Année politique Suisse 1996 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Freiheits-Partei (FPS)
Nach dem letztjährigen schwachen Ergebnis bei den eidgenössischen Wahlen musste die Freiheits-Partei im Berichtsjahr auch auf kantonaler Ebene massive Sitzverluste hinnehmen. In St. Gallen büsste sie im Februar mit 9 fast die Hälfte ihrer bisherigen Mandate ein, wobei die verlorenen Sitze allesamt an die erstmals antretende SVP gingen. Parteipräsident Roland Borer kündigte deshalb an einer Delegiertenversammlung im Februar eine stärkere Abgrenzung zur SVP und eine Konzentration auf die traditionellen Parteithemen an. Es gelte klarzumachen, dass nicht die SVP, sondern die Freiheits-Partei die "einzige bürgerliche Oppositionspartei" im Lande sei. Weiter kündigte er Änderungen im politischen Stil an; man könne Opposition nicht mehr nur um der Opposition willen betreiben. Trotz dieser Umorientierung fuhr die FPS in Schaffhausen, Thurgau und Basel-Stadt weitere Sitzverluste ein [50].
Neben Wahlverlusten kam es bei der Freiheits-Partei zu medienträchtigen Parteiaustritten. Im Kanton Aargau liefen im April vier Grossräte der einstmals 19köpfigen FP-Fraktion im Grossen Rat zur FDP über, nachdem zuvor bereits ein FP-Grossrat zu den Schweizer Demokraten gewechselt hatte. Ende Mai wechselte der Aargauer Nationalrat Ulrich Giezendanner, der sich wiederholt vom rechtspopulistischen Stil der FPS distanziert und sich im eigenen Lager mit der Idee einer Fusion mit FDP oder SVP Feinde geschaffen hatte, nach längeren Verhandlungen mit der FDP überraschend zur SVP [51].
Heftige Reaktionen löste ein Inserat der Freiheitlichen für die SVP-Asylinitiative "Gegen die illegale Einwanderung" aus, das in Karikaturform einen Schweizer zeigt, der einen Menschen mit einem Tritt zum "Schweizer Haus" hinausbefördert. FDP, CVP, SP und kleinere Parteien verurteilten das Inserat als menschenverachtend [52].
Die Delegierten der FPS hiessen ein restriktives Drogenkonzept gut. Gemäss diesem sollen Abhängige von der Fürsorge nur noch unterstützt werden, wenn sie sich für eine abstinenzorientierte Therapie entschliessen. Entzugsunwillige seien zum Entzug zu zwingen. Abgelehnt wurden alle Massnahmen der Überlebenshilfe, die nicht unmittelbar dem Ziel der Abstinenz dienen, also etwa die Heroin- oder Methadonabgabe und Notschlafstellen. Weiter will die Partei schärfer gegen drogenkonsumierende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorgehen; Urinkontrollen sollen im Verkehr, aber auch am Arbeitsplatz üblich werden [53].
Die FPS forderte die Aufhebung des Neat-Beschlusses, da diese unnötig und nicht finanzierbar sei. Stattdessen drängte sie auf einen sofortigen Bau eines zweiten Strassentunnels am Gotthard [54].
 
[50] NZZ, SGT und TA, 12.2.96.50
[51] BaZ, 29.3.96; TA, 15.4.96; NZZ, 22.4. und 28.5.96.51
[52] TA, 27.11.96; NZZ, 28.11.96.52
[53] TA, 13.5.96.53
[54] NZZ, 19.8.96.54