Année politique Suisse 1993 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Regierung
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Wahlverfahren
Die Ersatzwahl löste auch eine Reihe von parlamentarischen Initiativen zum Prozedere der Bundesratswahl aus. So verlangten Robert (gp, BE) und Hämmerle (sp, GR) die Volkswahl mit einer Quotenregelung für die Sprachregionen und — zumindest Hämmerle — auch für die Geschlechter. Diese Quoten möchte auch Gross (sp, ZH) einführen. Er will die Wahl jedoch weiterhin der Bundesversammlung überlassen, schlug aber die Einführung des Proporzsystems vor [22].
Am besten stehen die Realisierungschancen für die Forderung nach einer Revision der Verfassungsvorschrift, welche verlangt, dass nicht zwei amtierende Mitglieder der Landesregierung aus dem selben Kanton stammen dürfen. In Form von parlamentarischen Initiativen verlangten die LdU/EVP-Fraktion, sowie die Nationalräte Ruf (sd, BE) und Wanner (fdp, SO), dass maximal zwei Bundesräte aus dem gleichen Kanton kommen dürfen; der Genfer Ducret (cvp) postulierte gar die Streichung des Verfassungsartikels [23].
Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats kam zum Schluss, dass dieses Problem sofort gelöst werden sollte. Um das Verfahren abzukürzen, formulierte sie im Einklang mit den erwähnten Initianten eine eigene parlamentarische Initiative mit dem Antrag, den entsprechenden Verfassungsartikel 96, Absatz 1, Alinea 2 BV ersatzlos zu streichen. In der Begründung zu ihrer Forderung führte sie aus, dass die im letzten Jahrhundert wichtigen Konfliktlinien zwischen den Kantonen, namentlich zwischen den katholischen einerseits und den drei grossen protestantischen (Zürich, Bern und Waadt) andererseits, weitgehend verschwunden seien. Zudem könne davon ausgegangen werden, dass die Bundesversammlung als Wahlbehörde von sich aus dafür sorgen werde, dass es nicht zu einer massiven und dauerhaften Übervertretung einzelner Kantone kommen werde. Die Erfahrung bei der Berücksichtigung der verschiedenen Sprachregionen mache deutlich, dass es dazu keiner geschriebener Vorschriften bedürfe [24]. Im Ständerat hatte Schiesser (fdp, GL) mit einer parlamentarischen Initiative ebenfalls die Streichung der Kantonsklausel verlangt. Der Rat gab dieser Initiative mit relativ knappem Mehr Folge, allerdings mit dem Vorbehalt, dass dieser Entscheid nur bedeute, dass die Frage von der Staatspolitischen Kommission im Rahmen der Regierungsreform überprüft werden soll [25].
 
[22] Verhandl. B.vers., 1993, II/III, S. 36 (Robert und Gross) resp. 37 (Hämmerle).
[23] Verhandl. B. vers., 1993, II/III, S. 35 (LdU, Wanner), 36 (Ruf) resp. 37 (Ducret).
[24] BBl, 1993, IV, S. 554 ff.
[25] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 731 ff.