Année politique Suisse 1993 : Allgemeine Chronik / Landesverteidigung / Dienstverweigerung
Knapp vierzehn Monate nach dem deutlichen Ja des Souveräns zur Einführung eines Zivildienstes und nach einer kurzen Vorvernehmlassung legten die damit betrauten Departemente EVD und EMD einen 84 Artikel umfassenden
Entwurf für ein Bundesgesetz über den Zivildienst (ZDG) vor, welches mit der Armeereform 1995 wirksam werden sollte. An der allgemeinen Wehrpflicht wurde festgehalten, so dass es auch inskünftig keine freie Wahl zwischen Wehr- und Zivildienst geben wird. Offen liess der Entwurf noch, ob als Zulassungskriterium alle Gewissensgründe, also auch politische, oder nur ethische Motivationen gelten sollen. Für das Zulassungsverfahren zum Ersatzdienst wurden drei Varianten zur Diskussion gestellt: ein Tatbeweismodell mit summarischer Prüfung der Gründe, ein Modell mit der persönlichen Anhörung jedes Gesuchstellers sowie eine Mischform mit einer Anhörung nur auf Verlangen oder bei einer sich abzeichnenden Ablehnung des Gesuches. Wird einem Gesuch nicht stattgegeben, soll bei einer verwaltungsunabhängigen Rekurskommission Beschwerde geführt werden können. Auch bezüglich der Dauer enthielt der Entwurf zwei Möglichkeiten, nämlich eine
Ausdehnung auf das 1,3-oder das 1,5-fache der nicht geleisteten militärischen Ausbildungszeit. Vorgesehen wurde ein Einsatz im Gesundheits- und Sozialbereich, in der Umwelt-, Natur- und Landschaftspflege und im Forstwesen, in der Berglandwirtschaft sowie in der Katastrophenhilfe. Der Vollzug soll föderalistisch geregelt werden. In der Regel soll der Ersatzdienst im Wohnsitzkanton erfolgen; Einsätze in anderen Kantonen oder im Ausland wurden jedoch nicht ausgeschlossen. Offen blieb die Frage, ob der Zivildienst am Stück oder auch in Tranchen soll absolviert werden können
[60].
In der
Vernehmlassung bestätigte sich das alte Links-/Rechts-Schema in Armeefragen. FDP und SVP wollten nur ethische Gründe für die Zulassung zum Zivildienst gelten lassen und dessen Dauer auf das Anderthalbfache des Militärdienstes festsetzen. Die CVP und der LdU sprachen sich für eine 1,3 fache Dauer aus. Die SP und die Grünen erinnerten daran, dass sie für eine freie Wahl zwischen Militär- und Zivildienst seien, verlangten die grundsätzliche Anerkennung aller Verweigerungsgründe, da jede Prüfung zu Willkür führen müsse, und wollten den Zivildienst auf das 1,2fache des Militärdienstes beschränken. Die Mehrheit der Kantone sprach sich für das Tatbeweismodell und für die anderthalbfache Dauer aus. Einig waren sich die Kantone darin, dass der Bund die gesamten Kosten zu tragen habe, also auch den Verwaltungsaufwand der kantonalen Arbeitsämter
[61].
Eine parlamentarische Initiative Carobbio (sp, TI), welche verlangte, der
Strafvollzug für Dienstverweigerer sei bis zum Inkrafttreten des Zivildienstgesetzes auszusetzen, wurde vom Nationalrat klar abgelehnt. Die grosse Kammer begründete ihren Entscheid unter anderem mit den Möglichkeiten, welche die 1992 wirksam gewordene Barras-Reform den Dienstverweigerern aus Gewissensgründen gewährt. Zudem liege der Strafvollzug in der Kompetenz der Kantone, weshalb es nicht angezeigt sei, dass der Bund hier eine Vereinheitlichung vorschreibe
[62].
[60] Presse vom 27.2. und 6.7.93. Die 1,2-fache Dauer war im ersten Konzept zur Diskussion gestellt worden, dann aber, um die Vorlage nicht zu belasten, wieder aus den Traktanden gefallen. Keine Chance hatte von vornherein die Forderung von SP und Dienstverweigererorganisationen nach einer ungefähr gleich langen Dienstdauer.
[61] NZZ, 23.4.93; JdG und SGT, 3.11.93.
[62] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1928 ff. Die Kantone BS, BE, GE, JU, LU, NE, NW, TI, ZG und ZH gewähren bereits den Strafaufschub bis zum Inkrafttreten des neuen Gesetzes: LNN, 8.5.93; BüZ, 16.10.93.
Copyright 2014 by Année politique suisse
Dieser Text wurde ab Papier eingescannt und kann daher Fehler enthalten.