Année politique Suisse 1993 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen / Stellung der Frau
Die Wahl von Ruth Dreifuss in den Bundesrat bedeutete einerseits einen klaren punktuellen Sieg der Frauen, da erstmals aufgrund von "Frauen-Power" ein rechtskräftig in ein hohes Amt gewählter Mann derart unter Druck gesetzt wurde, dass er zugunsten einer Frau auf dieses Amt verzichtete. Andererseits löste die Wahl und deren Begleitumstände eine Bewegung aus, die unter dem Begriff "Brunner-Effekt" die Wahlen in kantonale und kommunale Legislativen und Exekutiven nachhaltig beeinflusste und zu einer nahezu erdrutschartißen Zunahme der Frauen in öffentlichen Ämtern führte. Dazu sowie zur lancierten neuen Quoteninitiative für Bundesbehörden ("Initiative 3. März") bzw. zur Petition "Nationalrat 2000" und zu entsprechenden parlamentarischen Vorstössen siehe oben, Teil I, 1c, Einleitung und Regierung sowie 1e.
Mit Gret Haller (sp, BE) wurde zum drittenmal eine Frau zur Nationalratspräsidentin und damit höchsten Schweizerin gewählt. Haller, die als engagierte Feministin gilt, wertete ihre Wahl als Anerkennung der Frauenbewegung
[28].
Bei der Abstimmung über eine
Totalrevision der Staatsverfassung im Kanton Luzern konnte sich erstmals das Stimmvolk an der Urne zur
Einführung einer Quotenregelung äussern. Alle Luzerner Frauenorganisationen, ein überparteiliches Komitee sowie die Linksparteien hatten eine paritätische Zusammensetzung des Verfassungsrates verlangt. Im Namen der Wahlfreiheit sprach sich die FDP klar, die CVP knapp dagegen aus. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger lehnten die Quotenregelung mit 68% Neinstimmen deutlich ab
[29].
[28] Amtl. Bull. NR, 1993, S. 2063 ff.; Presse vom 30.11.93. 1977/78 hatte Elisabeth Blunschy (cvp, SZ) dieses Amt bekleidet, 1981/82 Hedi Lang (sp, ZH).
[29] Presse vom 29.11.93.
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