Année politique Suisse 1994 : Bildung, Kultur und Medien / Medien / Radio und Fernsehen
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SRG
Zu Beginn des Berichtsjahres war es zu Protesten von Kulturschaffenden gegen Sparmassnahmen und den davon befürchteten Kulturabbau bei Radio DRS gekommen, nachdem die SRG eine weitere Sparrunde von 4,5 bis 6 Mio Fr. für die Jahre 1995 bis 1998 eingeläutet hatte. Vor allem der Kultursender DRS 2 sei vom finanziellen und personellen Abbau überproportional betroffen, protestierten die Kulturschaffenden in einem Brief an Generaldirektor Antonio Riva. In die gleiche Richtung zielte auch das vom Nationalrat überwiesene Postulat Zbinden (sp, AG), welches vom Bundesrat verlangt, die kulturelle und gesellschaftspolitische Funktion des Senders zu sichern [26]. Infolge der Proteste und dank des guten Gewinnabschlusses 1993 hat die SRG die Sparziele im Laufe des Berichtsjahres mehrmals nach unten korrigiert, und Radio DRS muss bis 1997 nun noch mit einer Budget-Reduktion von rund 2 Mio Fr. rechnen. An strukturellen und programmlichen Veränderungen im Rahmen des Reformprogramms Radio 95 hielt sie jedoch fest. So wird DRS 1 ab 1995 nur noch aus Zürich gesendet, DRS 2 aus Basel und DRS 3 aus Zürich und Basel. Bern wird die Informationssendungen für alle drei Sender produzieren. Diese Aufteilung soll auch künftig die föderalistische Verankerung von Radio DRS gewährleisten. Es wird zudem zu diversen programmlichen Änderungen kommen. Ausgebaut werden namentlich die Informationssendungen [27].
Auch die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerates sieht den Kulturauftrag der SRG, vor allem durch den marktorientierten Kurs des Fernsehens, bedroht. In einem vom Rat überwiesenen Postulat forderte sie vom Bundesrat die Überprüfung des Leistungsauftrags der SRG und in einer Empfehlung schlug sie vor, die hängige Gebührenerhöhung der SRG mit Auflagen zu verbinden. Sie verwies in ihrer Begründung auch auf den Jahresbericht 1993 der Unabhängigen Beschwerdeinstanz (UBI), welche den kulturellen Leistungsauftrag von Radio und Fernsehen durch das "Einschaltquotendiktat" ebenfalls gefährdet sieht [28].
Der Nationalrat hat mit der Überweisung eines Postulats der Verständigungskommission den Bundesrat aufgefordert, Möglichkeiten insbesondere im technischen Bereich zu prüfen, wie auch nach Einstellung des Telefonrundspruchs 1997 mindestens ein Radioprogramm in allen drei Amtssprachen in der ganzen Schweiz empfangen werden kann. Er hat damit ein Anliegen der parlamentarischen Initiative Borel (sp, NE) "Drei Sprachen im Radio für alle" an den Bundesrat weitergeleitet, die von Borel verlangte Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) aber abgelehnt. Das RTVG sieht die Abdeckung mit Programmen in drei Sprachen vor, räumt allerdings den Lokal- und Regionalprogrammen Priorität ein. Gemäss Verständigungskommission würde die Erfüllung der Forderung der Initiative die Planungsarbeiten im Bereich der Frequenzzuweisungen des Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM) in Frage stellen und gewisse Lokalradios verdrängen [29].
Ebenfalls mit der Verteilung der Frequenzen hatte sich eine Interpellation Iten (cvp, NW) beschäftigt, welche Spartenradioprogrammen wie Radio Eviva eine höhere Priorität einräumen will. Ausserdem verlangte der Interpellant zu prüfen, inwieweit VRK-Sender, welche in Katastrophen- und Kriegszeiten die Radioversorgung der Bevölkerung sicherstellen, durch andere Radioveranstalter belegt werden können. Der Bundesrat sah keine Möglichkeit, einzelne Programmtypen zu privilegieren. Er will aber prüfen, wie weit VRK-Sender künftig auch durch andere Radioveranstalter als die SRG benutzt werden können, da diese nicht auf alle angewiesen ist [30].
