Année politique Suisse 1994 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik / Konjunkturpolitik
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Ankurbelungsmassnahmen
Die SP hatte bereits im Herbst des Vorjahres - unter anderem mit einer parlamentarischen Initiative - eine Aufstockung des anfangs 1993 beschlossenen Bonus für öffentliche Investitionen sowie eine Ausweitung seines Geltungsbereichs auf öffentliche Beschaffungen, namentlich für Verkehrs- und Kommunikationsmittel verlangt. Im Februar übernahm die Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrats (WAK) einen Teil dieser auch von der Bauwirtschaft mitgetragenen Forderungen, worauf die SP ihre Initiative zurückzog. Die WAK beantragte dem Plenum eine Aufstockung um 100 Mio Fr., die aber im Gegensatz zum letztjährigen Beschluss nur noch für An- und Umbauten, jedoch nicht mehr für Neubauprojekte auszurichten seien. Die Frist zur Realisierung der neu bewilligten Projekte sollte um ein halbes Jahr auf Ende 1995 verlängert werden. Wie bereits beim letztjährigen Beschluss machte die WAK ihren Antrag wieder von einem finanzpolitischen Gegengeschäft abhängig: Damals hatte sie von der SP die Unterstützung der Mehrwertsteuer zu einem Satz von bloss 6,5% gefordert, jetzt verlangte sie vom Bundesrat, in der MWSt-Verordnung den Vorsteuerabzug für Investitionen bereits auf den 1. Juli zuzulassen. Damit könnte ihrer Ansicht nach verhindert werden, dass geplante Vorhaben bis zur allgemeinen Einführung der Mehrwertsteuer anfangs 1995 zurückgestellt werden [8].
Der Bundesrat selbst sprach sich im Nationalrat aus formalen Gründen gegen eine Verknüpfung eines Parlamentsbeschlusses (Investitionsbonus) mit dem in seine eigene Kompetenz fallenden Entscheid über den Vorsteuerabzug aus. Er lehnte aus materiellen Gründen aber auch die Weiterführung des Investitionsbonus ab. Dieser habe sich zwar in seiner Erstauflage bewährt, angesichts der schlechten Finanzlage und den günstigeren Prognosen für die Konjunkturentwicklung sei eine Verlängerung aber nicht angebracht [9]. Im Nationalrat fand eine von Blocher (svp, ZH) angeführte Kommissionsminderheit, welche sich aus ordnungspolitischen Gründen gegen den Investitionsbonus aussprach, zwar bei der SVP, den Liberalen und der FP Unterstützung, unterlag aber mit 113 zu 50 Stimmen. Nachdem die von Baumberger (cvp, ZH) beantragte Entkoppelung der beiden Vorlagen auch keine Mehrheit fand, stimmte der Nationalrat dem Paket zu [10]. Gleich anschliessend lehnte der Rat eine Motion des Zürcher Bauwirtschaftsvertreters Hegetschweiler (fdp) ab, welche verlangte, dass der Investitionsbonus auch dann verlängert werde, wenn der Bundesrat den Vorsteuerabzug nicht vorzieht [11].
Der Ständerat konnte sich mit der vom Nationalrat beschlossenen politischen Verknüpfung der beiden Geschäfte nicht anfreunden. Zudem lehnte er eine Neuauflage des Investitionsbonus ohnehin ab. Begründet wurde dieser mit 23:16 Stimmen gefällte Entscheid mit den Argumenten, dass die Finanzlage des Bundes keine zusätzlichen Subventionen zulasse und sich der Bonus jetzt bereits prozyklisch auswirken würde. Die nationalrätliche Kommission beantragte darauf, die Vorlage ebenfalls fallen zu lassen. Im Plenum konnte sich aber die vom gewerkschaftlichen Flügel der CVP unterstützte Linke, welche am ursprünglichen Beschluss festhalten wollte, mit knappem Mehr (66:63) durchsetzen. Als sich der Ständerat in der Sommersession wieder mit der Angelegenheit befassen musste, hatte der Bundesrat bereits entschieden, den Vorsteuerabzug nicht auf den 1. Juli vorzuziehen. Damit war die vom Nationalrat formulierte politische Voraussetzung für eine Weiterführung des Investitionsbonus nicht mehr gegeben. Der Ständerat hielt an seinem Nichteintretensentscheid fest, womit das Geschäft begraben war [12].
Die von der SP und den Gewerkschaften in mehreren Kantonen eingereichten Volksinitiativen für staatliche Beschäftigungsprogramme (sog. Solidaritätsinitiativen), welche mit Steuerzuschlägen auf mittleren und hohen Einkommen und Vermögen finanziert werden sollten, fanden bei den Stimmbürgern keine Gnade. Sowohl in St. Gallen als auch in Schaffhausen wurden sie deutlich (je 81%) abgelehnt [13].
 
[8] BBl, 1994, II, S. 789 ff. Zur SP-Initiative siehe Verhandl. B.vers., 1993, V, S. 36 f.; TA, 2.2.94; BZ, 11.3.94. Vgl. SPJ 1993, S. 101 f. Zum Vorsteuerabzug siehe unten, Teil I, 5 (Finanzordnung).8
[9] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 288 und 292 f.9
[10] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 278 ff.; TA, 11.3.94.10
[11] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 294 f.11
[12] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 324 ff. und 425 f.; Amtl. Bull. NR, 1994, S. 544 ff.12
[13] In den Kantonen FR und NE wurden solche Initiativen neu eingereicht. Siehe dazu unten, Teil II, 2b.13