Année politique Suisse 1994 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft / Mietwesen
Drei Vorstösse bürgerlicher Parlamentarier und Vertreter des Hauseigentümerverbandes zielten in der Sommersession auf eine
Deregulierung im Mietwesen ab. Zwei parlamentarische Initiativen Hegetschweiler (fdp, ZH) von 1992 und 1993 verlangten in Form ausgearbeiteter Entwürfe Änderungen des erst 1990 in Kraft getretenen revidierten Mietrechts. Dieses habe die Stellung des Vermieters verschlechtert und halte private Investoren vom Wohnungsbau ab. Insbesondere forderte der Initiant die Abschwächung von Mietrechtsnormen in den Bereichen Anfechtbarkeit der Anfangsmiete, Kündigung und ihre Erstreckung, vorzeitige Rückgabe des Mietobjektes, Mietzinsdepot, Mängelbehebung und Erneuerung des Mietobjektes, Untermiete und Eigenbedarf. Mit der zweiten, ergänzenden Initiative forderte der Initiant eine klare Regelung des Mietzinsvorbehalts. Danach müsste jeder Vermieter das Recht haben, nach zweijähriger Frist eine Erhöhungsmöglichkeit der Mieten auch ohne Vorbehalt geltend machen zu können. Eine parlamentarische Initiative Ducret (cvp, GE) von 1993 forderte ausserdem, den durch die geltenden Bestimmungen möglichen Widerspruch, dass der von einer zuständigen Verwaltungsbehörde bestimmte Mietzins von einer richterlichen Instanz als missbräuchlich erklärt werden könne, mit einer Änderung im Mietrecht zu verhindern. Die vorberatende Rechtskommission des Nationalrates beschloss, den drei Initiativen Folge zu geben, da sich das neue Mietrecht tätsächlich in verschiedenen Punkten nicht bewährt habe und äusserst kompliziert und unüberschaubar sei. Der Nationalrat folgte der Empfehlung seiner Kommission gegen den Widerstand der SP und der GP mit 94 zu 73 bzw. mit 105 zu 64 Stimmen
[24].
Überwiesen wurde vom Nationalrat mit 72 gegen 63 Stimmen zudem eine Motion Baumberger (cvp, ZH), welche explizit die
Einführung der Marktmiete verlangt. Die SP, die GP und ein Teil der CVP-Fraktion wehrten sich vergeblich gegen einen Systemwechsel, der ihrer Meinung nach der Abschaffung des Mieterschutzes gleichkäme und drohten, wie auch der Mieterverband, mit dem Referendum. Sie beriefen sich auf den Bericht der vom Bundesrat eingesetzten Studienkommission Marktmiete von 1993, der - ohne eine Empfehlung abzugeben - davon ausgeht, dass eine Einführung der Marktmiete zu Preiserhöhungen, insbesondere auch im Altwohnungsbestand, führen würde. Bundesrat Delamuraz machte sich für eine etappenweise Reform stark, die vor allem die Vereinfachung des Mieterrechts zum Ziel haben müsse. Eine reine Marktmiete sei hingegen wirtschaftlich und sozial nicht zu verkraften. Vergeblich sprach er sich für die Umwandlung der Motion in ein Postulat aus. Die Befürworter der Marktmiete sprachen sich zur "sozialen Abfederung" des Systemwechsels für eine staatliche Subjekthilfe aus
[25].
In der Herbstsession reichte die christlichdemokratische Fraktion per Motion eine
Kompromisslösung ein, welche sich gegen die Marktmiete, aber für eine Entschlackung des Mietrechts ausspricht. Die Motion wurde vom Nationalrat als Postulat überwiesen
[26].
Eine Motion de Dardel (sp, GE), welche den Bundesrat mit einem dringlichen Bundesbeschluss ermächtigen wollte, bei Hypothekarzinssenkungen eine allgemeine
Mietzinssenkung anzuordnen, wurde vom Nationalrat auch als Postulat abgelehnt
[27].
[24]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 881 ff. und 937 ff.; Presse vom 21.5., 7.6. und 10.6.94.24
[25]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 947 ff.; Presse vom 21.5., 7.6. und 10.6.94. Vgl.
SPJ 1993, S. 173.25
[26]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1895 f.26
[27]
Amtl. Bull. NR, 1994, S. 949 ff.27
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