Das BAKOM hat zum Konzessionsgesuch der RTL Schweiz AG für ein einstündiges, mit Werbung finanziertes Schweizer Programmfenster auf dem privaten deutschen Fernsehkanal RTL ein Anhörungsverfahren durchgeführt. Dieses zeigte, dass die Werbewirtschaft das Gesuch positiv beurteilt, Medienverbände sich hingegen mehrheitlich kritisch äussern. Während die Werbewirtschaft für einen grenzüberschreitenden Medienmarkt plädierte, bezweifelten die Medienverbände, dass mit dem Projekt etwas zur Medienvielfalt beigetragen werde und befürchteten negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Die SRG verurteilte eine Konzessionserteilung vehement als "rechtlich nicht möglich und zudem medienpolitisch nicht verantwortbar". Die Möglichkeiten der SRG und lokaler Veranstalter, ihre konzessionsgemässen Leistungen zu erbringen, würden wesentlich beeinträchtigt, was gemäss Radio- und Fernsehgesetz eine Konzessionserteilung verhindere. Im Werbebereich befürchtete die SRG einen Tarifkrieg. Ausserdem bemängelte sie das Anhörungsverfahren, in dem politische Parteien und Kantone nicht zu Wort kamen.
Im April hat der Bundesrat in einem Grundsatzentscheid das Konzessionsgesuch der vier Deutschschweizer Verlage Curti-Medien, Tages-Anzeiger, Luzerner Zeitung und Basler Zeitung nicht bewilligt. Mit dem Nein wollte Bundesrat Ogi einer eigenständigen Schweizer Medienlandschaft eine Chance geben. Gemäss Ogi hätte das einseitig auf die Deutschschweiz ausgerichtete Fenster SF DRS auf dem Werbemarkt stark konkurrenziert und damit auch den interregionalen Finanzausgleich gefährdet. Mit der Ablehnung des RTL-Fensters hoffte Ogi auch, Schweizer Verleger vermehrt für das vierte SRG-Programm "S plus" gewinnen zu können. Vor allem die vier abgewiesenen Initianten kritisierten den Entscheid jedoch heftig und sprachen sich gegen "S plus" als Alternative aus [31].
Mit dem Nein zum RTL-Fenster forderte der Bundesrat von der SRG gleichzeitig eine Neuausrichtung von "S plus". Direktor Roy Oppenheim trat daraufhin zurück. "S plus", welches den Betrieb im September 1993 aufgenommen hatte, konnte nie einen befriedigenden Marktanteil erreichen. Unter der Leitung von SF DRS-Direktor Peter Schellenberg entwickelte eine Arbeitsgruppe ein neues Konzept für ein Programm auf der vierten Senderkette, welches ab 1. März 1995 "Schweiz 4/Suisse 4/Svizzera 4" heissen wird. Ein rechtsbürgerliches Komitee "Aktion Eigenständiges S plus" hatte mit einer grossangelegten Inseratekampagne eine SRG-unabhängige 4. Senderkette verlangt und gegen die SRG-Monopolpolitik mobil gemacht. "Schweiz 4/Suisse 4/Svizzera 4" soll zumindest teilweise ein Komplementärprogramm zu den drei sprachregionalen Programmen der SRG werden. Geplant ist ein Neustart als Sport- und Ereigniskette für alle Sprachregionen. Der Sender wird selbst keine Nachrichtensendungen produzieren, private Anbieter erhalten jedoch eine eigene Programmschiene. Ringier und die NZZ haben zusammen mit einem deutschen Partner die "PresseTV" gegründet und werden vor allem Sendungen mit Informationscharakter produzieren. Zum Direktor von "Schweiz 4" wurde Dario Robbiani, früherer SP-Nationalrat und bisher Programmdirektor von Euronews ernannt [32].
Für ein in Norditalien empfangbares Schweizer TV-Programm wird auf Anfang 1995 wieder das Tessiner Fernsehen (TSI) sorgen. Ein nach jahrelangen Verhandlungen zustandegekommenes Abkommen zwischen der Telecom PTT und dem italienischen Ministerium für Post und Telekommunikation sichert der TSI zwei geschützte Sendefrequenzen in den benachbarten italienischen Grenzgebieten zu. Insgesamt zählt das Einzugsgebiet gut vier Millionen Einwohner. Zwischen 1960 und 1976 hatte die TSI problemlos in die Lombardei und weite Teile des Piemont senden können. Seit 1976 konnte TSI jedoch nur noch mit Spezialantennen empfangen werden, da seine Frequenzen sukzessive von aufkommenden privaten TV-Stationen okkupiert wurden [33].
