Année politique Suisse 1995 : Sozialpolitik / Sozialversicherungen
 
Berufliche Vorsorge
Angesichts der grossen Zahl von Verordnungen zum BVG wollte die GPK des Ständerates überprüfen, ob Bundesrat und Verwaltung die politischen Zielsetzungen des Parlaments befolgt haben; sie gab deshalb eine Studie in Auftrag, die einige unwesentliche Divergenzen feststellte. Insbesondere habe es der Bundesrat gegen den Willen des Gesetzgebers unterlassen, den Mindestzinssatz der BVG-Altersguthaben der Marktentwicklung anzupassen, wodurch die Rentnerinnen und Rentner nun weniger Geld zugute hätten. Die GPK rügte auch die Praxis des Bundes bei der Beanspruchung des Sicherheitsfonds im Fall eines Konkurses einer Pensionskasse: Ohne gesetzliche Basis seien so seit 1988 über 55 Mio Fr. wegen Zahlungsunfähigkeit ausbezahlt worden [31]. In seiner Stellungnahme zeigte sich der Bundesrat erfreut über die zentrale Aussage der Studie, wonach der politische Wille des Parlaments beim Vollzug des BVG insgesamt befolgt worden sei und versprach, den Anregungen der GPK bei der anstehenden BVG-Revision die nötige Aufmerksamkeit zu schenken [32].
In Ausführung einer vor Jahresfrist angenommenen parlamentarischen Initiative Rechsteiner (sp, SG) zur Verbesserung der Insolvenzdeckung in der beruflichen Vorsorge verabschiedete der Nationalrat einstimmig eine Änderung des BVG, mit welcher die Garantien des Sicherheitsfonds auch auf die überobligatorischen und vorobligatorischen Guthaben ausgedehnt werden. Damit soll vermieden werden, dass Arbeitnehmer zu Schaden kommen, wenn beim Konkurs eines Unternehmens die in den Betrieb investierten Pensionskassengelder nicht mehr sichergestellt werden können [33].
Die grosse Kammer hiess auch zwei Postulate Rechsteiner (sp, SG) gut, die den Bundesrat ersuchen, einerseits die Anlagevorschriften der Pensionskassen im Bereich der derivativen Finanzinstrumente zu überprüfen und andererseits sicherzustellen, dass auch nicht direkte Erben (beispielsweise Konkubinatspartner) beim Tod des Versicherten in den Genuss von BVG-Leistungen kommen [34].
Diskussionslos genehmigte der Ständerat eine von 30 Abgeordneten aus allen Parteien mitunterzeichnete Motion Frick (cvp, SZ), welche den Bundesrat auffordert, dem Parlament eine Änderung des BVG vorzulegen, wonach unabhängig von der anstehenden Revision des BVG neben der Witwenrente auch der Anspruch auf die Witwerrente gesetzlich verankert wird. Obgleich sie eine Überweisung des Vorstosses in Postulatsform vorgezogen hätte, anerkannte Bundesrätin Dreifuss die grundsätzliche Berechtigung dieses Anliegens [35].
Auf den 1. Januar trat das Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (Freizügigkeitsgesetz) ohne wesentliche materielle Übergangsfristen in Kraft [36].
Für die Turbulenzen in der Pensionskasse des Bundes siehe oben, Teil I, 1c (Verwaltung). Zu den Auswirkungen der auf den 1.1.1995 in Kraft getretenen Möglichkeit, Kapitalien der 2. Säule zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum zu verwenden, siehe oben, Teil I, 6c (Wohnungsbau).
 
[31] BBl, 1995, IV, S. 1239 ff.31
[32] BBl, 1995, IV, S, 1288 ff.32
[33] BBl, 1996, I, S. 564 (Berichte der Kommission und des BR); Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1883 ff. Siehe SPJ 1994, S. 221. Zu Mängeln in der Pensionskassenaufsicht siehe die Ausführungen des BR in Amtl. Bull. NR, 1995, S. 2752 f. Für die Verluste, die einzelne PK erlitten, vgl. NQ, 13.1. und 17.7.95; BaZ, 23.1.95; BZ, 2.2.95; TA, 1.3.95; Presse vom 18.7., 9.8., 9.10. und 20.10.95; SoZ, 5.11.95.33
[34] Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1603, 1886 und 2701 f.34
[35] Amtl. Bull. StR, 1995, S. 1031.35
[36] NZZ, 27.7.95. Vgl. SPJ 1994, S. 221.36