Année politique Suisse 1993 : Infrastruktur und Lebensraum / Erhaltung der Umwelt
 
Luftreinhaltung
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CO2-Abgabe
Die Diskussion um die Einführung von neuen marktwirtschaftlichen Lenkungsabgaben im Umwelt- und Energiebereich, insbesondere der CO2-Abgaben, wurde durch die Veröffentlichung der Studie "Umweltabgaben in Europa", welche vom Büro Ecoplan im Auftrag des BUWAL und des BEW erstellt wurde, neu angeheizt. In der ländervergleichenden Studie stellten die Autoren fest, dass in der Schweiz zwar strenge Umweltschutzregelungen in Form von gesetzlichen Vorschriften und Verboten herrschen, die schweizerischen Energiepreise insgesamt (sowohl Elektrizität als auch Heizöl und Benzin) jedoch zusammen mit den luxemburgischen die niedrigsten in Europa sind. Gemäss der Studie wurden Energiesteuern inklusive einer CO2-Abgabe als Teil des globalen Steuersystems mit Lenkungseffekt bisher erst in den skandinavischen Ländern eingeführt [24].
Die Grüne Partei schlug im Zusammenhang mit der Diskussion um eine neue Finanzordnung erneut eine ökologische Steuerreform vor, die anstelle der Arbeit vermehrt die zur Herstellung eines Industrieprodukts oder einer Dienstleistung eingesetzte Energie besteuert. Dadurch sollen einerseits durch konkurrenzfähigere Produktion Arbeitsplätze erhalten und andererseits umwelt- und ressourcenschonendere Techniken gefördert werden [25].
Nachdem die Benzinzollerhöhung um 20 Rappen pro Liter vom Volk angenommen worden war, drängte sich in der Diskussion um die CO2-Abgabe die Frage auf, ob nur Brennstoffe oder auch Treibstoffe besteuert werden sollten, wodurch die Autofahrer und die Transportunternehmer zusätzlich belastet würden. BUWAL-Direktor Philippe Roch heizte die Diskussion um die CO2-Abgabe noch mehr an, als er in einem Interview ankündigte, eine Lenkungsabgabe von acht Rappen pro Liter Benzin resp. Diesel werde stufenweise bis ins Jahr 2000 eingeführt. Da der Bundesrat bezüglich der CO2-Abgabe noch keinen Entscheid gefällt hatte, wurde Roch nach Einleitung einer Administrativuntersuchung durch seine Departementsvorsteherin Dreifuss für sein Vorprellen verwarnt [26]. Der Bundesrat hat noch keinen Grundsatzentscheid in Sachen CO2-Abgaben getroffen. Um den Ausgang der Abstimmung über die Einführung der Mehrwertsteuer nicht zu gefährden, verschob er einen ersten Entscheid und das Vernehmlassungsverfahren vorerst auf 1994. Innerhalb der Bundesratsparteien zeichnete sich immerhin schon ein relativ breiter Konsens zugunsten einer CO2-Abgabe ab. Im Gefolge der intensiven Diskussionen um eine Umweltabgabe kündigte der TCS prophylaktisch ein Referendum gegen eine eventuelle CO2-Abgabe an, ohne deren genaue Ausgestaltung überhaupt zu kennen [27].
Der WWF reichte bei den Geschäftsprüfungskommissionen der beiden Räte eine Aufsichtsbeschwerde gegen den Bundesrat ein, in welcher er den Vollzugsnotstand im Bereich der Luftreinhaltung, insbesondere was die kantonalen Massnahmenpläne anbelangt, anprangerte. Seiner Ansicht nach ist die gesamte Landesregierung verantwortlich für den schleppenden Vollzug. Ende des Berichtsjahres waren vier kantonale Massnahmenpläne noch nicht vorgelegt (AR, JU, VD und VS) [28].
Die in den beiden Basler Halbkantonen eingeführten marktwirtschaftlichen Instrumente im Umweltschutz in Form von handelbaren Emissionsgutscheinen für die Unterschreitung der Grenzwerte der LRV blieben ohne Erfolg, da die Rahmenbedingungen unangepasst waren. Gemäss einer wissenschaftlichen Studie trugen sowohl die sich verändernden eidgenössischen Grenzwerte in Form von Rechtsunsicherheit als auch der Ausschluss der Kleinemittenten vom Gutscheinhandel zum Misserfolg bei [29].
Der Bundesrat hat die Abgasvorschriften für schwere Motorfahrzeuge den ab Oktober des Berichtsjahres geltenden Normen der EU angepasst. Insbesondere wollte die Regierung damit eine Übereinstimmung des zulässigen Russpartikelausstosses erreichen. Im Bereich der Abgasnormen für Personenwagen äusserte der Bundesrat die Absicht, Verschärfungen nur im Gleichschritt mit der EU zu verwirklichen [30].
Die Polemik um die Ausrüstung von Tankstellenzapfsäulen mit Benzindampfrückführung dauerte im Berichtsjahr an. Verschiedene Mineralölgesellschaften und der Autogewerbe-Verband der Schweiz (AGVS) kritisierten, das BUWAL habe die Umrüstungspflicht für die Tankstelleninhaber bis Ende 1994 zu kurzfristig angesetzt. Ein neues, bedienungsfreundlicheres System mit aktiver Benzindampfabsaugung, welches effizienter als das Passivsystem sei, komme erst noch auf den Markt. Auf die Anfragen Maurer (svp, ZH) und Steinemann (ap, SG) nach der Umrüstungspflicht auf das passive Benzinrückführungssystem antwortete Bundesrätin Dreifuss, die Pflicht, ein bestimmtes System zur Dampfrückführung anzuschaffen, habe gar nie bestanden. Die Tankstelleninhaber seien in der Wahl des Systems frei, vorausgesetzt, dieses erfülle die Anforderungen des in der Luftreinhalteverordnung vorgeschriebenen Wirkungsgrads [31].
 
[24] Lit. Ecoplan; Bund und LNN, 28.1.93; TA, NZZ und NQ, 29.1.93. BaZ, 19.4.93.
[25] BZ und NQ, 11.2.93. Vgl. auch Lit. Moser.
[26] Brenn-/Treibstoffe: Presse vom 1.4.93. Roch: Presse vom 19.6. und 21.6.93; Suisse, 20.6.93; Ww, 24.6.93; BZ, 18.12.93; NQ, 20.12.93. Zur Abstimmung über die Benzinzollerhöhung siehe oben, Teil I, 5 (Indirekte Steuern).
[27] Presse vom 24.6.93 (Verschiebung); BZ, 15.5.93 (Parteien); NZZ, 26.6.93 (TCS).
[28] Presse vom 7.1.93.
[29] LNN und BZ, 5.1.93.
[30] AS, 1993, S. 240 f.; Presse vom 14.1. und 1.5.93.
[31] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1157 f.; Suisse, 17.5.93; BZ, 14.6.93.