Année politique Suisse 1995 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik / Strukturpolitik
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Tourismus
Der Ständerat überwies ein Postulat Bloetzer (cvp, VS), welches vom Bundesrat ein umfassendes Tourismuskonzept verlangt, das insbesondere die Einführung einer systematischen Kontrolle der "Tourismusverträglichkeit" von allen Bundestätigkeiten, die Durchführung von statistischen Erhebungen und die Unterstützung von Massnahmen zur Verbesserung des touristischen Angebots in Berggebieten fordert. Ein etwas allgemeiner gehaltenes Postulat mit gleicher Stossrichtung von Nationalrätin Gadient (svp, GR) wurde ebenfalls überwiesen [22].
Die 1994 abgeschaffte Erhebung über die Logiernächte in der Parahotellerie soll ab Sommer 1996 durch das Bundesamt für Statistik wieder weitergeführt, aber nicht mehr vom Bund bezahlt werden. Das neue Finanzierungsmodell sieht vor, dass sich die Tourismusförderungsorganisation "Schweiz Tourismus" und die Kantone - im Verhältnis zu den Logiernächten - in die Kosten teilen [23].
Der Bundesrat gab im Januar den von einer Expertenkommission ausgearbeiteten Vorentwurf für ein Gesetz über Spielkasinos in die Vernehmlassung. Das Projekt stützt sich auf die am 7. März 1993 mit deutlicher Mehrheit von Volk und Ständen beschlossene Aufhebung des Spielbankenverbots in der Verfassung. Es verfolgt mehrere Ziele, wobei die vor allem von der Tourismusbranche geforderten wirtschaftlichen Aspekte eher im Hintergrund stehen. Im Vordergrund des Expertenentwurfs steht die Abwehr von Geldwäscherei und anderen kriminellen Tätigkeiten sowie der Schutz vor negativen sozialen Auswirkungen auf die Spieler. Das erste Ziel soll namentlich mit einer Identitätsüberprüfung der Spieler und einer Meldepflicht und Herkunftsabklärung bei grösseren Geldtransaktionen erreicht werden. Zur Verhinderung von negativen sozialen Auswirkungen sollen die Spielbankenbetreiber Konzepte vorlegen, welche eine Früherkennung von suchtgefährdeten oder überschuldeten Spielern und das Einleiten präventiver Massnahmen erlauben. Die Höhe der Sonderfiskalbelastung der Kasinoerträge zugunsten der AHV (gemäss Verfassung maximal 80%) wurde im Vorentwurf noch nicht festgelegt. Vorgeschlagen wurde ein Satz von 10-40% auf dem Bruttospielgewinn der Bank (d.h. inkl. Trinkgelder) auf den ersten 10 Mio Fr. und eine progressive Besteuerung höherer Erträge. Insgesamt soll der Bundesrat als Konzessionsbehörde höchstens 13 Spielbanken zulassen können (dabei nicht mehr als zwei in einem Kanton) [24].
Die Branchenvertreter waren von dem in die Vernehmlassung gegebenen Entwurf wenig angetan. Insbesondere kritisierten sie, dass die Bestimmungen über die steuerliche Belastung zuwenig konkretisiert worden waren und dass von den Besuchern verlangt werden soll, sich beim Betreten eines Spielkasinos auszuweisen und sich registrieren zu lassen. Auch der Vorort, der Gewerbeverband und die bürgerlichen Bundesratsparteien bemängelten, dass die vorgesehenen Regeln viel strenger seien als im angrenzenden Ausland und tendenziell eine Verhinderung von Kasinobetrieben bewirken würden. Der Schweizerische Kursaalverband reagierte mit einem Alternativentwurf, der sich in den Grundzügen an den Expertenentwurf hielt, aber insbesondere verlangte, dass die Regelungskompetenz für das Betreiben von Spielautomaten bei den Kantonen verbleibt. Positiv reagierten hingegen Kreise, welche die Aufhebung des Spielbankenverbots bekämpft hatten (EVP) oder ihr zumindest skeptisch gegenüberstanden (SP) [25]. Der Bundesrat beschloss gegen Jahresende, sowohl an den Vorschriften des Vorentwurfs zur Verhütung von Geldwäscherei als auch an der vorgesehenen Höchstzahl von dreizehn Kasinos festzuhalten, hingegen die Bestimmungen über die Besteuerung überarbeiten zu lassen. Die von den Kantonen geforderte Beteiligung an der Sondersteuer lehnte er als verfassungswidrig ab [26].
 
[22] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 136 ff.; Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1610 f. Zum reduzierten MwSt-Satz für Hotelübernachtungen siehe unten, Teil I, 5 (Bundesfinanzordnung).22
[23] TA, 29.8.95; BüZ, 22.12.95. Vgl. SPJ 1994, S. 99.23
[24] Presse vom 21.1.95. Vgl. SPJ 1993, S. 103 f. und 1994, S. 99. Siehe auch Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1351 f. (Frage Bezzola, fdp, GR), 1677 f. (Interpellation Aguet, sp, VD) und 2221 ff. (Interpellationen Zisyadis, pda, VD).24
[25] BZ, 21.1.95; BaZ, 6.4.95; TA, 3.5.95. Kursaalverband: NZZ, 6.4.95. Vgl. auch die Kritik in NZZ, 26.5.95. Siehe ferner die Beanstandungen von Strafrechtlern wegen potentieller Geldwäscherei in Plädoyer, 13/1995, Nr. 2, S. 9 ff.25
[26] NZZ und SGT, 5.12.95.26