Année politique Suisse 1995 : Grundlagen der Staatsordnung / Rechtsordnung / Strafrecht
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Strafprozessordnung
Die Verfolgung der auf internationalem Niveau tätigen Kriminellen (namentlich im Bereich des organisierten Verbrechens und der Wirtschaftskriminalität) wird durch die kantonale Organisation der Polizei- und Justizbehörden erschwert. Der Ständerat hiess deshalb - trotz föderalistischer Bedenken Danioths (cvp, UR) - eine Motion Rhinow (fdp, BL) für eine Vereinheitlichung der Strafprozessordnung in der Schweiz gut. Der Bundesrat hatte sich ursprünglich für die Umwandlung in ein Postulat ausgesprochen, nachdem aber eine Expertengruppe ebenfalls Handlungsbedarf konstatiert hatte, war er mit der Motionsform einverstanden. Er nahm den Vorschlag zudem in den Vernehmlassungsentwurf für die Totalrevision der Bundesverfassung auf. Auch der Nationalrat stellte sich hinter den Vorstoss und überwies zudem noch eine gleichlautende Motion Schweingruber (fdp, JU) [20]. Dieselbe Zielrichtung verfolgen auch die im Berichtsjahr eingereichten Standesinitiativen der Kantone Aargau, Basel-Stadt, Basel-Land und St. Gallen [21].
Der Nationalrat überwies mit 79:9 Stimmen eine Motion Stucky (fdp, ZG), welche verlangt, dass das Berufsgeheimnis von Anwälten, Ärzten, Geistlichen etc. auch bei der Telefonüberwachung im Rahmen von strafrechtlichen Untersuchungen absolut zu gewährleisten sei. Der Bundesrat konnte sich mit seiner Argumentation nicht durchsetzen, dass die bestehende Regelung, welche die Abhörung von Telefongesprächen zwischen Berufsgeheimnisträgern und Verdächtigten erlaubt, eine prozessuale Verwertung aber untersagt, ausreichend sei. Der Ständerat ging hingegen auf diese Einwände ein und überwies den Vorstoss lediglich als Postulat. Er stimmte zudem einer weniger weit gehenden Motion seiner Rechtskommission zu, welche das Berufsgeheimnis nur dann besser schützen will, wenn nicht unter seinem Deckmantel Straftaten organisiert oder durchgeführt werden [22].
 
[20] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 329 ff.; Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2093 f.; BaZ und NQ, 16.3.95. Verfassungsrevision: Presse vom 27.6.95 sowie oben, Teil I, 1a (Totalrevision der Bundesverfassung).20
[21] Verhandl. B.vers., 1995, IV, S. 18. Vgl. auch BaZ, 13.3. und 1.11.95.21
[22] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 266 ff.; Amtl. Bull. StR, 1995, S. 974 ff.22