Année politique Suisse 1993 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Parlament
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Ständerat Cottier (cvp, FR) und Nationalrat Engler (cvp, Al) reichten identische Motionen ein, in denen sie namentlich auch institutionelle Änderungen beim Gesetzgebungsprozess fordern. So soll beim Kantonsreferendum die heute erforderliche Anzahl von acht beteiligten Kantonen gesenkt werden, damit beispielsweise die sechs mehrheitlich französischsprachigen Kantone eine Volksabstimmung verlangen können; zusätzlich möchten die Motionäre auch ein ähnlich ausgestaltetes Initiativrecht einführen. Vorgeschlagen wird in den Motionen auch ein Behördenreferendum, das einer qualifizierten parlamentarischen Minderheit erlauben würde, die Durchführung einer Volksabstimmung zu einem Parlamentsbeschluss zu verlangen. Schliesslich sollen bei den Parlamentsverhandlungen die Anliegen der Sprachminderheiten besser berücksichtigt werden. Deren Vertretern würde das Recht auf ein suspensives Veto eingeräumt, welches ein zusätzliches Differenzbereinigungsverfahren zur Folge hätte [43].
Eine wesentlich weniger weit gehende Aufwertung des Instruments der Standesinitiative beantragte die Staatspolitische Kommission des Ständerats. Dieses seit 1848 den Kantonen zustehende Vorschlagsrecht zuhanden des Parlaments hatte sich in den letzten Jahren zwar wachsender Beliebtheit erfreut, war aber vom Parlament ähnlich stiefmütterlich wie Petitionen behandelt worden. Dies hing auch damit zusammen, dass die Prozedur der parlamentarischen Behandlung nicht sehr präzis definiert war. Die Kommission schlug nun vor, die Standesinitiativen gleich zu behandeln wie parlamentarische Initiativen, mit der Ausnahme, dass die Vorprüfung, also der Entscheid, ob ihnen Folge zu leisten sei, von beiden Kammern durchgeführt werden muss. Im positiven Fall wird eine Kommission des einen Rates mit der Ausarbeitung einer Vorlage beauftragt. Nachdem auch der Bundesrat keine Einwände erhoben hatte, akzeptierten beide Ratskammern diese Neuerung oppositionslos, wobei zu Jahresende noch eine kleine Differenz bestehen blieb: der Nationalrat sprach sich für eine obligatorische, der Ständerat für eine bloss fakultative Anhörung des initiierenden Kantons aus [44].
Die im Nachgang zu den PUK-Berichten an die Hand genommenen Arbeiten für die Verbesserung der Oberaufsicht des Parlaments konnten abgeschlossen werden. Bei den Akteneinsichtsrechten der Delegationen der GPK wurde zwischen Bundesrat und Parlament ein Kompromiss gefunden. Letzteres verzichtete zugunsten einer Generalklausel darauf, diejenigen Fälle, in denen der Bundesrat die Herausgabe von Akten verweigern darf, auf einige, genau definierte Fälle zu limitieren [45].
Der Ständerat nahm als Erstrat vom Leitbild für die Arbeit der neu geschaffenen Delegationen der Geschäftsprüfungskommissionen in zustimmendem Sinne Kenntnis [46].
 
[43] Verhandl. B.vers., 1993, IV, S. 81 f. und 141; NZZ, 20.3.93. Vgl. dazu auch unten, Teil I, 1d (Beziehungen zwischen Bund und Kantonen).
[44] BBl, 1993, III, S. 334 ff. und 352; Amtl. Bull. StR, 1993, S. 725 ff. und 1107; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 2252 f.
[45] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 465 f., 1852 und 2044; Amtl. Bull. StR, 1993, S. 728 f. und 793; BBl, 1993, III, S. 786 f. Vgl. SPJ 1991, S. 42 f.
[46] BBl, 1993, II, S. 297 ff.; Amtl. Bull. StR, 1993, S. 391 ff.