Die SRG hat den Zusammenarbeitsvertrag mit dem iranischen Staatsfernsehen suspendiert, nachdem sich Verdächtigungen verdichteten, dass das iranische Fernsehen die Ermordung von Schahpur Bachtiar, dem letzten Ministerpräsidenten unter dem Schah-Regime, gedeckt hat [34].
Wegen mangelndem Publikumsinteresse hat die SRG die Live-Übersetzung welscher Diskussionssendungen für das Publikum in der Deutschschweiz gestoppt. In der Westschweiz will die SRG Deutschschweizer Sendungen aber vermehrt übersetzen, da sich die Zahl der französischsprachigen Interessenten vervielfacht habe [35].
Im Berichtsjahr konnte das Schweizer Fernsehen DRS seinen Marktanteil gegenüber dem Vorjahr erneut sowohl im Ganztagesvergleich als auch in der Prime Time um je einen Prozentpunkt auf 30% resp. 38% verbessern. Spitzenreiter war dabei einmal mehr die politische Diskussionssendung "Arena", die gut 8% zulegen konnte. Beim Radio konnten die SRG-Programme ihren Marktanteil von rund 55% halten [36].
Die Rechnung 1994 der SRG konnte bei einem Aufwand von 1,117 Mia Fr. und Einnahmen von 1,147 Mia Fr. einen Ertragsüberschuss von rund 30 Mio Fr. (1993: 81 Mio) erzielen. Die Werbeeinnahmen hatten um 20% auf insgesamt 252 Mio Fr. zugenommen. Erfreulich entwickelte sich für die SRG auch das Sponsoring, dessen Erträge um 37% auf 22 Mio Fr. stiegen. Der Anteil der Gebühren an den Erträgen hat auf 69% abgenommen. Für 1995 erhöhen sich die Konzessionsgebühren um 3%, wobei 2% durch die Mehrwertsteuer bedingt sind. Die SRG erhält somit 10 Mio Fr. an zusätzlichen Mitteln. Ursprünglich hatte die SRG Gebührenerhöhungen von 6,2% gefordert. In Anbetracht der guten Finanzlage der SRG und ihren gleichzeitig regelmässigen Spardrohungen mahnte Bundesrat Ogi, die SRG solle "ihre Reserven optimistischer einsetzen und nicht horten" [37].
 
[26] Protest: TA und Bund, 7.1.94; LZ, 15.1.94; NZZ, 21.1.94. DRS-Sparvorgaben: TA, 18.5.94. Postulat Zbinden: Amtl. Bull. NR, 1994, S. 1198.26
[27] Bund, 14.4. und 2.6.94; NZZ, 2.6.94; Klartext, 1994, Nr. 3, S. 16.27
[28] Amtl. Bull. StR, 1994, S. 966 ff.; NZZ und BaZ, 7.7.94.28
[29] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 396. Vgl. SPJ 1993, S. 273.29
[30] Amtl. Bull. NR, 1994, S. 657 f.30
[31] Anhörung: TA, 18.1. und 19.2.94; NZZ, 20.1. und 19.2.94. Diskussion über RTL-Fenster: Ww, 3.3.94; SHZ, 3.3.94; TA, 25.4.94. Entscheid: Presse vom 28.4.94; Klartext, 1994, Nr. 3, S. 57 ff. Vgl. auch SPJ 1993, S. 272.31
[32] Aktion eigenständiges S plus: SoZ, 15.5.94. Schweiz 4: Presse vom 14.7.94; Klartext, 1994, Nr. 4, S. 13 f. Robbiani: Presse vom 1.9.94.32
[33] CdT, 1.12.94; 24 Heures, 31.12.94; NZZ, 4.1.95.33
[34] NZZ, 18.1.94; NQ, 20.1.94. Siehe SPJ 1993, S. 272.34
[35] TA, 2.5.94; Bund, 25.7.94. Vgl. auch SPJ 1993, S. 271.35
[36] Presse vom 20.1. und 26.4.9536
[37] Presse vom 3.11.94; BaZ, 25.2.9537