Année politique Suisse 1993 : Allgemeine Chronik / Landesverteidigung / Landesverteidigung und Gesellschaft
print
Nachrichtendienste
Heikle Fragen zur militärischen Nachrichtenbeschaffung und zur Neutralitätspolitik musste sich Bundesrat Villiger gefallen lassen, als bekannt wurde, dass die Schweiz in den 80er Jahren verschiedentlich Armeepiloten in das durch ein Uno-Embargo isolierte Südafrika entsandt bzw. südafrikanischen Militärpiloten Gastrecht gewährt hatte, um von der Kriegserfahrung dieser Piloten zu profitieren. Die Einsätze erfolgten ohne Absprache mit den damaligen EMD-Chefs und standen im Widerspruch zur offiziellen Aussenpolitik des EDA. Bundesrat Villiger kritisierte das mangelnde politische Gespür der dafür zuständigen Fliegerkommandanten, meinte aber, militärisch und nachrichtendienstlich hätte sich die Aktion vertreten lassen, weshalb seiner Auffassung nach von nachträglichen Sanktionen abzusehen sei. Das EMD versicherte, dass mit den inzwischen veränderten Strukturen des Departements, die der Politik die Priorität vor dem technisch und finanziell Machbaren einräumen, ein derartiges Vorgehen nicht mehr möglich wäre [13].
Die Geschäftsprüfungsdelegation beider Kammern rügte diese Vorkommnisse scharf. Zwar habe der Pilotentausch einem militärischen Bedürfnis entsprochen, doch sei dabei das Primat der Politik verletzt und somit eine zentrale demokratische Anforderung an die Armee missachtet worden. Als besonders gravierend bezeichnete die Delegation den Umstand, dass der Austausch vom damaligen Kommandanten der Flieger- und Flabtruppen im Wissen um seine politische Brisanz den Vorstehern des EMD verschwiegen worden sei. Die Delegation kam zum Schluss, dass das EMD und die Chefs seiner Gruppen die Führung und Kontrolle politisch heikler Aktion besser gewährleisten müssten. Dazu seien die Weisungen über die Abkommandierungen ins Ausland zu ergänzen. Ausserdem empfahl die Delegation, dass der Generalstabschef die nachrichtendienstlichen Aktivitäten vermehrt planen und kontrollieren müsse [14].
Vollumfänglich verteidigte Villiger den ebenfalls in den 80er Jahren stattgefundenen Pilotentausch mit Israel, der nie speziell geheimgehalten worden war. Das Neutralitätsrecht gewähre einem neutralen Staat durchaus Spielraum zur Gestaltung seiner Politik. Für den Bundesrat gehe es deshalb bei militärischen Kontakten zu anderen Ländern immer darum, zwischen der Neutralität und der Optimierung der schweizerischen Verteidigungsanstrengungen eine Interessenabwägung vorzunehmen [15].
Wenig Verständnis zeigte Villiger hingegen gegenüber der ebenfalls erst jetzt bekannt gewordenen Tatsache, dass Werkpiloten des Bundesamtes für Militärflugplätze entgegen einer ausdrücklichen Weisung des damaligen EMD-Chefs Delamuraz auch nach 1985 weiterhin Pilatus-Flugzeuge im Auftrag der Herstellerfirma ins Ausland überflogen. Gegen zwei Werkpiloten des Bundesamtes wurden daraufhin disziplinarische Verweise ausgesprochen [16].
 
[13] Presse vom 2.4.-6.4.93.
[14] BBl, 1994, I, S. 100 ff.; Presse vom 16.10.93.
[15] Presse vom 7.4. und 8.4.93.
[16] Presse vom 8.4.93; NZZ, 15.10.93. Siehe dazu auch oben, Teil I, 2 (Politique économique extérieure).