Année politique Suisse 1993 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Indirekte Steuern
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Strassenabgaben, Treib- und Brennstoffe
Das Referendum gegen die Treibstoffzollerhöhung, welches von einem überparteilichen Komitee bestehend aus Vertretern des Transportgewerbes, der Auto-Partei und des Centre patronal ergriffen worden war, kam zu Beginn des Berichtsjahres zustande. Dieses Komitee "gegen eine parasitäre Besteuerung des Privatverkehrs" wehrte sich dagegen, dass die Staatsfinanzen seines Erachtens auf Kosten des privaten Strassenverkehrs saniert werden sollten. Im übrigen befand es die Erhöhung der Steuerbelastung in Zeiten der Rezession und des damit verbundenen Anstiegs der Staatsquote unverantwortlich. Der Kanton Waadt steuerte mit über 17 000 Unterschriften am meisten von allen Kantonen bei, gefolgt vom Kanton Zürich mit ca. 13 000. In der Abstimmungskampagne war es denn auch der Kanton Waadt, in welchem die Gegner am aktivsten waren [29]. Kurz darauf gründeten über 120 Mitglieder der eidgenössischen Räte ein Gegenkomitee mit dem Namen "Ja zu einem angemessenen Benzinpreis", welches vom Neuenburger Nationalrat Frey (fdp) präsidiert wurde. Im Interesse der Bundeskasse sowie der Fertigstellung des Nationalstrassennetzes plädierte das Komitee für eine massvolle Erhöhung der hälftig zweckgebunden zu verwendenden Treibstoffzölle. Nach Ansicht des Gegenkomitees hätte ein Nein zur Vorlage eine namhafte Verzögerung der Fertigstellung des Nationalstrassennetzes, insbesondere in den Randregionen, zur Folge [30].
Der Bundesrat hatte bereits im Vorjahr den Abstimmungstermin zur Vorlage über die Treibstoffzollerhöhung festgelegt, bevor das Referendum überhaupt definitiv zustande gekommen war. Im Hinblick auf eine frühzeitige Abstimmung mit positivem Ausgang erhoffte sich der Bundesrat trotz der Verzögerung durch das Referendum Einnahmen aus der Treibstoffzollkasse in der Höhe von ca. einer Mia Fr. für das Rechnungsjahr 1993 [31].
Ausser der Auto-Partei, der SD/Lega-Fraktion sowie der PdA unterstützten alle Parteien die Treibstoffzollerhöhung. Bei der FDP scherten allerdings mehrere Kantonalsektionen aus. Der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) beschloss, seinen Mitgliedern Simmfreigabe zu empfehlen. Der links-grüne Verband forderte einerseits, der Strassenverkehr müsse seine internen und externen Kosten selbst tragen; somit wäre eine Verteuerung des Benzins in seinem Sinne gewesen. Andererseits lehnte er es ab, der Bundeskasse zu noch mehr zweckgebundenen Mitteln für den Strassenbau zu verhelfen. Der Touring-Club-Schweiz (TCS) als grösste Interessenorganisation im Automobilverbandswesen unterstützte die Zollerhöhung, vor allem aus Sorge um die baldige Fertigstellung des Nationalstrassennetzes. Der ACS und der Nutzfahrzeugverband Astag bildeten jedoch zusammen mit der AP die Hauptgegner der Vorlage [32].
Erhöhung des Treibstoffzolls. Abstimmung vom 7. März 1993
Beteiligung: 51,3% Ja: 1 259 373 (54,5%)
Nein: 1 051 067 (45,5%)

Parolen :
Ja: FDP (6*), CVP, SP, SVP (1*), GP (1*), LP (1*), LdU (2*), EVP, EDU (1*); Vorort, SBV, SGB, TCS.
Nein: AP, SD (1*), PdA, Lega; ACS, Astag, Centre patronal.
— Stimmfreigabe: SGV, VCS.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Mit einem Mehr von 54,5% wurde die Vorlage bei einer relativ hohen Stimmbeteiligung von 51,3% angenommen. Die Abstimmung zeigte erneut den verkehrspolitischen Graben zwischen der deutschen und der romanischen Schweiz. Alle Kantone der Romandie und das Tessin lehnten die Vorlage ab, während alle Stände der deutschen Schweiz ausser Schwyz zustimmten. Am höchsten fiel die Zustimmung in den Kantonen Basel-Stadt (69,1%) und Uri (68,5%) aus, während die Ablehnung in den Kantonen Jura (63,2%) und Wallis (60,4%) am stärksten war [33].
Gemäss der Vox-Analyse zeigte unter den sozioökonomischen Merkmalen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Sprachregion den signifikantesten Zusammenhang mit dem Stimmverhalten. Die politische Merkmalsgruppe mit der deutlichsten Zustimmung waren die Anhänger der GP, während Mitglieder und Sympathisanten der Auto-Partei und politisch wenig Interessierte die deutlichste Ablehnung äusserten. Bei den Entscheidmotiven zeigte sich, dass bei den Ja-Stimmenden in der Deutschschweiz die Mittelbeschaffung für die Bundeskasse, Umweltschutzargumente und das Verursacherprinzip im Vordergrund standen. In der Romandie hingegen war für die Befürworter das entscheidende Motiv die zu 50% zweckgebundene Verwendung für den Strassenbau, insbesondere die Nationalstrassen, während ökologische Beweggründe bedeutungslos blieben. Insgesamt erzielten die Treibstoffzolleinnahmen, wie nach Annahme der Referendumsabstimmung erwartet, im Rechnungsjahr ein gutes Ergebnis, blieben aber trotzdem 400 Mio Fr. unter dem budgetierten Betrag, nicht zuletzt auch weil der Benzintourismus im Südtessin und in der Region Basel stark zurückging [34].
 
[29] BBl, 1993, I, S. 641 f. Vgl. auch SPJ 1992, S. 139 f.
[30] NZZ, 16.1.93; 24 Heures, 10.2.93; wf, Dok., 25.1. und 15.2.93.
[31] Vgl. NZZ, 22.1.93.
[32] SGT, 27.2.93 (VCS); NZZ, 22.1.93 (Übersicht); NZZ, 9.2.93 (TCS). Siehe auch unten, Teil I, 6b (Trafic routier).
[33] BBl, 1993, I, S. 1587 ff.; Presse vom 8.3.93.
[34] BBl, 1993, I, S. 1587 ff.; Vox, Analyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 7. März 1993, Bern 1993. Siehe auch Lit. Crea.