Année politique Suisse 1995 : Grundlagen der Staatsordnung / Wahlen / Eidgenössische Wahlen
Für die detaillierten Resultate siehe die Tabellen im Anhang (
anhang_1995.pdf).
Im Kanton
Zürich verzichteten die bürgerlichen Parteien CVP und FDP wegen den oben erwähnten "Stiefelinseraten" auf das traditionelle Wahlbündnis mit der SVP. Während die FDP ihren Alleingang mit einem Sitzverlust bezahlte, konnte die CVP ihre beiden Sitze im Zusammenschluss mit den Mitteparteien halten. Die SVP, die eine Listenverbindung mit der Freiheits-Partei eingegangen war, konnte mit einem Mandatsgewinn und einem Stimmenzuwachs von 5,3% (25,5%) ihren Vorsprung auf die anderen bürgerlichen Parteien weiter ausbauen; ihr Exponent Christoph Blocher erzielte mit 126 524 Stimmen die mit Abstand höchste gesamtschweizerische Stimmenzahl. Die Sozialdemokraten, die vom geschlossenen Auftreten der Linken profitierten, machten zwei Sitzgewinne (+4,3%, neu 23,1%) und zogen mit der SVP gleich. Von neun Vertretern schicken sie gleich sechs Frauen, davon fünf neu, in den Nationalrat. Ihren einzigen Sitz halten konnte die Frauenpartei Frap!, während die Freiheits-Partei, die Schweizer Demokraten und die EVP ihre zweiten Sitze verloren
[34].
Im Kanton
Aargau, wo ein 15. Sitz neu zu vergeben war, kandidierte eine Rekordzahl von 218 Personen auf 19 Listen. Das Rennen um den neuen Sitz machte schliesslich die SP, während die restliche parteipolitische Verteilung der Mandate unverändert blieb
[35].
Mit zwei Sitzgewinnen triumphierten die Sozialdemokraten in ihrer einstigen Hochburg
Basel. Sie konnten den freiwerdenden LdU-Sitz gewinnen sowie der CVP ihren einzigen Sitz abnehmen und halten nun mit einem Wähleranteil von 35,5% vier der sechs Nationalratssitze. Dabei profitierte die SP von der gemeinsamen Liste mit den Grünen, Basta (Basels starke Alternative), Solidarität und der neuen PdA. In Baselland hatte FDP-Nationalrat Christian Miesch nach parteiinternen Differenzen eine eigene "Freie Bürgerliche Liste" aufgestellt, die von der ehemals berntreuen FDP Laufental unterstützt wurde. Miesch schaffte die Wiederwahl nicht, nahm der FDP Baselland aber entscheidende Stimmen ab, denn diese verlor ihren zweiten Sitz an die nach vier Jahren nun wiedervertretene CVP. In
Solothurn nahm die SP den Grünen ein Mandat ab
[36].
Im Kanton
Bern, wo wegen der Bevölkerungsentwicklung und der Abtrennung des Laufentals zwei Mandate weniger als vor vier Jahren zu vergeben waren, erlebte die Freie Liste mit dem Verlust von drei der bisher vier Mandate ein eigentliches Debakel. Dabei fiel einerseits der Rücktritt der bisherigen "Wahllokomotive" Leni Robert ins Gewicht, andererseits konkurrenzierte sich die Freie Liste selbst durch die Seniorenliste FL 60 Plus. Einen Sitzgewinn machte aber die zweite grüne Kraft Berns, das Grüne Bündnis, das neu in den Nationalrat einzieht. Die SP gewann gar zwei Mandate hinzu (neu 24,7%). Die Rechtsaussenparteien Schweizer Demokraten und Freiheits-Partei, die bei den letztjährigen Grossratswahlen mit sechs Sitzgewinnen noch die grossen Siegerinnen waren, verloren je einen Sitz, allerdings weitgehend aufgrund von Proporzpech. Die SVP - deren traditionelle Listenverbindung mit der FDP anders als in Zürich problemlos zustande kam - bleibt mit einem Stimmenanteil von 26% die stärkste Kraft im Kanton. Neu ist der Berner Jura anstelle von drei nur noch mit einem Nationalrat, Walter Schmied (svp), vertreten. Im Kanton
Jura büsste die FDP zugunsten der SP ein Mandat ein
[37].
In der
Ostschweiz kam es zu einem Rechtsrutsch. Die erstmals antretende SVP gewann in St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden je einen Sitz und erbte damit in Ausserrhoden den seit 87 Jahren traditionellen linken Sitz, der durch den Rücktritt des parteilosen Herbert Mäder frei geworden war. Mit Dorle Vallender (fdp) entsendet der Halbkanton die erste Frau in den Nationalrat. Im Thurgau konnte die Freiheits-Partei den Grünen einen Sitz abnehmen. In St. Gallen gewannen neben der SVP die SP-Männer einen Sitz, während CVP und LdU je einen verloren. Nationalrat Josef Kühne (cvp), der von seiner Partei wegen Amtszeitbeschränkung nicht mehr aufgestellt worden war, schaffte die Wiederwahl mit einer eigenen Liste CVP Linth
[38].
Auch in der
Zentralschweiz verspürte die
SVP Aufwind. Im Kanton Luzern gewann die erstmals antretende SVP den neuen zehnten Sitz und etablierte sich damit noch vor der SP als dritte Kraft (14,1%), während die CVP von einem Wähleranteil von 48,6% auf 37,3% absackte und einen Sitz an die FDP verlor. In Schwyz konnte die SVP mit einem Erdrutschgewinn von +12,3% (21,5%) der SP, die dieses Mal ohne Listenverbindung mit den Grün-Alternativen ins Rennen gestiegen war, ihren Sitz wegnehmen. In Nidwalden ging eine über 123jährige Tradition zu Ende: der einzige Nationalratssitz ging von der CVP an die FDP, die in Edi Engelberger, Landammann und Präsident des Schweizer Skiverbandes, einen populären Kandidaten hatte. Den hartumkämpften dritten Sitz, der Zug neu zugesprochen worden war, ergatterte die SP mit Hilfe der Sozialistisch-Grünen Alternative (SGA)
[39].
