Année politique Suisse 1995 : Sozialpolitik / Sozialversicherungen / Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)
Nach einer relativ spannenden Abstimmungskampagne, in welcher sich sowohl Bundesrätin Dreifuss als auch die Basis der SP, die dazu erstmals seit 74 Jahren wieder in einer Urabstimmung befragt wurde, von den Gewerkschaften absetzten, wurde die 10. AHV-Revision
in der Volksabstimmung mit rund 60% der Stimmen deutlicher angenommen als erwartet. Allerdings lehnten vier Kantone der Romandie sowie das Tessin die Vorlage ab, am deutlichsten die Kantone Tessin und Jura mit über 60% Neinstimmen. Die stärkste Annahme wurde in den beiden Appenzell und im Kanton Zürich erreicht
[20]. Die Vox-Analyse der Abstimmung zeigte, dass die Heraufsetzung des Rentenalters die
Frauen nicht stärker gegen die Vorlage zu mobilisieren vermochte als die Männer. Offenbar wurden das neue Splitting-System und die zusätzlich eingeführten Leistungen für Frauen mit Erziehungs- und Betreuungspflichten höher gewertet als der für die Frauen anfallende Nachteil durch die Erhöhung des Pensionierungsalters
[21].
Referendumsabstimmung über die 10. AHV-Revision
Abstimmung vom 25. Juni 1995
Beteiligung: 40,4%
Ja: 1 110 053 (60,7%)
Nein: 718 349 (39,3%)
Parolen:
- Ja: FDP, CVP, SVP, SP (3*), GP (2*), LP, LdU, EVP, FP, SD, EDU; Vorort, SGV, SBV, Pensionskassenverbände, Bund Schweiz. Frauenorganisationen, Schweiz. Gemeinnütziger Frauenverein, Schweiz. Landfrauenbund, Caritas Schweiz
- Nein: Lega, PdA; SGB, CNG
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen
Die Zustimmung fiel einem Teil der Stimmberechtigten auch deshalb relativ leicht, weil sie sich erhoffen konnten, dass - unter Beibehaltung der Vorteile für die Frauen - die Frage des Rentenalters durch die von der SP und den Gewerkschaften lancierte
Volksinitiative "für die 10. AHV-Revision ohne Erhöhung des Rentenalters", welche kurz vor der Volksabstimmung mit 105 947 gültigen Unterschriften
zustande kam, noch einmal beurteilt werden kann
[22].
[20]
BBl, 1995, III, S. 1213 f.; Presse vom 26.6.95. Das von den Gewerkschaften gegen diese Revision lancierte Referendum war mit 141 879 gültigen Stimmen zustandegekommen (
BBl, 1995, I, S. 1192 f.; vgl.
SPJ 1994, S. 220). Abstimmungskampagne: Presse von April bis Juni 1995. Für die Haltung von BR Dreifuss siehe
CHSS, 1995, S. 60;
JdG, 27.3.95;
NZZ, 25.4.95;
NQ, 26.4.95. Haltung der SP:
Hebdo, 12.1.95;
BaZ, 28.1.95;
NZZ, 22.2.95;
TW, 17.3.95;
Bund, 27.3.95;
Cash, 14.4.95. Die Urabstimmung der SP ergab sogar noch einen höheren Ja-Anteil (65,9%) als die Zustimmung in der Volksabstimmung (Presse vom 10.4.95). Zu den Inhalten der 10. AHV-Revision vgl.
CHSS, 1995, S. 61 ff. und 77 ff. sowie
SPJ 1994, S. 219 f.20
[21] U. Serdült,
Analyse der eidg. Abstimmung vom 25. Juni 1995, VOX Nr. 57, Adliswil 1995. Das Inkrafttreten der 10. AHV-Revision mit den entsprechenden Verordnungen wurde vom BR auf den 1.1.1997 festgesetzt (
NZZ, 30.11.95).21
[22]
BBl, 1995, IV, S. 376 f. Bürgerliche Politiker warfen schon im Vorfeld des Zustandekommens die Frage auf, ob die Initiative überhaupt gültig sei (
TA, 15.4.95). Für die Meinung namhafter Politiker zu dieser Initiative siehe
NQ, 26.6.95.22
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