Année politique Suisse 1993 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik / Wettbewerb
Mit der am 6. Dezember des Vorjahres erfolgten Ablehnung des EWR-Vertrags durch das Volk konnten auch die unter dem Titel Eurolex vorgenommenen Anpassungen an den Acquis communautaire der EU nicht in Kraft treten. Im Sinne einer mit der europäischen Gesetzgebung weitgehend kompatiblen schweizerischen Rechtsordnung, namentlich auch im Wirtschaftsbereich, entschloss sich der Bundesrat, insgesamt 27 der damals vom Parlament beschlossenen Erlasse in einem Swisslex genannten Paket neu aufzulegen. Enthalten waren darin auch alle konsumentenpolitischen Vorlagen der Eurolex.
Sowohl beim
Konsumkreditgesetz als auch der
Produktehaftpflicht, der Ausdehnung des
Widerrufsrechts für Haustürgeschäfte, dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb und der rechtlichen Definition und den
Mindestanforderungen für touristische Pauschalreisen übernahm der Bundesrat jeweils die vom Parlament 1992 verabschiedete Fassung mit einigen redaktionellen Änderungen
[41].
In der parlamentarischen Behandlung waren diese fünf Vorlagen vor allem im Nationalrat nicht unumstritten. Gegen den vor allem von der SVP, der LP und der AP getragenen Widerstand setzte sich die Neuerung, dass ein Richter im Rahmen des UWG die Beweislast für Werbebehauptungen umkehren kann, nur relativ knapp durch. Die kleine Kammer hatte der Revision oppositionslos zugestimmt
[42]. Auch die Bestimmungen über touristische Pauschalreisen wurden, trotz des Widerstands der SVP-Fraktion im Nationalrat, von beiden Räten verabschiedet
[43]. Unbestritten war in beiden Kammern die Erweiterung des Widerrufsrechts
[44].
Grundsätzlich einverstanden waren beide Räte auch mit der Einführung einer
verschuldensunabhängigen Produktehaftpflicht. Der bereits bei der Swisslex unterlegene Antrag der SP und der Grünen, diese auch auf gentechnisch veränderte Tiere und Pflanzen auszuweiten, unterlag im Nationalrat erneut. Abgelehnt wurde aber auch ein Antrag von bürgerlicher Seite, die Gesamthaftung wie in Deutschland auf eine Summe von 130 Mio Fr. zu begrenzen. Mit einem Postulat forderte der Nationalrat den Bundesrat auf, mit den EU- und den EWR-Staaten bilaterale Verträge über eine gegenseitige Anerkennung der Produktehaftpflicht abzuschliessen. Eine 1990 eingereichte parlamentarische Initiative Neukomm (sp, BE) für die Einführung der Produktehaftpflicht konnte als erfüllt abgeschrieben werden
[45].
Umstritten war auch die Ausgestaltung des
Gesetzes über den Kleinkredit. Wie bereits bei der Eurolex versuchten Vertreter der SP vergeblich, schärfere Bestimmungen einzubringen. Sie unterlagen ebenfalls, als der Nationalrat einem Antrag Oehler (cvp, SG) zustimmte, der die Gesetzgebung über Konsumkreditverträge (mit Ausnahme des gemäss OR den Kantonen vorbehaltenen Erlasses von Höchstzinssätzen) zur ausschliesslichen Bundessache erklärte, womit kantonal strengere Bestimmungen nicht mehr zulässig wären. Dieser Vorschlag war bereits in der erstberatenden Ständekammer von der Kommissionsmehrheit eingebracht, aber auf Antrag von Josi Meier (cvp, LU) abgelehnt worden. In der Differenzbereinigung schwächte der Ständerat den Beschluss des Nationalrats insofern ab, als dass er dem Bund zwar die Kompetenz zur abschliessenden Regelung des privatrechtlichen Bereichs zugestand, gleichzeitig aber sicherstellte, dass in bezug auf Sozialschutz über die Swisslex hinausgehende kantonale öffentlichrechtliche Bestimmungen in Kraft bleiben können. Die grosse Kammer schloss sich diesem Entscheid an
[46].
Eine
Standesinitiative des Kantons Luzern, welche in bezug auf
Sozialschutz ähnlich wie die 1991 vom Parlament überwiesene Motion Affolter (fdp, SO) über die jetzt verabschiedeten Bestimmungen hinausging, wurde zwar vom Ständerat gutgeheissen, vom Nationalrat aber gegen den Widerstand der Linken als erfüllt abgeschrieben. Nachdem der Ständerat in der Differenzbereinigung jedoch auf seinem positiven Entscheid beharrte, gab der Nationalrat nach. Er überwies danach auch gleich noch eine
Solothurner Standesinitiative, welche die rasche Ausarbeitung eines Bundesgesetzes über Kleinkredite verlangt, das den Maximalzins von 15% und die Höchstlaufzeit auf 24 Monate beschränkt
[47].
[41] BBl, 1993, I, S. 805 ff. Zum Inhalt der Erlasse siehe SPJ 1992, S. 113 f. Vgl. auch oben, Teil I, 2 (Europe).
[42] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 206, 384 und 584; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 750 ff. und 1455; BBl, 1993, II, S. 943 f.
[43] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 200 f. und 587; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 784 f. und 1458; BBl, 1993, II, S. 999 ff. Vgl. auch SPJ 1991, S. 117 f. sowie TA, 20.7.93.
[44] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 199 f. und 585; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 779 f. und 1457; BBl, 1993, II, S. 990 f.
[45] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 245 ff. und 586; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 963 ff. und 1458; BBl, 1993, II, S. 992 ff. Postulat und parl. Initiative: Amtl. Bull. NR, 1993, S. 973 f. sowie SPJ 1990, S. 97 und 1991, S. 118. Siehe auch SHZ, 18.11.93; NZZ, 28.12.93; BZ, 30.12.93. Zu den neuen Bestimmungen siehe auch Plädoyer, 11/1993, Nr. 6, S. 25 ff.
[46] Amtl. Bull. StR, 1993, S. 202 ff., 393 ff., 701 ff. und 794; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 786 ff., 1725 und 2044; BBl, 1993, III, S. 788 ff. Vgl. auch NZZ, 28.9.93.
[47] Luzern: Amtl. Bull. StR, 1993, S. 204 f. und 396 f.; Amtl. Bull. NR, 1993, S. 792 f. und 2358. Solothurn: Amtl. Bull. NR, 1993, S. 2359 f. Vgl. SPJ 1991, S. 117.
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