Année politique Suisse 1995 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung / Politische Manifestationen
Am meisten Grosskundgebungen (1000 und mehr Teilnehmende) fanden für einmal in Genf statt (7); je sechs waren es in Bern und Zürich. Insgesamt kam es zu 25 Grossdemonstrationen (1994: 26). Wie immer in den letzten Jahren standen mehrheitlich nicht die Verhältnisse in der Schweiz, sondern
die Politik anderer Staaten betreffende Fragen im Vordergrund (14). Bei elf dieser Manifestationen protestierten in der Schweiz wohnende Ausländer (Albaner aus dem serbischen Kosovo, Kurden und Alewiten aus der Türkei, Tamilen aus Sri Lanka sowie Tibeter) gegen die Verhältnisse in ihren Heimatländern. Drei grosse und eine Vielzahl von kleineren lokalen Demonstrationen hatten die französischen Atomversuche im Pazifik zum Thema; auffallend war, dass sich dabei sehr viele Jugendliche engagierten. Bei den 11 Grossdemonstrationen zu schweizerischen Themen standen die Proteste des Verwaltungspersonals gegen kantonale Sparmassnahmen (v.a. in der Waadt) sowie die Wünschbarkeit der Integration der Schweiz in die EU im Vordergrund. Die beiden grössten Kundgebungen fanden in Bern statt und mobilisierten je rund 12 000 Personen (Kosovo-Albaner resp. Gegner der französischen Atomversuche)
[16].
Gleich wie in Deutschland kam es auch in der Schweiz zu mehreren
Anschlägen gegen türkische Lokale und Geschäfte; die Täterschaft wurde in kurdischen Kreisen vermutet. Der Nationalrat lehnte eine Motion Moser (fp, AG) für ein Verbot der militanten kurdischen Organisation PKK sowie der Tamil Tigers ab, welche beide im Verdacht stehen, mit Gewaltandrohungen bei ihren Landsleuten Geld einzutreiben
[17]. Auch der Protest gegen die
Atomversuche Frankreichs im Pazifik bediente sich nicht allein friedlicher Mittel: bei Bern kam es zu zwei Anschlägen gegen französische TGV-Zugkompositionen
[18].
Landwirte führten aus Protest gegen die sinkenden Schweinefleischpreise zusätzlich zu Demonstrationen auch direkte Aktionen durch. An mehreren Orten blockierten sie mit Fahrzeugen die Auslieferung der Metzgereien und Verteilerzentren von Migros und Coop
[19].
[16] In der folgenden Zusammenstellung sind die Kundgebungen der Gewerkschaften zum 1. Mai, welche in den Grossstädten jeweils einige Tausend Beteiligte aufweisen, nicht erfasst. Belege für die Demonstrationen mit 1000 und mehr Teilnehmenden (in Klammer Anzahl und Thema): Genf:
Lib., 2.8.95 (2000/Kurden);
JdG, 15.8. (4000/Tamilen);
JdG, 2.9. (4000/gegen franz. Atomversuche);
24 Heures, 25.9. (7000/Kosovo-Albaner);
JdG, 20.10. (1000/Gewerkschafter);
24 Heures, 20.11. (1500/im Vorfeld eines Militär-Defilees);
JdG, 27.11. (2000/gegen Verhaftungen anlässlich Militär-Defilee). Bern:
Bund, 20.2.95 (2500/Bosnier);
NZZ, 13.3. (1000/Exil-Tibeter);
Bund, 27.3. (12 000/Kosovo-Albaner); Presse vom 28.8. (6000/gegen franz. Atomversuche); Presse vom 9.10. (12 000/gegen franz. Atomversuche);
Bund, 13.11. (4000/Tamilen). Zürich:
TA, 20.3.95 (2000/Alewiten aus der Türkei);
TA, 3.4. (1500/Kosovo-Albaner);
TA, 26.6. (1000/Schwule und Lesben);
NZZ, 28.7. (3000/gegen den Krieg in Bosnien); Sonntagspresse vom 24.9. und Presse vom 25.9. (je 10 000/contra EU-Beitritt resp. für eine offene Schweiz). Lausanne:
Lib., 16.6.95 (10 000/kantonale Angestellte gegen Sparmassnahmen);
24 Heures, 1.12. (10 000/kantonale Angestellte gegen Sparmassnahmen). Amriswil (TG):
SGT, 29.5.95 (3000/Landwirte). Biel:
TA, 3.10.95 (3000/pro EU-Beitritt). Basel:
BaZ, 15.3.95 (1000/Alewiten aus der Türkei). Luzern:
LZ, 18.10.95 (1000/kantonale Angestellte gegen Sparmassnahmen).16