Année politique Suisse 1995 : Sozialpolitik / Sozialversicherungen / Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV)
In der 11. AHV-Revision soll das
Rentenalter der Frauen und der Männer gleich hoch angesetzt werden. Der Nationalrat überwies ebenfalls eine entsprechende, im Vorjahr verabschiedete Motion der zuständigen Ständeratskommission. Bundesrätin Dreifuss erklärte sich im Namen des Bundesrates bereit, den Vorstoss in der verbindlichen Form entgegenzunehmen, da die finanziellen Aussichten dieses Sozialwerks tatsächlich nicht rosig seien und voraussichtlich bereits im Jahr 2000 das dafür vorgesehene zusätzliche Mehrwertsteuerprozent beansprucht werden müsse. Die grosse Kammer betonte, dass es nicht nur darum gehe, die Vorarbeiten für die 11. Revision ohne Verzug in Angriff zu nehmen, sondern dass der Bundesrat eigentlich verpflichtet werden müsste, die Vorlage in der neuen Legislatur parlamentsreif vorzulegen
[23].
Der Ständerat doppelte hier noch einmal nach und überwies in der Wintersession praktisch diskussionslos und mit grossem Mehr eine
Motion Schiesser (fdp, GL), welche verlangt, dass der Bundesrat dem Parlament seine
Vorlage zur 11. AHV-Revision spätestens auf die Sommersession 1998 vorlegt. Diese Revision soll ganz im Zeichen der
Finanzierungsfrage stehen und sicherstellen, dass die mittel- und langfristig sich abzeichnenden hohen Ausgabenüberschüsse der AHV möglichst früh aufgefangen werden können und der Ausgleichsfonds der AHV auch in Zukunft den gesetzlich vorgeschriebenen Betrag von einer Jahresausgabe erreicht. Bundesrätin Dreifuss machte vergebens geltend, dass sie die Besorgnis des Parlaments zwar teile, dass der vorgegebene Zeitplan aber unrealistisch sei für seriöse Vorarbeiten. Das Dossier sei derart komplex, dass der Bundesrat mindestens ein halbes oder ganzes Jahr mehr für einen konkreten Vorschlag brauche. Die dafür eingesetzte interdepartementale Arbeitsgruppe (IDA FiSo) wolle ihren Bericht zur Finanzierung der gesamten Sozialversicherung im Frühjahr 1996 vorlegen, weshalb eine Beratung der 11. AHV-Revision erst in der neuen Legislatur (1999-2003) sinnvoll sei. Dreifuss versprach aber, die Mobilisierung des für die AHV-Finanzierung vorgesehenen Mehrwertsteuer-Prozents noch in der laufenden Legislatur vorzulegen. Mit ihrer Argumentation drang die Bundesrätin nicht durch. Unter dem Hinweis, dass auch das Parlament Zeit für eine vertiefte Behandlung brauche, weshalb von der Botschaft bis zur Verabschiedung und dem Inkrafttreten der Vorlage ohnehin noch mehrere Jahre verstreichen werden, hielt Schiesser an der Form der Motion fest, worauf diese mit 28 zu 7 Stimmen angenommen wurde
[24].
SGB und SP beschlossen, die
Volksinitiative "für eine Flexibilisierung der AHV - Gegen die Erhöhung des Rentenalters für Frauen" des Schweizerischen Kaufmännischen Vereins zu unterstützen, da diese Initiative ihrer Ansicht nach die Weichen für die 11. AHV-Revision in die richtige Richtung stellt. Weil sie andere Vorstellungen von Umwelt- und Energieabgaben haben, verzichteten sie hingegen auf eine Unterstützung der
Doppelinitiative der Grünen ("für ein flexibles Rentenalter ab 62 für Frau und Mann" und "für eine gesicherte AHV - Energie statt Arbeit besteuern")
[25].
[23]
Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1991 ff. Vgl.
SPJ 1994, S. 218. Gemäss einem Grundsatzurteil des Eidg. Versicherungsgerichtes kann in der heutigen Rechtslage weder der Gleichheitsartikel der Bundesverfassung noch die Europäische Menschenrechtskonvention noch der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Pakt I) herangezogen werden, um das ungleiche Rentenalter von Frauen und Männern für ungültig zu erklären. Unter Hinweis auf die angebliche Diskriminierung der Männer hatte ein 62jähriger Bürger verlangt, im gleichen Alter wie die weiblichen Versicherten die Altersrente beziehen zu können (
CHSS, 1996, S. 3).23
[24]
Amtl. Bull. StR, 1995, 1169 ff.24
[25] Presse vom 3.11. und 6.11.95.25
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