Année politique Suisse 1996 : Parteien, Verbände und Interessengruppen / Parteien
 
Landesring der Unabhängigen (LdU)
Nach vierjähriger Amtszeit gab die populäre Zürcher Ständerätin Monika Weber das Präsidium des dahinserbelnden LdU ab. Weil sich keiner der drei verbleibenden LdU-Nationalratsmitglieder zur Kandidatur bereit erklärte, wurde schliesslich der auf eidgenössischer Ebene wenig bekannte bernische LdU-Kantonalpräsident Daniel Andres zum neuen Parteipräsidenten gewählt. Andres sprach sich für einen sozial-liberalen und wieder verstärkt ökologischen Kurs des Landesrings aus; grüne Anliegen waren bei Weber in den Hintergrund getreten. Dem Präsidenten steht neu ein vierköpfiges Vizepräsidium zur Seite [39].
Im August gab der Migros-Genossenschafts-Bund bekannt, dass er die finanzielle Unterstützung des LdU von bisher jährlich 3 Mio Fr. auf 600 000 Fr. kürzen wird. Er begründete den für die Partei nicht überraschend gekommenen Entscheid damit, dass der traditionell zur Verfügung gestellte Betrag der heutigen Situation und Grösse des LdU angepasst werde. Das Versiegen des Migros-Geldstroms brachte die Partei in arge finanzielle Bedrängnis. Den Geschäftsstellen St. Gallen und Aarau droht die Schliessung, womit landesweit mit Zürich und Bern nur noch zwei Geschäftsstellen übrigbleiben würden [40].
Trotz des knapperen Budgets und düsteren Zukunftsprognosen propagierte der Parteivorstand einen Neuanfang und plante dabei insbesondere, mit einem Namenswechsel zur "Sozial-liberalen Partei der Schweiz", vom Image der "Migros-Partei" wegzukommen. Der bisherige Name sage nichts über politische Inhalte aus und sei interpretationsbedürftig. An einem ausserordentlichen Parteitag im November wurde die Namensänderung von den Delegierten mit 84 zu 29 Stimmen jedoch klar abgelehnt, da der Name "Landesring" dem Wahlvolk ein Begriff sei; "unabhängig" gebe zudem die Stellung der Partei in der Politlandschaft am besten wieder. Angenommen wurden dagegen neue Statuten. Diese sollen der Parteispitze durch die Aufwertung des Vorstands und die Aufhebung des Delegiertenrats mehr Handlungsspielraum einräumen [41].
Eine eher verwirrliche Position nahm der LdU im Referendumskampf gegen die Verwaltungs- und Regierungsreform ein, in dem er sich einmal mehr für den Übergang zu einem parlamentarischen Konkurrenzsystem einsetzte. Die Vorlage selbst lehnte er ab [42].
Im April löste sich der LdU Basel-Stadt offiziell auf. Die drei nach den Wahlen von 1992 im Kantonsparlament verbliebenen LdU-Mitglieder hatten während der Legislatur zu den Grünen gewechselt. Im Thurgau verlor der LdU anlässlich der Grossratswahlen seinen einzigen Sitz. Damit ist die Partei nur noch in vier kantonalen Parlamenten (AG, BE, SG und ZH) vertreten. In der Stadt Bern konnte der LdU mit Claudia Omar jedoch wieder einen Exekutivsitz erobern [43].
 
[39] TA, 25.3.96; SoZ, 31.3.96; Presse vom 10.6.96.39
[40] SoZ, 25.8.96; NZZ, 30.8.96.40
[41] BaZ und NZZ, 8.11.96; Presse vom 25.11.96.41
[42] SGT, 13.4.96. Vgl. SPJ 1994, S. 326.42
[43] NZZ, 2.4.96 (LdU BS). Zu Polemiken und aufsehenerregenden Parteiaustritten u.a. des LdU-Kantonalpräsidenten kam es im Kanton Aargau, nachdem sich die Partei weigerte, Grossrat Bruno Nüsperli auszuschliessen, der u.a. ein Hitler-Zitat zur Bekämpfung einer Vorlage benutzt hatte. Ein Ausschluss Nüsperlis hätte für den LdU das Ende der Grossratsfraktion bedeutet. Der LdU SG beantragte der Landespartei, die Beziehung zur Kantonalpartei AG zu überprüfen (TA, 15.7.96; BZ, 17.7.96).43