Année politique Suisse 1995 : Sozialpolitik / Bevölkerung und Arbeit / Arbeitsmarkt
Ende Dezember waren 157 115 arbeitslose Personen bei den Arbeitsämtern registriert, 7263 weniger als Ende 1994. Die Arbeitslosenquote betrug zu Jahresende gesamtschweizerisch 4,3% (1994: 4,4%). Die Unterschiede zwischen den Kantonen waren nach wie vor gross; die Quote lag zwischen 8,1% (TI) und 1,2% (AI). Im Jahresdurchschnitt waren 153 316 Personen als erwerbslos gemeldet, was gegenüber 1994 eine Abnahme um 17 722 Personen oder 10,4% bedeutet. Die Arbeitslosenquote betrug im Jahresmittel 4,2% gegenüber 4,7% im Vorjahr. Der Rückgang fiel mit 0,5% in der deutschsprachigen Schweiz (Durchschnitt 1995: 3,3%) gleich stark aus wie im lateinischen Landesteil (6,6%). Bei den Frauen (4,8%) betrug der Rückgang der Quote 0,4%, bei den Männern (3,6%) 0,5%. Besonders stark verringerte sich der Anteil bei den 15- bis 24jährigen, der von 4,7% auf 3,9% sank. Im Jahresdurchschnitt wurden 49 951 Langzeitarbeitslose registriert; damit ist ihr Anteil am Total der Arbeitslosen gegenüber dem Vorjahr von 30,2 auf 28,7% gesunken.
Seit dem Höchststand der Arbeitslosigkeit vom Januar 1994 war ein steter,
moderater Rückgang der Erwerbslosigkeit zu verzeichnen, der mit Ausnahme der Wintermonate auch im ersten Halbjahr 1995 anhielt. In den Sommermonaten geriet dieser Rückgang jedoch ins Stocken, und die Arbeitslosenquote verharrte fünf Monate lang bei 4,0%. Ab Oktober stiegen die Arbeitslosenquoten saisonal bedingt wieder an
[9]. Die
Kurzarbeit nahm hingegen bereits im zweiten aufeinanderfolgenden Jahr markant ab. Im Jahresmittel fielen monatlich knapp 550 000 Arbeitsstunden aus, was gegenüber 1994 erneut einem Rückgang um rund 50% entspricht.
Im Anschluss an die Beratung des revidierten Arbeitslosenversicherungsgesetzes (siehe unten, Teil I, 7c) überwies der Nationalrat diskussionslos ein Postulat seiner Kommission für Wirtschaft und Abgaben, welches den Bundesrat bittet, die
Arbeitslosenstatistik möglichst rasch mit Angaben zur Anzahl der Ausgesteuerten und der Sozialhilfebezüger in den Kantonen und Gemeinden zu ergänzen. Damit sollen die Gesamtausgaben aller öffentlichen Stellen als Folge der Arbeitslosigkeit besser erfasst werden
[11].
Dieser Auftrag wurde zum Teil bereits erfüllt. Im Auftrag von acht Kantonen (AG, BE, BL, BS, FR, GE, SO, VS) und mit Unterstützung des BIGA wurde im Juni des Berichtsjahres eine repräsentative Auswahl der 26 000 Personen, die zwischen Anfang 1993 und November 1994 in den erfassten Kantonen ausgesteuert worden waren, nach ihren momentanen Lebensumständen befragt. Im Vergleich zur Gesamtzahl der Arbeitslosen fanden sich unter den
Ausgesteuerten überdurchschnittlich viele Frauen, Personen ausländischer Nationalität und Ungelernte. Von den Antwortenden verfügte die Hälfte im Zeitpunkt der Befragung wieder über Arbeit. Dabei war ihr Verdienst in 22% der Fälle höher als vor der Arbeitslosigkeit; 13% verdienten gleich viel, rund ein Achtel bis 10% weniger, gut ein Fünftel bis 25% weniger; 14% erzielten einen Verdienst, der um 50% und 17% einen Lohn, der um über 50% unter dem zuletzt erreichten lag. Als Hauptgründe (bei möglichen Mehrfachnennungen) ihrer Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt bezeichneten jene Ausgesteuerten, die immer noch ohne Arbeit waren, das Alter (52%), eine ungenügende Ausbildung (25%), Sprach- oder Gesundheitsprobleme (22%), den Umstand, dass sie nur Teilzeitarbeit leisten können (18%), zu wenig Erfahrung (17%) oder Überqualifikation (13%)
[12].
