Année politique Suisse 1995 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Eidgenössische Wahlen
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Kandidaturen und Listen
Die Zahl der Kandidaturen erreichte 1995 neue Rekordwerte. 2834 Kandidierende, davon 990 Frauen, bewarben sich in den 21 Proporzkantonen um einen Nationalratssitz. Damit betrug die Zunahme der Kandidaturen gegenüber der letzten Wahl 273 Personen oder 10,7%. Fast die Hälfte der Kandidierenden stammte aus den Kantonen Zürich und Bern (805 bzw. 583 Bewerbungen), während der Jura nur gerade 8 Kandidaten zählte. Von den Parteien kandidierten die FDP und die SP in allen 21 Proporzkantonen. Die CVP trat wie vor vier Jahren in Neuenburg und Schaffhausen nicht an, stellte mit 375 Personen aber am meisten Kandidatinnen und Kandidaten. Die SVP und die von den Nichtregierungsparteien am meisten verbreiteten Grünen kandidierten in 16 Kantonen, die Schweizer Demokraten in zwölf. Die erstmals kandidierende Naturgesetz-Partei, welche in 12 Kantonen Listen einreichte, überflügelte sogar die Freiheits-Partei, die es auf 11 Kantone brachte. Die Beteiligung der Frauen betrug mit 34,9% (1991: 32,6%) erstmals mehr als ein Drittel. Die meisten Frauenkandidaturen wies Basel-Stadt mit 50% auf, gefolgt, eher überraschend, vom Kanton Graubünden. Den niedrigsten Anteil an Kandidatinnen wies Schwyz mit 14,3% auf. Neben den 5 Unabhängigen Feministischen Frauenlisten (AG, BS, GR, LU und ZH), die nur Frauen aufstellten, wiesen die Grünen mit 50,7% den höchsten Frauenanteil auf, gefolgt von der SP mit 46,6%. Die bürgerlichen Bundesratsparteien, die einen Kandidatinnenanteil von mindestens einem Drittel angestrebt hatten, erreichten ihre Ziele nur teilweise: Während die CVP einen Frauenanteil von 35,2% erreichte, lag derjenige der FDP bei 29,5%. Die SVP schickte von den Bundesratsparteien mit 20,7% am wenigsten Kandidatinnen ins Rennen. 22 Kandidaten liessen sich auf Listen ausserhalb ihres Wohnsitzkantons setzen. Die Zahl der Doppelkandidaturen war genau gleich gross wie 1991; 32 Kandidierende liessen sich für beide Kammern aufstellen, darunter 10 amtierende Nationalrätinnen und -räte [7]. Als schweizerische Premiere war die Kandidatur von acht Auslandschweizern zu verzeichnen [8].
Parallel zu den Kandidaturen nahm auch die Zahl der Listen nochmals zu: 278 Listen (1991: 248) wurden registriert, obwohl die Unterschriftenzahl, die für die Einreichung einer Liste erforderlich ist, erhöht worden war. Mit je 27 Listen stellten die Kantone Zürich und Bern die grösste Anzahl, der Kanton Jura mit vier die kleinste. In sieben Kantonen setzten Parteien auf geschlechtsgetrennte Listen: Die SP trat mit fünf (BE, FR, GE, TH, SG), die CVP mit drei (AG, SG, VD) und die Grüne Partei mit zwei (SG, TH) getrennten Frauen- und Männerlisten an [9].
Die Zahl der Listenverbindungen nahm gegenüber 1991 ebenfalls zu: 56 (54) Listenverbindungen wurden registriert; die Anzahl der Listenunterverbindungen stieg, trotz restriktiveren Bedingungen als bisher, auf 40 (31) an. Erstmals waren keine Unter-unter-Listenverbindungen mehr erlaubt [10].
