Année politique Suisse 1993 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Volksrechte
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Wahlen und Abstimmungen
Im schweizerischen politischen System mit seiner Mischung aus direktdemokratischen und föderalistischen Elementen besteht die Möglichkeit, dass bei Volksabstimmungen Volks- und Ständemehr differieren. Um dieses Risiko zu verringern, und um zudem den Machtzuwachs zu korrigieren, der sich im Laufe der Zeit zugunsten von kleinen Kantonen mit geringem Bevölkerungswachstum ergeben hat, schlug Leni Robert (gp, BE) mit einer parlamentarischen Initiative vor, dass ein Volksmehr nur durch ein qualifiziertes Ständemehr von 15,5 Kantonen zu Fall gebracht werden kann. Die Mehrheit der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats lehnte diesen Vorstoss ab, da er dem in der Bundesverfassung von 1848 garantierten föderalistischen Prinzip widerspreche. Zudem besteht nach Meinung der Kommission auch kein Handlungsbedarf, sind doch bisher derartige divergierende Mehrheiten erst sechsmal vorgekommen (zuletzt 1983 beim Energieartikel). Der Nationalrat beschloss mit 99:52 Stimmen, der Initiative keine Folge zu geben [62].
Der Nationalrat übernahm auch die Argumentation seiner Staatsrechtlichen Kommission, wonach es sich bei der Bestimmung von Art. 75 BV, dass für den Nationalrat nur Personen "weltlichen Standes", d.h. keine Geistlichen wählbar sind, um ein sinnentleertes Relikt aus dem letzten Jahrhundert handle. Er stimmte oppositionslos dem Antrag zu, der im Vorjahr eingereichten parlamentarischen Initiative Sieber (evp, ZH) Folge zu geben und damit die Kommission zu beauftragen, eine Vorlage zur Streichung dieses Passus auszuarbeiten [63].
 
[62] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1918 ff. Bereits 1975 war ein ähnlicher Vorstoss Jaeger (Idu, SG) im NR gescheitert (SPJ 1975, S. 23). Vgl. auch BaZ, 24.6.93.
[63] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 526 ff.; NQ, 20.3.93. Vgl. SPJ 1992, S. 43 und NZZ, 16.3.93 sowie unten, Teil I, 8b (Kirchen).