Der Ständerat überwies dem Bundesrat oppositionslos eine Petition einer Gruppe von
Langzeitarbeitslosen zur Kenntnisnahme, welche anregte, dass eine beschäftigte Person die Möglichkeit erhalten soll, die Hälfte ihrer Stelle einer stellenlosen Person mit ähnlicher Qualifikation abzugeben, wobei beiden Beteiligten die andere Hälfte zu 80% von der Arbeitslosenversicherung (ALV) vergütet werden soll. Die vorberatende Kommission machte in ihrem einstimmigen Antrag auf Zustimmung geltend, dass dieser Vorschlag keine Mehrkosten für die ALV nach sich ziehen würde, und verwies auf die ganz grundsätzlichen Vorteile des Jobsplittings (Verbesserung der Produktivität, Senkung der Absenzenquote, Anreiz zur Weiterbildung). Vor allem unterstrich sie aber sozialethische Überlegungen, wonach Arbeitslosigkeit krank macht und das soziale System belastet, weshalb die Wiedereingliederung von Arbeitslosen eine vordringliche Aufgabe ist, die sich über kurz oder lang auch finanzpolitisch günstig auswirken wird
[13].
Das nach Biber Utzenstorf (SO) zweite vom BIGA unterstützte
Transfer-Projekt, jenes der Monteforno-Werke in Bodio (TI), wo auf Ende 1994 rund 350 Personen entlassen worden waren, scheiterte teilweise an der Weigerung der Von Roll, die
Monteforno an eine Gesellschaft abzutreten, welche die Weiterführung einer Aktivität auf dem Gebiet der Stahlproduktion beabsichtigte. Nach einer ersten Phase, in welcher die Belegschaft vor allem auf eine Wiederaufnahme der Arbeit im Stahlsektor vorbereitet wurde, ging man deshalb in den folgenden Monaten dazu über, die arbeitslos gewordenen Personen im Rahmen geeigneter Massnahmen möglichst wieder in den regionalen und kantonalen Arbeitsmarkt einzugliedern
[14].
[9]
Die Volkswirtschaft, 69/1996, Nr. 5, S. 8* und 10*. Gemäss den provisorischen Zahlen des BIGA ging die Anzahl der Bezüger von ALV-Leistungen 1995 um 7,2% auf rund 292 000 Personen zurück; die Anzahl der Bezugstage verzeichnete sogar einen Rückgang um 13,6% (
Die Volkswirtschaft, 69/1996, Nr. 4, S. 28*). Zu einer Studie der Kommission für Konjunkturfragen, die für das Jahr 2000 bedeutend tiefere Arbeitslosenzahlen prognostiziert, siehe
Lit. Kommission; Presse vom 2.11.95.9
[11]
Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1142. Zur Lage jener Personen, die ihren Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ausgeschöpft haben, siehe auch G. Sheldon, "Das veränderte Gesicht der Arbeitslosigkeit - Langzeitarbeitslose und Ausgesteuerte", in
CHSS, 1995, S. 160 ff.;
NZZ, 10.4.95;
BZ, 14.3.95;
Bund, 26.4. und 29.5.95. Zu einem Modell der Universität Basel zur besseren statistischen Erfassung der Arbeitskräfte siehe
BaZ, 19.5.95.11
[12]
Lit. Aeppli et al.; Presse vom 6.1.96. Zu einer Teilstudie für den Kanton Aargau, die zu ähnlichen Resultaten kam, siehe
TA, 24.4.95.12
[13]
Amtl. Bull. StR, 1995, S. 430 f. Hingegen wurden zwei Petitionen des Zürcher Arbeitslosenkomitees und des Verbandes der Schweizerischen Studentenschaften, welche die Verschärfung des Begriffs der "zumutbaren" Arbeit kritisierten, ohne Folge zur Kenntnis genommen (
a.a.O., S. 432 ff.). Für ein Pilotprojekt in der Stadt St. Gallen, welches ganz auf der Linie der überwiesenen Petition liegt, siehe
SGT, 12.9.95;
BZ, 12.10.95.13
[14]
Lit. Poretti und
Lit. Babey. Vgl.
SPJ 1994, S. 197.14
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