Année politique Suisse 1994 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Schweizerische Volkspartei (SVP)
Aufgrund des Konfliktes zwischen dem liberalen und dem von der Zürcher Sektion dominierten konservativen Parteiflügel hatte die SVP 1993 eine interne Arbeitsgruppe unter Vizepräsident Marcel Blanc (VD) eingesetzt, die das Verhältnis zwischen Mutterpartei und den kantonalen Sektionen überprüfen sollte. Anfang Jahr kam der leitende Ausschuss überein, dass sich die SVP Schweiz in nationalen Angelegenheiten künftig zuerst äussere und Parolen fasse. Kantonale Sektionen können auf nationaler Ebene weiterhin Initiativen lancieren und Referenden ergreifen, müssen aber dafür die Zustimmung des SVP-Zentralvorstandes einholen. Mit diesen neuen Regelungen soll das Vorpreschen einer kantonalen Sektion, wie es die SVP Zürich etwa in der EWR-Frage oder mit der Asylinitiative vorführte, künftig vermieden werden. Der Bericht der Arbeitsgruppe stellt ausserdem klare Anforderungen und Voraussetzungen für die Gründung neuer Kantonalparteien. Der Wirkungsgrad dieser neuen Regeln wurde jedoch angezweifelt, zumal von Zürcher Seite kämpferische Töne kamen [22].
Eine Disziplinierung der Zürcher Kantonalpartei forderte in einer Resolution die Waadtländer Sektion der SVP. Sie sei nicht mehr bereit, die "populistischen und fremdenfeindlichen Verdrehungen mit extremistischer Tendenz der Zürcher SVP" zu dulden. Damit sprach sie vor allem die aggressive Wahlkampagne in der Stadt Zürich an, die zum Teil verfälschte Informationen enthielt [23].
In einem Sanierungskonzept für den Bundeshaushalt wollte die SVP die Ausgaben 1995 auf dem Stand von 1994 einfrieren und 1996 über die Vorschläge des Bundesrates von 2,5 Mia Fr. hinaus um weitere 2,6 Mia Fr. kürzen. Vorab schlug sie, durch die Einführung einer einmonatigen Karenzfrist, Einsparungen bei der Arbeitslosenkasse vor. Gemäss SVP würde diese 1,5 Mia Fr. in die Bundeskasse bringen, der Vorschlag wurde jedoch selbst von Arbeitgebern kritisiert. Ausserdem wollte die SVP vor allem im Asylbereich, in der Aussenpolitik und bei den EU-Forschungsprogrammen sparen. Nicht antasten wollte sie hingegen die Landwirtschaft und die AHV [24].
Die SVP legte ein eigenes Drogenkonzept vor, welches sich von den Positionen der drei anderen Regierungsparteien klar abgrenzt. Darin hält sie am Ziel der Suchtfreiheit der Gesellschaft fest und will diese durch präventive, therapeutische und repressive Massnahmen erreichen. Zwangsentzüge im Rahmen des fürsorgerischen Freiheitsentzugs sollen möglich werden. Als einzige Regierungspartei wehrte sich die Partei vehement gegen die kontrollierte Abgabe harter Drogen und den straffreien Drogenkonsum. Die Volksinitiative "Jugend ohne Drogen" begrüsste sie, forderte vom Bundesrat aber einen differenzierten Gegenvorschlag [25].
Die SVP-Parteileitung wählte Myrtha Welti zuerst zur interimistischen, dann definitiven Generalsekretärin und ersetzte damit Max Friedli [26].
Bei den eidgenössischen Abstimmungen wich die SVP bei vier Vorlagen von Bundesrat und Parlament ab, darunter dem Kulturartikel und den Blauhelmen. Das Nein zum Kulturartikel entstand jedoch nur mit Zufallsmehr. Bei den Blauhelmen wichen fünf und beim Kulturförderungsartikel neun Kantonalparteien (von insgesamt 19) von der Mutterpartei ab und stimmten damit für den Parlamentsbeschluss. Als einzige Regierungspartei lehnte die SVP Schweiz auch die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe und - allerdings wiederum nur durch Zufallsmehr - das Krankenversicherungsgesetz ab. Dem Verbot der Rassendiskriminierung stimmte sie klar zu, sieben Kantonalsektionen lehnten es jedoch ab.
Bei den kantonalen Wahlen erzielte die SVP insgesamt drei Sitzgewinne und zog im Kanton Zug gleich in Fraktionsstärke ins Parlament ein. Im Kanton Baselland verlor sie jedoch einen Exekutivsitz.
 
[22] NZZ, 22.1.94; SoZ, 23.1.94; SGT und BZ, 24.1.94. Vgl. auch SPJ 1993, S. 321.22
[23] NZZ, 22.1.94 (Resolution). Die SVP Zürich hatte in einem Wahlinserat zur Kriminalität eine falsche Grafik verwendet. TA, 7.1.94. Zum Zürcher Wahlkampf siehe auch oben, Teil I, 1e (Wahlen) sowie SPJ 1993, S. 321.23
[24] Bund, BZ und NZZ, 19.8.94.24
[25] Bund, NZZ und 24 Heures, 14.9.94. Vgl. auch Broschüre SVP Drogenkonzept, Bern 1995.25
[26] Presse vom 17.3.94; LNN, 26.3.94.26