Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG; SGT, 30.9.92. Siehe auch Interpellation Loeb (fdp, BE) zu Sparmassnahmen bei DRS 2/Espace 2/Rete 2 in Amtl. Bull. NR, 1992, S. 284 ff.
[39] Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2178.
[40] BBl, 1992, III, S. 1683 ff.; Presse vom 19.8.92; wf, Radio-/TV-Spiegel, 1992, Nr. 34/35; NZZ, 20.8.92 (Zeitungsverleger). Zur Monopolstellung der SRG siehe auch die zwei Interpellationen Mühlemann (fdp, TG) resp. Fischer (svp, AG) in Amtl. Bull. NR, 1992, S. 2215 f.
[41] BBl, 1992, VI, S. 567 ff.; NZZ, 29.8. und 2.10.92; Presse vom 19.11.92; wf, Radio-/TV-Spiegel, 1992, Nr. 48; Bund, 29.10.92 (Ringier-SRG). Vgl. auch Gesch.ber. 1992, 2. Teil, S. 327 sowie SPJ 1991, S. 289 f.