Année politique Suisse 1995 : Sozialpolitik / Soziale Gruppen / Stellung der Frau
Wenige Tage vor Eröffnung der 4. UNO-Frauenkonferenz leitete der Bundesrat dem Parlament seine Botschaft betreffend die
Ratifizierung des 1987 unterzeichneten
UNO-Übereinkommens von 1979
zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zu. Als Folge des Rechtssetzungsprogramms "Gleiche Rechte für Mann und Frau", welches in den vergangenen Jahren den 1984 angenommenen Gleichstellungsartikel der Bundesverfassung (Art. 4 Abs. 2) konkretisiert hat, entspricht das schweizerische Recht in fast allen Punkten den Grundsätzen des Abkommens. Der Bundesrat sieht sich allerdings gezwungen, drei Vorbehalte anzubringen. Ein erster betrifft die Militärgesetzgebung, die vorsieht, dass Frauen im Militär keine Funktionen übernehmen dürfen, welche einen Waffeneinsatz über den Selbstschutz hinaus bedingen. Vorbehalten bleibt auch die in den Übergangsbestimmungen des Ehegüterrechts vorgesehene Möglichkeit, in bestimmten Fällen das alte, gemeinsame Ehegüterrecht beizubehalten. Einen weiteren Vorbehalt gibt es bei der Namensregelung, weil in der Schweiz der Name der Frau nur auf Gesuch hin Familienname werden kann (siehe unten, Familienpolitik)
[30].
Als Leiterin der Schweizerdelegation an der UNO-Frauenkonferenz in Peking verurteilte Bundesrätin Dreifuss vor dem Plenum scharf jede Form von Gewalt gegen Frauen als eine der unzulässigsten Menschenrechtsverletzungen und als Haupthindernis auf dem Weg zur Gleichstellung der Geschlechter. Sie erinnerte daran, dass sich nicht nur im Süden, sondern auch im Norden die Kluft zwischen Reich und Arm weiter vertieft. Frauen hätten häufig die Hauptverantwortung für Kinder, ältere Menschen und Kranke und seien deshalb in besonderem Masse von Armut bedroht. Seit der 3. Frauenkonferenz in Nairobi im Jahre 1985 habe es zwar Fortschritte, aber auch Stagnation und vielfach dramatische Rückschritte gegeben. Von der Chancengleichheit im Bildungswesen, auf dem Arbeitsmarkt und bei den verantwortungsvollen Positionen in Politik und Gesellschaft seien die Frauen noch weit entfernt.
Bundesrätin Dreifuss legte auch die neuen
Gesetzgebungsmassnahmen der Schweiz dar, die darauf abzielen, die Diskriminierung der Frauen abzubauen und ihre Situation im privaten wie im öffentlichen Sektor entscheidend zu verbessern, etwa durch eine Ausdehnung des Kündigungsschutzes bei Gleichstellungskonflikten sowie durch die Anerkennung unentgeltlich geleisteter Arbeit für Kinder und andere zu betreuende Personen in den Sozialversicherungen. Als wichtigsten nächsten Schritt nannte sie die Einführung der Mutterschaftsversicherung und die Revision des Scheidungsrechts
[31].
[30]
BBl, 1995, IV, S. 901 ff.;
Lit. Hausammann;
Frauenfragen, 1995, Nr. 1, S. 25 ff.;
Bund, 5.8.95; Presse vom 23.8.95.30
[31]
Documenta, 1995, Nr. 3, S. 17 f. (Ansprache von BR Dreifuss); Presse vom 15.8., 18.8., 23.8., 8.9. und 16.9.95. In ihrem Länderbericht zuhanden der UNO bezeichnete die Schweiz als Schwerpunkte ihrer Frauenpolitik das Gleichstellungsgesetz, die Mutterschaftsversicherung, die Einführung des Splittings in der Altersvorsorge, die Anerkennung von Betreuungsarbeit in Form eines Erziehungsbonus und die einheitliche Regelung der Familien- und Kinderzulagen (
NZZ, 14.1.95). Weltweit stehen für die Schweiz aus Frauensicht die folgenden Themen im Vordergrund: Menschenrechte, Gesundheit, Gewalt gegen Frauen, Auswirkungen von kriegerischen Konfliktsituationen auf Frauen, Mitwirkung der Frauen in Politik, Wirtschaft und Entwicklung (
JdG, 22.8.95). Für die weitere Umsetzung der Weltfrauenkonferenz siehe die Ausführungen des BR in
Amtl. Bull. NR, 1995, S. 1863 f.31
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