Année politique Suisse 1995 : Infrastruktur und Lebensraum / Boden- und Wohnwirtschaft / Bodenrecht
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Lex Friedrich
Im Januar kam das Referendum der Schweizer Demokraten gegen die Liberalisierung des Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland, der sogenannten Lex Friedrich, mit 56 800 Stimmen zustande. Während die Befürworter die Revision als einen massvollen Schritt zur Deregulierung und Revitalisierung der Wirtschaft begrüssten, bekämpften die Gegner die Lockerung der Lex Friedrich mit dem Slogan "Kein Ausverkauf der Heimat!" und behaupteten, dass diese der Bodenspekulation in Berggebieten und der Verschandelung von Landschaften Vorschub leiste. Ausserdem wehrten sie sich gegen eine Gleichbehandlung von Auslandschweizern und Ausländern, wie sie der Übergang vom Nationalitäts- zum Wohnsitzprinzip gebracht hätte, und sie sahen in der Lockerung der Lex Friedrich einen weiteren, unerwünschten Schritt in Richtung Anpassung an die Europäische Union [12].
Am 25. Juni kam die revidierte Lex Friedrich zur Abstimmung und wurde, nach einem lauen Abstimmungskampf, mit 53,6% Nein-Stimmen abgelehnt, obwohl alle grossen Parteien und Verbände der Lockerung zugestimmt hatten. Von den deutschsprachigen Kantonen nahm kein einziger die Vorlage an; überdurchschnittlich viele Nein-Stimmen kamen dabei aus den Alpen- und Voralpengebieten. Hingegen nahmen sämtliche französischsprachigen Kantone und das Tessin die Vorlage an, da sie sich, stärker als die Deutschschweiz, von der Lockerung wirtschaftlichen Aufschwung versprochen hatten. Die welschen Pressereaktionen waren denn auch ausgesprochen heftig und liessen separatistische Töne anklingen [13].
Erwerb von Grundstücken (Änderung Lex Friedrich)
Abstimmung vom 25. Juni 1995

Beteiligung: 40,4%
Ja: 834 673 (46,4%)
Nein: 962 702 (53,6%)

Parolen:
- Ja: FDP, SP, CVP, SVP (7*), LP, FP, LdU, EVP (1*), Lega; SBV, SGV, Vorort, SGB.
- Nein: SD, EDU; IG Boden.
- Stimmfreigabe: GP (leer), PdA.

* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die Vox-Befragung zur Abstimmung zeigte, dass Personen, die sich für eine offenere Schweiz aussprechen, der Lockerung der Lex Friedrich weit mehr als durchschnittlich zustimmten, und dass wirtschaftliche Motive im Vordergrund standen. Die Motive der Nein-Stimmenden konzentrierten sich stark auf eine Dimension, die als Ablehnung von Ausländern umschrieben werden kann. Die Argumente "Kein Landerwerb für Ausländer" und "Ausverkauf der Heimat" dominierten bei den Gegnern, während ökologische Motive seltener genannt wurden. Dass es bei der Vorlage auch darum ging, ausländischen Firmen die Etablierung in der Schweiz zu erleichtern und dass die Kontingentierung der Ferienwohnungen beibehalten worden wäre, nahmen die Nein-Stimmenden kaum wahr. Unter ihnen waren aber auch viele, denen die Vorlage zu wenig weit ging. Gemäss Vox-Analyse wäre die Abstimmung wahrscheinlich anders ausgegangen, wenn eine Mehrheit derjenigen, die für eine völlige Freigabe des Kaufs von Liegenschaften durch Ausländer eintraten, der Vorlage zugestimmt hätten [14].
Nur fünf Wochen vor der Abstimmung hatte eine Expertenkommission, die 1993 vom Bundesrat eingesetzt worden war, um die Folgen einer vollständigen Liberalisierung der Lex Friedrich zu prüfen, ihren Bericht veröffentlicht und sich dabei grundsätzlich für eine gänzliche Aufhebung der Lex Friedrich ausgesprochen. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung wurde von den Befürwortern einer Lockerung der Lex Friedrich kritisiert. Gemäss der Kommission unter Leitung der Solothurner Regierungsrätin Cornelia Füeg (fdp) leiste eine gänzliche Abschaffung der Lex Friedrich einen weiteren Beitrag zur Liberalisierung der Schweizer Wirtschaft und könnte sich namentlich in den Fremdenverkehrsgebieten positiv auf die lokale und regionale Bauwirtschaft, den Immobilienhandel und letztlich die ganze Tourismusbranche auswirken. Zu den Auswirkungen der Aufhebung wagten die Experten keine präzise langfristige Prognose, erwarteten beim Grundstückerwerb wegen der hohen Preise und der nicht übermässigen Rendite aber keine grosse Zunahme der ausländischen Nachfrage. Beim Bau von Zweit- und Ferienwohnungen, von denen sich rund vier Fünftel in Schweizer Hand befinden, forderte die Kommission aber eine kontrollierte Entwicklung. Als geeignete Massnahmen, für die primär die betroffenen Gemeinden zuständig sein sollen, schlug sie raumplanerische und steuerliche Instrumente sowie Kontingentierungssysteme vor [15].
Nach dem Nein vom 25. Juni verlangten verschiedene Vorstösse unter Federführung der welschen Kantone eine Kantonalisierung der Lex Friedrich. Sukkurs erhielten sie vom Ständerat. Dieser überwies in der Wintersession mit 20 zu 17 bzw. mit 17 zu 13 Stimmen eine Motion Martin (fdp, VD) und eine Motion seiner Rechtskommission, die verlangten, dass die Kantone künftig in eigener Kompetenz über Beschränkungen im Immobilienhandel entscheiden können. Der Bundesrat stellte kurzfristig eine Umlenkung von 300 bis 400 Bewilligungen für Ferienhäuser für Kantone mit grosser ausländischer Nachfrage - wie das Wallis, Graubünden und das Tessin - in Aussicht, da die 1420 kontingentierten Einheiten gegenwärtig gesamtschweizerisch nur zu rund 65% ausgeschöpft würden. Eine Erhöhung des Kontingents lehnte er ab, beauftragte aber eine Expertengruppe mit der Umverteilung der Kontingente. Einer Kantonalisierung steht der Bundesrat jedoch skeptisch gegenüber; bereits ein Rechtsgutachten für die Expertenkommission Füeg hatte vor einer Kantonalisierung gewarnt, da damit die Idee eines einheitlichen Bundesprivatrechts praktisch aufgegeben und dies unter anderem die Verhandlungen mit der EU erschweren würde. In die gleiche Richtung ging auch der Nationalrat: Er lehnte vier Motionen aus der Westschweiz, die ebenfalls die Kantonalisierung der Lex Friedrich forderten, deutlich ab. Mit der Ratsmehrheit stimmten auch Teile der Westschweizer Linken. Ende Jahr beschloss die Westschweizer Regierungskonferenz mit Beteiligung des Tessins, Standesinitiativen für eine Lockerung der Lex Friedrich einzureichen [16].
Die Zahl der bewilligten Immobilienverkäufe an im Ausland lebende Personen nahm 1994 gegenüber dem Vorjahr ab. Die Kantone haben Personen im Ausland 1836 (1993: 2040) Bewilligungen für den Erwerb von Grundstücken erteilt. Das sind 204 oder 10% weniger als im Vorjahr. Dabei ging es um 204 Hektaren (215 ha) im Wert von 2 Mia Fr. Die meisten Bewilligungen entfielen auf das Tessin (305), gefolgt vom Kanton Waadt (302) und dem Wallis (278). Abnahmen waren bei den Betriebsstätten und Ferienwohnungen zu verzeichnen, eine Zunahme gab es bei den Hauptwohnungen [17].
 
[12] BBl, 1995, II, S. 322 f. Vgl. "Pro und contra Revision der Lex Friedrich", in NZZ, 18.5.95 sowie das Interview mit Ex-BR Rudolf Friedrich "Ich würde der Lex Friedrich nicht nachtrauern", in LZ, 16.5.95. Siehe auch SPJ 1994, S. 174 f.12
[13] BBl, 1995, III, S. 1213 ff.; Presse vom 26.6.95.13
[14] U. Serdült, Analyse der eidg. Abstimmungen vom 25. Juni 1995, Vox Nr. 57, Adliswil/Bern 1995.14
[15] Presse vom 23.5.95; BüZ, 26.5.95. Vgl. SPJ 1994, S. 175.15
[16] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1189 ff.; Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2666 ff.; Ww, 30.11.95.; 24 Heures, 11.12.95; Presse vom 13.12.95; NZZ, 23.12.95.16
[17] NZZ, 28.10.95; Die Volkswirtschaft, 68/1995, Nr. 12, S. 49 ff.17