Année politique Suisse 1995 : Bildung, Kultur und Medien / Kultur, Sprache, Kirchen / Kulturpolitik
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Kulturpolitik in den Kantonen und Gemeinden
In der Zentralschweiz soll auf privater Basis ein Institut entstehen, das die wissenschaftliche Forschung im Bereich der Kultur in einem weit verstandenen Sinn fördern will. Wenn alles planmässig verläuft, soll das Kulturwissenschaftliche Institut Zentralschweiz (KIZ) im Januar 1996 seinen Betrieb aufnehmen. Das KIZ versteht sich als Anlauf- und Koordinationsstelle für wissenschaftliche Aktivitäten im Bereich von Geschichte, Soziologie, Volkskunde, Literatur, Ökologie und Recht. Es wird keine Schule im herkömmlichen Sinn sein, sondern ein Forschungszentrum, das seine Infrastruktur für kulturwissenschaftliche Projekte zur Verfügung stellt. Das KIZ will mit bestehenden Institutionen zusammenarbeiten und soll zu einem Drittel von den beteiligten Kantonen und zu zwei Dritteln durch private Gönner sowie selbst erwirtschaftete Beträge finanziert werden. Als Standort kommt vor allem der Raum Luzern in Frage.
Die beiden Basler Halbkantone bewerben sich gemeinsam in Brüssel um den Titel einer "Kulturstadt Europas" im Jahr 2001. Zum 500-Jahr-Jubiläum seiner Zugehörigkeit zur Eidgenossenschaft will sich der Raum Basel damit als lebendige Kulturregion profilieren, die gegenüber Europa offen ist. Er erhofft sich dabei aber auch wirtschaftliche Impulse. Ende Juni unterzeichneten die beiden Kantonsregierungen die gemeinsame Bewerbung, nachdem auch der Bundesrat signalisiert hatte, dass er diese unterstützen werde [22].
In Basel-Stadt zeigte sich die Legislative kulturfreundlicher als die Exekutive. Gegen den ursprünglichen Antrag der Regierung milderte der Grosse Rat die für die Jahre 1996-2001 vorgesehene Kürzung der Subventionen an den städtischen Theaterbetrieb von 30% auf 20% ab. Obgleich damit vorderhand alle drei Sparten (Theater, Oper, Ballett) erhalten werden können, wird sich ein Leistungsabbau unter diesen Voraussetzungen kaum vermeiden lassen. Hauptleidtragender Bereich dürfte das Ballett sein, wo der Bestand der Truppe drastisch abgebaut und möglicherweise mittelfristig ganz aufgelöst und durch ein Tanztheater ersetzt werden soll. Gewissermassen als Trostpflaster für die Basler Theaterbesucher wurde demgegenüber im Herbst das private Musical-Theater "Messe Basel" eröffnet [23].
Das Bourbaki-Panorama in Luzern, welches die wohl grösste humanitäre Aktion der Schweizer Geschichte dokumentiert, muss dringend restauriert werden. Die Stadt Luzern wird dem Souverän 1996 für die Renovation des Gebäudes einen Investitionskredit von rund 21 Mio Fr. vorlegen. Für die Restauration des eigentlichen Bildes, welches 1876 vom Genfer Maler Edouard Castres gemalt wurde, und das zu den Hauptwerken der Schweizer Malerei im 19. Jahrhundert zählt, sind weitere 5 Mio Fr. nötig. Da nur gerade etwa die Hälfte über Subventionen gedeckt sein dürfte, will ein Patronatskomitee unter der Leitung von alt Bundesrat René Felber die fehlende Summe über Sponsoren, Kantone, Gemeinden und Stiftungen aufbringen. In Les Verrières im Neuenburger Jura, wo 1871 der französische General Bourbaki mit seiner geschlagenen Armee die Schweizer Grenze überschritt, wurde Ende Oktober eine entsprechende nationale Sammelaktion gestartet [24].
Die Genfer Stimmberechtigten sprachen sich mit Zweidrittelsmehrheit für den Schutz des legendären "Alhambra", eines Variété-Theaters am Rand der Altstadt aus. An seiner Stelle sollte nach den Plänen von Gewerbetreibenden ein riesiges Parkhaus entstehen. Unter dem Motto "culture contre voiture" wurde im Abstimmungskampf ein regelrechter Glaubenskrieg um die Stellung der Kultur im städtischen Umfeld ausgefochten [25].
 
[22] BaZ, 19.1., 29.3., 7.6., 9.6., 14.6. und 27.6.95; NZZ, 26.4. und 27.6.95; JdG, 22.6.95; Ww, 20.7.95.22
[23] Theater: BaZ, 23.5., 26.6., 29.7., 20.9., 14.11., 17.11., 28.11. und 9.12.95. Musical: BaZ, 26.9. und 12.10.-14.10.95; vgl. SPJ 1994, S. 266. Der Basler Regierungsrat beschloss, aus Spargründen zwei der fünf städtischen Museen zu schliessen, nämlich das Museum für Gestaltung sowie das Stadt- und Münstermuseum. Verschiedene Gruppierungen setzten sich gegen die Schliessungen ein (BaZ, 20.4., 21.4., 29.4., 10.5., 3.6., 28.6., 29.6., 23.11., 29.11., 5.12. und 14.12.95). 30% Kürzungen im Kulturbereich beantragt auch die Regierung des Kantons Solothurn (SZ, 31.1., 25.3. und 26.9.95).23
[24] LNN, 18.2., 22.6., 24.6., 15.11., 30.11., 14.12. und 15.12.95; Presse vom 24.10.95; BaZ, 16.12.95.24
[25] JdG, 14.2., 16.2., 27.2., 7.3. und 13.3.95.25