Année politique Suisse 1994 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen
 
Jugendliche
Zur Herabsetzung des zivilrechtlichen Mündigkeitsalters auf 18 Jahre siehe oben, Teil I, 1b (Privatrecht).
Obschon sich ein Grossteil der Schweizer Jugendlichen zwischen 15 und 20 Jahren gesund fühlt und optimistisch in die Zukunft blickt, kämpfen viele mit Müdigkeit, Stress, Depressionen und Angst. Sie konsumieren viel Alkohol, zeigen ein riskantes Sexualverhalten und manifestieren ihre Desorientierung mit der europaweit höchsten Rate an Selbstmordversuchen. Die im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit bei 10 000 Schülern und Lehrlingen erstmals durchgeführte Befragung zeigte ferner, dass bestehende medizinische und psychosoziale Hilfsangebote kaum bekannt sind [42].
Mitte November fand im Bundeshaus die dritte Jugendsession statt. Rund 200 Jugendliche zwischen 14 und 21 Jahren setzten sich an ihrem zweitägigen Treffen mit dem Thema "Klima" auseinander. Am Ende ihrer Beratungen überwiesen sie mehrere Petitionen an die eidgenössischen Räte. Ihre zentrale Forderung war, dass Energieträger wie Benzin und Heizöl teurer werden müssten. Erstmals kamen die Jugendlichen auch in den Genuss von Entscheidungskompetenzen. Die Grundlage dazu bildete ein vom BUWAL zur Verfügung gestellter Betrag von 30 000 Fr. Die Sessionsteilnehmer beschlossen, diese Summe einer nationalen Velosammelaktion zugunsten Osteuropas, einem Aufforstungsprojekt in Costa Rica und einer Initiative für ein autofreies Luzern zukommen zu lassen [43].
Mit einer Motion forderte die abtretende Präsidentin der Eidg. Jugendkommission, die Schaffhauser SP-Nationalrätin Ursula Hafner, der Bundesrat solle die organisatorischen und materiellen Grundlagen für die Institutionalisierung eines eidgenössischen Jugendparlaments schaffen. Der Bundesrat war bereit, die Motion als Postulat entgegenzunehmen, doch wurde der Vorstoss von Nationalrat Bischof (sd, ZH) bekämpft und die Diskussion deshalb verschoben. Im Ständerat wurde eine analoge Motion Frick (cvp, SZ) mit Einverständnis des Motionärs als Postulat überwiesen. Bundesrätin Dreifuss unterstützte den Vorstoss als wichtigen Beitrag gegen eine gewisse Politikverdrossenheit der Jugend. Einer Institutionalisierung des eidgenössischen Jugendparlaments gegenüber zeigte sie sich - vor allem auch aus finanzpolitischen Überlegungen - eher skeptisch, wollte sich aber anderen Formen der jugendlichen Politikmitarbeit keineswegs verschliessen.
120 Jugendparlamentarier aus der ganzen Schweiz kamen im November im ausserrhodischen Wienacht zusammen. Die Teilnehmer diskutierten verschiedene Formen der Zusammenarbeit und beschlossen die Gründung eines Dachverbandes. Momentan bestehen gesamtschweizerisch fünf kantonale und über 20 kommunale Jugendparlamente - die Mehrheit davon in der Romandie [45].
 
[42] Presse vom 13.10.94.42
[43] Presse vom 12.11. und 14.11.94.43
[45] NZZ und TA, 8.11.94.45