Année politique Suisse 1996 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Schweizerische Volkspartei (SVP)
Nach achtjähriger Tätigkeit trat Ständerat Hans Uhlmann (TG) als Parteipräsident zurück. Zum neuen Präsidenten wurde nach zäher Kandidatensuche der Zürcher Nationalrat Ueli Maurer gewählt, der dem konservativen Zürcher-Parteiflügel zugezählt wird. Die liberalen Westschweizer, Berner und Bündner Sektionen sowie viele weibliche Parteimitglieder brachten der Wahl Skepsis entgegen und befürchteten, dass Maurer ein getreuer Vertreter der Positionen des Parteiexponenten Christoph Blocher (ZH) sein werde. SVP-Generalsekretärin Myrtha Welti trat im Berichtsjahr zurück und wurde durch Martin Baltisser ersetzt [24].
Erstmals meldete die SVP offiziell ihren Anspruch auf einen zweiten Bundesratssitz an, wobei sie diesen klar der CVP streitig macht. Auf kantonaler Regierungsebene ist die SVP jedoch neu in der Westschweiz nicht mehr vertreten, nachdem der Waadtländer Pierre-François Veillon zurücktreten musste und in Freiburg der SVP-Kandidat den Sitz des zurücktretenden Raphael Rimaz nicht halten konnte. Im Nationalrat ist die welsche SVP gerade noch mit einem Sitz vertreten. Damit entwickelt sich die SVP immer mehr zur Deutschschweizer Partei [25].
Im April gab neben den drei anderen Bundesratsparteien auch der SVP-Fraktionsvorstand dem Bundesrat die Zustimmung für ein erweitertes Verhandlungsmandat für die bilateralen Verhandlungen mit der EU, das Zugeständnisse im freien Personenverkehr und im Landverkehr vorsah. Prompt kündigte Christoph Blocher das Referendum an. Parteipräsident Maurer, der ebenfalls seine Unterschrift zum erweiterten Mandat gegeben hatte und dafür teilweise stark kritisiert wurde, betonte jedoch, dass die SVP die volle Freizügigkeit im Personenverkehr weiterhin ablehne. Von einem bilateralen Abkommen erwarte sie, dass das Thema EWR 2 oder gar EU-Beitritt damit vom Tisch sei [26].
Im Dezember kam die erste nationale Volksinitiative der SVP, "gegen die illegale Einwanderung", zur Abstimmung, bei der die Partei eine wenn auch relativ knappe Niederlage einstecken musste. Erneut wurde insbesondere der SVP Zürich im Vorfeld der Abstimmung eine polemische Kampagne vorgeworfen, und wie bereits beim letztjährigen "Stiefel-Inserat" der Zürcher SVP zu den eidgenössischen Wahlen boykottierten verschiedene Zeitungen ein umstrittenes Inserat der Kantonalpartei. Die Initiative war auch parteiintern umstritten. So hatte die Berner Sektion Stimmfreigabe beschlossen, während die Bündner und die Waadtländer SVP wie auch Bundesrat Adolf Ogi das Begehren ablehnten [27].
Eine Niederlage erlitt die SVP in der Stadt Zürich auch bei der Abstimmung über eine Weiterführung der staatlichen Heroinabgabeversuche, gegen welche sie das Referendum ergriffen hatte. In dem von der schweizerischen SVP im letzten Jahr verabschiedeten Drogenkonzept stellte der Verzicht auf die staatliche Heroinabgabe ein zentrales Element dar [28].
Die SVP legte ein drastisches Sanierungsprogramm für die Bundesfinanzen vor, das bis 1998 ohne neue Einnahmen ein ausgeglichenes Budget vorsieht. Dabei will sie den Rotstift insbesondere bei jenen Ausgabenposten ansetzen, die in den letzten Jahren die höchsten Zuwachsraten hatten. Die grössten Sparmöglichkeiten sah sie bei den Beziehungen zum Ausland, der Bildung, der sozialen Wohlfahrt, dem Verkehr sowie im Bereich Dienstleistungen und Honorare. Bei Armee, Landwirtschaft und AHV sollte gemäss SVP nicht gekürzt werden. Weiter forderte sie eine Bahnreform sowie den Abbau von 2000 Stellen in der Bundesverwaltung und die Überprüfung von über zwei Dutzend Ämtern und Dienststellen. 1999 möchte die SVP mit dem langfristigen Schuldenabbau beginnen. Dieses Sanierungsprogramm, das Blocher (ZH) in Motionsform einbrachte, wurde vom Nationalrat im Rahmen der Sanierungsberatungen allerdings als zu radikal verworfen [29].
Als einzige Partei widmete die SVP der im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung geplanten Reform der Volksrechte einen Sonderparteitag und profilierte sich dabei als Hüterin der Volksrechte. Sie sprach sich zwar für den vorgeschlagenen Ausbau der Volksrechte aus, verwarf aber die im Gegenzug vorgesehene Erhöhung der Unterschriftenzahlen für Initiative und Referendum [30].
Bei den kantonalen Parlamentswahlen ging die SVP als klare Siegerin hervor. Sie legte insgesamt 30 Sitze zu, wobei sie in St. Gallen mit 14 neuen Mandaten den grössten Triumph feiern konnte. In Schwyz gewann sie sieben zusätzliche Mandate. Ihren Anspruch, neues Terrain zu erschliessen, konnte die Partei jedoch nicht überall gleich gut erfüllen; in Uri und Appenzell Ausserrhoden verfingen die SVP-Rezepte gar nicht, in Basel-Stadt mit einem Sitzgewinn nur begrenzt.
 
[24] Presse vom 11.1., 29.1. (Maurer) und 20.6.96 (Baltisser).24
[25] Presse vom 9.9.96; TA und BaZ, 19.11.96. Vgl. oben, Teil I, 1e (Wahlen in kantonale Parlamente).25
[26] Presse vom 3.4.96; NZZ, 4.4.96; SoZ, 7.4.96.26
[27] Presse vom 9.9. und 2.12.96; NZZ, 12.11.96 (Inserat). Vgl. auch unten, FPS, und Teil I, 7d (Flüchtlinge). Zu den früheren Inseratekampagnen siehe SPJ 1995, S. 53 und 1994, S. 56.27
[28] Presse vom 2.12.96. Vgl. SPJ 1995, S. 346.28
[29] Presse vom 26.3.96. Vgl. SVP-Positionspapier Bundesfinanzen: Der Weg der SVP in die schwarzen Zahlen, Bern 1996. Siehe dazu auch oben, Teil I, 5 (Sanierungsmassnahmen).29
[30] Presse vom 22.4.96.30