In
Graubünden drehte sich der Wahlkampf um den freigewordenen zweiten SP-Sitz, den Martin Bundi während zwanzig Jahren gehalten hatte. Nachdem die CSP 1991 eine Listenverbindung mit dem linken Spektrum eingegangen war, entschied sie sich für die Wahlen 95 wieder für ein Zusammengehen mit der CVP. Die verärgerte SVP sprengte daraufhin den Bürgerblock CVP/CSP, SVP und FDP; die bürgerlichen Parteien marschierten alleine. Lachende Profiteurin war das geschlossene links-grüne Spektrum, da damit die SP zu einem Restmandat kam. Im
Wallis versuchte die SP mit einem waghalsigen Manöver, einen zweiten Nationalratssitz zu erobern: Sie trat mit zwei getrennten Listen fürs Ober- und Unterwallis an, um auch Personen zu mobilisieren, die bisher Stimmenthaltung übten. SP-Präsident und Oberwalliser Peter Bodenmann wurde trotz des potentiellen Wählerübergewichts der Unterwalliser SP-Liste wiedergewählt; die Sitzverteilung im Wallis blieb allerdings unverändert
[40].
In der
Romandie waren die Liberalen mit drei Sitzverlusten die klaren Verlierer der Wahlen. Zumindest in Genf spielte der "Brunner-Effekt": die neben dem Nationalrat auch in den Ständerat gewählte Christiane Brunner verhalf der SP-Frauenliste gleich zu zwei Sitzgewinnen. Je einen Sitzgewinn machten die PdA/Linksallianz und die FDP, während die Grünen, die CVP und die Liberalen einen Sitz verloren. Damit ist Genf, das sich vor zwei Jahren für eine rein bürgerliche Regierung entschieden hatte, im Nationalrat mehrheitlich durch die Linke vertreten. Erstaunlich stabil blieb die Situation in der Waadt: Nur von den Liberalen verschob sich ein Sitz zur CVP, die im Programmdirektor des ersten Westschweizer Radioprogramms, Jean-Charles Simon, einen populären Kandidaten hatte. In Neuenburg gewann die FDP einen Sitz auf Kosten der Liberalen. In
Freiburg schlossen sich Christlichdemokraten und Freisinnige erstmals seit 139 Jahren zu einer "Entente" zusammen, die sich mit einem Sitzgewinn der CVP auf Kosten der SVP bezahlt machte. Die CSP, die sich nicht in ein grosses links-grünes Bündnis einbinden liess, sondern eine Listenverbindung mit der DSP einging, konnte ihren Sitz halten
[41].
Nach einer vierjährigen Siegesserie musste im
Tessin die Protestbewegung Lega dei Ticinesi ihre erste Niederlage einstecken: der umstrittene Lega-Mitbegründer und Parteipräsident Giuliano Bignasca schaffte die Wiederwahl nicht, womit die Partei eines ihrer beiden Nationalratsmandate verlor. Der Sitz ging an die SP, die zum ersten Mal seit ihrem Zusammenschluss von 1992 als vereinte Partei, in einer Listenverbindung mit der PdA und den Grünen, antrat. Zuvor bestand die Tessiner Linke aus drei getrennten sozialistischen Parteien. Die Bisherige Mimi Lepori Bonetti (cvp) musste ihren Sitz an Parteikollege Remiglio Ratti abgeben
[42].
In sieben Kantonen (AI, GL, GR, OW, SH, UR und VS) kam es zu keinen Sitzverschiebungen.
[34]
TA und
NZZ, 24.10.95;
Ww, 26.12.95. Zur Zürcher FDP siehe auch unten, Teil IIIa (FDP).34
[35]
AT, 23.10. und 24.10.95.35
[36]
Bund, 12.10.95;
BaZ, 24.10.95. Zu Miesch vgl. auch
BaZ, 27.4.95;
TA, 17.7.95.36
[37]
Bund,
BZ und
TW, 24.10.95;
Bund, 15.11.95. Ein Vorstoss im Berner Grossrat, der die Prüfung einer Verfassungsänderung forderte, wonach der Berner Jura künftig mit mindestens zwei Sitzen im Nationalrat vertreten sein müsse, wurde von der Berner Regierung mit der Begründung abgelehnt, dass die heutige Vertretung rein mathematisch als angemessen erachtet werden könne. Zuvor hatte alt Bundesrat und Präsident der Assemblée Interjurassienne René Felber das Wahlergebnis für den Berner Jura als ziemlich gravierend taxiert (
BZ und
Bund, 17.1.96).37
[38]
SGT, 23.10. und 1.11.95.38
[39]
LNN, 23.10.95;
NZZ, 24.10.95. LU:
LZ, 25.10.95.39
[40] GR:
BüZ, 23.10.95. VS:
NF, 23.10.95. Zu Bodenmann-Poker:
Bund, 12.7.95.40
[41]
TdG und
NF, 23.10. und 24.10.95.41
[42]
CdT, 24.10.95;
NZZ, 28.10.95. Ein Wahlrekurs der Lega wegen durchscheinenden Wahlzetteln wurde vom Staatsrat zurückgewiesen.42
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