Année politique Suisse 1994 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Regierung
print
Wahlverfahren
Die letztjährige, recht turbulent verlaufene Ersatzwahl für den Bundesrat hatte zur Einreichung von verschiedenen parlamentarischen Vorstössen bezüglich des Wahlverfahrens geführt [3].
Der Bundesrat veröffentlichte seine Stellungnahme zum Vorschlag der Staatspolitischen Kommission des Nationalrats, die Verfassungsbestimmung, wonach nicht zwei Mitglieder der Landesregierung aus dem selben Kanton stammen dürfen, ersatzlos zu streichen. Er sprach sich gegen diese Neuerung aus. Dabei stützte er sich vor allem auf eine Vernehmlassung, welche ergeben hatte, dass sich von den nicht deutschsprachigen Kantonen nur gerade Genf dafür ausgesprochen hatte. Die Nationalratskommission zog aus der Vernehmlassung gegenteilige Schlüsse. Da eine deutliche Mehrheit der Kantone die Neuerung begrüsst hatte, beschloss sie, dem Plenum die Streichung der Kantonsklausel zu beantragen [4].
Auf keine Gegenliebe stiess bei der Vereinigten Bundesversammlung die Forderung der Grünen Robert (BE), dass analog zu Sachabstimmungen auch die Wahlen mit offener Stimmabgabe durchgeführt werden können. Keine Zustimmung fand aber auch der Vorschlag Guinands (lp, VD) für eine Einschränkung der Wahlmöglichkeiten in dem Sinne, dass nur eine Woche im voraus angemeldete Kandidierende wählbar sein sollen [5].
Der Nationalrat lehnte auf Antrag seiner Staatspolitischen Kommission ebenfalls die beiden parlamentarischen Initiativen Hämmerle (sp, GR) und Robert (gp, BE) für eine Volkswahl des Bundesrates - mit Quoten für Geschlechter und Sprachgebiete - mit deutlichem Mehr ab. Die Kommission begründete ihren Antrag einerseits mit den technischen Problemen, die bei der Erfüllung der Quoten auftreten würden. Zusätzlich formulierte sie aber auch Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen einer Volkswahl auf die politische Kultur. Sie befürchtete insbesondere, dass damit die Personalisierung der Politik und der Trend zu populistischen Propagandakampagnen noch verstärkt würden [6].
Keinen Erfolg hatte auch die parlamentarische Initiative von Bär (gp, BE) für eine verfassungsmässig garantierte "angemessene" Vertretung beider Geschlechter in der Landesregierung. Eine knappe Mehrheit der vorberatenden Kommission schlug dem Nationalrat vor, dem Vorstoss keine Folge zu geben. Gegen die Stimmen der SP, der GP und Teilen der LdU/EVP-Fraktion und der CVP schloss sich das Plenum mit 93:53 Stimmen diesem Antrag an [7].
Am 7. Dezember wählte die Vereinigte Bundesversammlung Kaspar Villiger mit 186 Stimmen (bei einem Mehr von 101) zum Bundespräsidenten für 1995. Zum Vizepräsidenten wurde mit 170 Stimmen Jean-Pascal Delamuraz gewählt [8].
 
[3] Vgl. SPJ 1993, S. 33 ff.3
[4] BBl, 1994, III, S. 1370 ff.; NZZ, 20.1.94; BaZ, 26.3. und 14.6.94 (Vernehmlassung); NZZ, 2.7.94. Vgl. SPJ 1993, S. 35.4
[5] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1992 ff. resp. 1994 f.5
[6] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1850 ff.6
[7] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1853 ff. Vgl. auch Bund, 3.3.94; TA, 8.3.94. Zu der im Vorjahr lancierten Quoteninitiative, für welche die Sammelfrist noch nicht abgelaufen ist, siehe WoZ, 6.5.94; Bund, 8.10. und 11.11.94; DAZ, 22.12.94.7
[8] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 2571; Presse vom 7.12. und 8.12.94. Vgl. auch die Interviews mit Villiger in LZ und NZZ, 31.12.94.8