Année politique Suisse 1994 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen / Das Verhältnis zwischen den Sprachgruppen
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Französisch
Im Kanton Freiburg entfachte ein von der Regierung in Auftrag gegebener kantonaler Sprachenbericht die Sprachendebatte erneut. Seit 1990 stehen die Gleichberechtigung von Deutsch und Französisch sowie das Territorialitätsprinzip in der Freiburger Verfassung. Der von einer Kommission erarbeitete Bericht sollte nun Wege zur Konkretisierung des neuen Verfassungsartikels und insbesondere des Territorialitätsprinzips aufzeigen. Die zentrale Frage war, ob es inskünftig im Kanton Freiburg nur deutsch- und französischsprachige Gemeinden geben soll, oder ob und wie man entlang der Sprachgrenze den starken deutschsprachigen Minderheiten entgegenkommen kann. Der Bericht empfahl, jene Gemeinden als zweisprachig zu erklären, in denen eine Sprachenminderheit mindestens 30 Prozent der gesamten französisch- und deutschsprachigen Bevölkerung erreicht. In diesen Gemeinden sollen Schule, Verwaltung und Gerichtsbarkeit zweisprachig sein. Diese Regelung beträfe mehrere Dörfer, nicht aber die Stadt Freiburg (28,1% deutschsprachig) und die Gemeinde Murten (16,4% französischsprachig), die aus historischen Gründen als zweisprachig gelten und es auch bleiben sollen. Eine Kommissionsminderheit schlug zudem vor, Gemeinden mit einer Sprachminderheit von zehn bis dreissig Prozent einen Sonderstatus zu gewähren, der den Schulbesuch und die Gerichtsverhandlungen in der Minderheitssprache ermöglichen würde [31].
Die an der Sprachgrenze gelegene Gemeinde Sierre/Siders (VS) weitete das im Vorjahr auf Kindergartenstufe eingeführte Pilotprojekt eines zweisprachigen Unterrichts auf die Primarschulen aus. Das Westschweizer Institut für pädagogische Forschung will hier während sieben Jahren mit zwei Modellen Erfahrungen sammeln. Im Kanton Wallis soll zudem vom Sommer 1995 an in allen Mittelschulen und Gymnasien ein Fach in der zweiten Sprache unterrichtet werden. Das Wallis hat damit in Sachen zweisprachiger Unterricht an öffentlichen Schulen die Führung übernommen. Im Kanton Freiburg, der in den vergangenen Jahren mehrfach sein Interesse an Versuchen mit zweisprachigen Unterrichtsformen bekundet hatte, wurde in Villars-sur-Glâne auf Druck der Eltern erstmals eine zweisprachige Kindergartenklasse eröffnet [32].
 
[31] Lib., 16.6. und 18.6.94. Siehe auch SPJ 1990, S. 268 f.31
[32] NQ, 25.4.94; Bund, 4.7.94; Lib., 26.4., 19.7., 30.8. und 23.9.94. Vgl. SPJ 1993, S. 262. Der Berner Stadtrat überwies ein Postulat zur Prüfung der Möglichkeit, an den Stadtberner Schulen verschiedene Fächer französisch zu unterrichten (BZ, 18.11.94).32