Année politique Suisse 1993 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen / Ausländerpolitik
Im Rahmen von Swisslex bekräftigte der Bundesrat erneut seinen Willen, das in seinem Bericht von 1991 aufgezeichnete
Konzept des Dreikreisemodells schrittweise zu realisieren. Nach einer Übergangsfrist soll das Saisonnierstatut mit dem heute bestehenden Umwandlungsmechanismus in Daueraufenthaltsbewilligungen, dem in der Vergangenheit eine Schleusenfunktion für die massive Zuwanderung wenig qualifizierter Arbeitskräfte zugekommen war, abgelöst werden. Dies kann der Bundesrat jedoch nicht in eigener Regie beschliessen, da der Umwandlungsanspruch in internationalen Verträgen festgeschrieben ist. Er will deshalb mit den betreffenden Ländern Verhandlungen aufnehmen und nach deren Abschluss die Regelung der saisonalen Arbeitsverhältnisse den europäischen Standards annähern, beispielsweise durch befristete Aufenthaltsbewilligungen mit Gewährung des Familiennachzugs, falls der Kurzaufenthalter über die nötigen Mittel und eine entsprechende Wohnung verfügt. Gleichzeitig beabsichtigt der Bundesrat, die Rechtsstellung der mehrjährigen Grenzgänger mit Ausnahme des Rechts auf Wohnsitznahme derjenigen der Daueraufenthalter anzugleichen. Längerfristiges Ziel des Bundesrates ist ein Abbau der wenig qualifizierten ausländischen Arbeitnehmerschaft und deren Ersetzung durch ausländische Spezialisten und Kaderleute
[5].
Um diese Politik der primären Rekrutierung qualifizierter ausländischer Arbeitskräfte umzusetzen, beschloss der Bundesrat, in einem Teilbereich auf den seit Jahren hochgehaltenen absoluten
Vorrang von inländischen Arbeitnehmern bei der Besetzung einer Stelle zu verzichten. Auf 1. Mai des Berichtsjahres wurde die Verordnung über die Begrenzung der Zahl der Ausländer (BVO) dahingehend geändert, dass ausländische Führungskräfte multinationaler Firmen und spezialisierte Fachleute künftig davon ausgenommen sind
[6].
Bei der Ausländerregelung 1993/94 tat der Bundesrat einen weiteren Liberalisierungsschritt. Er
kürzte das Jahreskontingent für Saisonbewilligungen um 5% auf 155 000. Von den Kontingenten für die Kantone wurden zudem nur 80% freigegeben. Die Reduktion der Bewilligungen um gesamthaft 25 % soll die Kantone veranlassen, bei Angehörigen aus EG- und Efta-Staaten
auf die nicht ausgeschöpften Kontingente für Jahresaufenthalter auszuweichen. Der Bundesrat vertrat dabei die Ansicht, viele Saisonverhältnisse seien in Wirklichkeit unecht und könnten ebensogut als ganzjährige Erwerbsmöglichkeiten ausgestaltet werden. Bei Engpässen in den stark auf den Tourismus ausgerichteten Kantonen zeigte er sich bereit, zusätzliche Bewilligungen aus seinem 10 000 Einheiten umfassenden Kontingent zu erteilen. Den Jahresaufenthaltern kam der Bundesrat insofern entgegen, als künftig für den Familiennachzug die Wartefrist von 12 Monaten aufgehoben wird. Die Bedingungen, an die der Nachzug geknüpft ist – genügend Mittel und angemessene Wohnung – bleiben aber bestehen
[7].
[5] BBl, 1993, I, S. 827 f. Siehe dazu auch Presse vom 8.1. (Ausführungen von Biga-Direktor Nordmann) und 21.1.93. Da dies seiner eigenen Stossrichtung entspricht, war der BR durchaus bereit, eine Motion der CVP-Fraktion für eine neue Orientierung der Ausländerpolitik und die schrittweise Aufhebung des Saisonnierstatuts entgegenzunehmen. Die Motion wurde von beiden Kammern diskussionslos verabschiedet (Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1387; Amtl. Bull. StR, 1993, S. 932 f.). Zur Vereinbarkeit des Dreikreisemodells mit dem UNO-Übereinkommen gegen die Rassendiskriminierung siehe NZZ, 23.10.93
[6] Presse vom 22.4.93. Siehe dazu die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1993, S. 2028 ff., 2161 ff. und 2552. Für alle anderen Berufskategorien bleibt der Grundsatz des Vorrangs der inländischen Bevölkerung gemäss Art. 7 BVO jedoch vollumfänglich in Kraft (Amtl. Bull. NR, 1993, S. 1418 f. und 1622 f.). Die Zulassungsbestimmungen für Grenzgänger wurden dahingehend erleichtert, dass sie nach fünf Jahren regelmässiger Arbeit in der Schweiz eine weitgehende berufliche Freizügigkeit erhalten.
[7] Presse vom 2.6. (Vorschlag des BR), 24.8. (Ergebnisse der Vernehmlassung) und 21.10.93. Für den Druck der EG auf Einführung des freien Personenverkehrs siehe oben, Teil I, 2 (Europe).
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