SP und Grüne kooperierten intensiv. Die Grünen, die in 16 Kantonen antraten, verbanden ihre Listen ohne Ausnahme mit der SP. Bereits 1991 waren die Grünen eifrige Mitstreiter zur Linken. In Basel-Stadt gingen sie damals allerdings noch mit dem LdU und der EVP eine "Zweckehe" ein. 1995 gingen SP und Grüne - mit Ausnahme der Waadt - ausserdem überall, wo die PdA antrat, eine Listenverbindung mit den Kommunisten ein. Auch von den fünf Unabhängigen Feministischen Frauenlisten gingen mit Ausnahme des Kantons Aargau alle eine Verbindung mit SP und Grünen ein. Das bürgerliche Lager präsentierte sich punkto Listenverbindungen nicht nur heterogener als die Linke, sondern auch weniger kompakt als noch vor vier Jahren. Gegenüber 1991 sind die Bündnisse zwischen FDP, CVP und SVP in den Kantonen Zürich und Graubünden geplatzt. Nur noch in Baselland, im Aargau, im Thurgau und in der Waadt (dort zusätzlich mit den Liberalen) marschierten die drei bürgerlichen Bundesratsparteien zusammen. Die FDP ging in sieben Kantonen mit der CVP eine Listenverbindung ein, in je sechs Kantonen mit der SVP und den Liberalen. Letztere marschierten ausser in Zürich überall, wo sie antraten, gemeinsam mit der FDP. Zum Bruch zwischen der FDP und der SVP kam es im Kanton Zürich [11]. Im Kanton Schaffhausen ging die FDP nicht nur mit der SVP, sondern - erstmals überhaupt - mit der Freiheits-Partei ein Listenbündnis ein. Auffälligstes Merkmal bei den Listenverbindungen der CVP ist, dass sie sich in ihrer Hochburg Freiburg erstmals mit der FDP verbunden hat. In vier Kantonen verband sie sich mit der SVP und in drei Kantonen mit den Liberalen. Zur sogenannten politischen Mitte hielt sie Distanz: Sie verband sich nur gerade in Zürich mit dem LdU und der EVP. Die SVP schliesslich setzte sich in den Kantonen Zürich, Solothurn und Schaffhausen ins selbe Boot mit der Freiheits-Partei. In Luzern und Solothurn sind die Listen zudem mit den Schweizer Demokraten verbunden worden. Diese Annäherung der SVP an die Rechtsparteien korrespondierte mit der Absetzbewegung von der FDP: 1991 verband die SVP ihre Listen noch in zehn Kantonen mit jenen der Freisinnigen; nunmehr waren es noch sechs. Die Rechtsaussen Freiheits-Partei und Schweizer Demokraten verbanden ihre Listen in sieben Kantonen; im Kanton Aargau gesellte sich noch die Katholische Volkspartei, die sich 1994 von der CVP abgespaltet hatte, dazu. LdU und EVP, die im Nationalrat seit 1979 eine Fraktion bilden, verbanden ihre Listen lediglich in den Kantonen Zürich und Aargau. In Bern und St. Gallen gondelte der Landesring in rot-grünem Fahrwasser mit, während die EVP solo antrat. Im Kanton Baselland traten ebenfalls beide Parteien an, gingen aber weder untereinander noch mit anderen Parteien Listenverbindungen ein [12].
 
[7] Lit. SDA/SRG. Doppelkandidaturen Amtierender: Bodenmann (sp, VS), Bortoluzzi (svp, ZH), Brunner (sp, GE), Goll (frap, ZH), Misteli (gp, SO), Reimann (svp, AG), Spoerry (fdp, ZH), Strahm (sp, BE), Steffen (sd, ZH) und Zisyadis (pda, VD).7
[8] Vgl. dazu auch unten, Teil I, 2 (Suisses à l'étranger).8
[9] Lit. SDA/SRG; TA, 6.10.95.9
[10] Lit. SDA/SRG. Zu den gesetzlichen Massnahmen zur Beschränkung der Anzahl der Listen resp. -verbindungen siehe SPJ 1994, S. 42.10
[11] Siehe dazu weiter unten.11
[12] NZZ, 6.10.95; BüZ, 10.10.95.12