Année politique Suisse 1993 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Regierung
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Regierungsreform
Im Juni gab der Bundesrat seinen Vorentwurf für eine "Regierungsreform 93" in eine kurze Vernehmlassung. Dieser als Sofortmassnahme konzipierte Vorschlag kann über eine Gesetzesrevision verwirklicht werden; die eine Verfassungsrevision voraussetzenden Vorschläge der Arbeitsgruppe Eichenberger möchte der Bundesrat erst zu einem späteren Zeitpunkt angehen. Die Reform sieht vor, dass jeder Departementsvorsteher zu seiner Entlastung einen bis drei Staatssekretäre einstellen kann, wobei er flexibel über deren Einsatz entscheiden darf. Die Wahl soll allerdings durch den Gesamtbundesrat erfolgen. Da diese Staatssekretäre mit beratender Stimme an Bundesratssitzungen teilnehmen können, dürften sie auch im Verkehr mit dem Ausland und mit dem Parlament als Regierungsvertreter anerkannt werden. In der als Konferenz durchgeführten Vernehmlassung gaben die Bundesratsparteien ihr grundsätzliches Einverständnis zu den zusätzlichen Staatssekretären, regten jedoch eine präzisere Definition ihrer Funktion an. Die drei bürgerlichen Parteien verlangten zudem wenigstens eine Bestätigung ihrer Wahl durch das Parlament, um ihr politisches Gewicht, namentlich auch im Verkehr mit dem Ausland, zu vergrössern [26].
In seiner Ende Oktober dem Parlament zugeleiteten Botschaft nahm der Bundesrat die verlangte Präzisierung der Aufgaben der Staatssekretäre vor. Dabei legte er fest, dass diese auch Führungsaufgaben bei der Verwaltung der Departemente oder bei der Leitung einzelner Bundesämter übernehmen sollen. Er beharrte aber darauf, ihre Wahl in vollständig eigener Kompetenz vornehmen zu dürfen; als Hauptargument gegen eine parlamentarische Bestätigung führte er die Gefahr einer Verpolitisierung von Personalentscheiden an. Für die später zu verwirklichende grundlegendere Regierungsreform folgte der Bundesrat den Empfehlungen der Arbeitsgruppe Eichenberger, und schloss sowohl den Wechsel zu einem präsidialen System als auch zu einem parlamentarischen Konkurrenzsystem aus. Von den ursprünglich diskutierten Modellen verbleiben – zumindest für den Bundesrat – noch deren zwei in der Wahl: die Erhöhung der Zahl der Bundesräte und die Bildung einer zweistufigen Exekutive mit einem Regierungskollegium und Fachministern [27].
Die vorberatende Kommission des Ständerates trat zwar oppositionslos auf die "Regierungsreform 93" ein, verlangte von der Verwaltung aber zusätzlich eine ausformulierte Variante mit einem parlamentarischen Bestätigungsrecht für die Wahl der Staatssekretäre [28].
 
[26] Presse vom 8.6., 9.7. und 19.8.93. Vgl. SPJ 1992, S. 33 f.
[27] BBl, 1993, III, S. 997 ff.; Presse vorn 26.10.93. Vgl. auch Lit. Arbeitsgruppe; K. Villiger in Documenta, 1993, Nr. 2, S. 17 ff.; Politische Rundschau, 72/1993, Nr. 3.
[28] NZZ, 16.11.93.