Année politique Suisse 1996 : Grundlagen der Staatsordnung / Institutionen und Volksrechte / Volksrechte
Als Zweitrat behandelte der Ständerat den
Rest der Teilrevision des Gesetzes über die politischen Rechte. In Abweichung vom Nationalrat beschloss er eine neue Regelung für die Beurteilung der Gültigkeit von Volksinitiativen - welche der Nationalrat dann allerdings wieder strich (siehe unten) - und eine Präzisierung der Frist, nach welcher eine Volksinitiative dem Volk spätestens zum Entscheid vorzulegen ist. Der Nationalrat übernahm diese Formulierung. Neu gilt demnach eine
Referendumsfrist von 100 Tagen (inkl. Beglaubigung der Unterschriften) - wobei auf die Unterschriftenbogen neu nicht nur der Name, sondern effektiv auch eine Unterschrift zu setzen ist -, eine maximale Frist von neun Monaten zwischen der Schlussabstimmung resp. dem Ablaufen der dem Parlament eingeräumten Behandlungszeit für eine Volksinitiative und der Volksabstimmung sowie die erweiterte Kompetenz der Bundeskanzlei, irreführende Titel von Volksinitiativen abzuändern
[39].
Die Reform der Volksrechte bildet, neben der Nachführung und sprachlichen Überarbeitung, zusammen mit der Justizreform den Kernpunkt der geplanten
Totalrevision der Bundesverfassung. In der Vernehmlassung dazu gingen weitere ablehnende Stellungnahmen zu einer
Erhöhung der Unterschriftenzahlen für Initiative und Referendum ein. Neben der SP sprachen sich die SVP, die GP und der SGB, sowie mit Einschränkungen auch die CVP dagegen aus
[40].
In seiner im November vorgestellten
Botschaft zur Totalrevision der Bundesverfassung rückte der Bundesrat nur wenig von seinen ursprünglichen Plänen ab. Er behielt sowohl die im Vorentwurf vorgestellten neuen Instrumente als auch die Erschwerung der Ausübung der Volksrechte durch eine Heraufsetzung der Unterschriftenzahlen bei. Für Referenden beantragte er eine Verdoppelung auf 100 000, für Volksinitiativen eine Erhöhung auf 150 000 (statt wie ursprünglich vorgesehen auf 200 000). Für das neue Instrument der allgemeinen, d.h. nicht ausformulierten Volksinitiative, welche vom Parlament sowohl auf Verfassungs- als auch auf Gesetzesstufe realisiert werden könnte, sollen hingegen 100 000 Unterschriften ausreichen. Die bereits im Vernehmlassungsentwurf enthaltene Ausweitung des Referendumsrechts auf Finanz- und Verwaltungsbeschlüsse wurde beibehalten, allerdings etwas erschwert: nicht wie vorgesehen ein Drittel der Ratsmitglieder könnten eine Unterstellung unter das fakultative Referendum anordnen, sondern ein Mehrheitsbeschluss in beiden Parlamentskammern wäre dazu erforderlich
[41].
Das von der SP geforderte
konstruktive Referendum (die Unterschriftensammlung für die im Herbst 1995 lancierte Volksinitiative konnte noch nicht abgeschlossen werden) ist im Entwurf für die Verfassungsrevision nicht enthalten. Hingegen schlug der Bundesrat vor, dass das Parlament beschliessen kann, den Stimmbürgern Alternativlösungen zu Verfassungs- oder Gesetzesvorlagen zu unterbreiten
[42].
Der Bundesrat möchte im Rahmen der Verfassungsrevision auch die bisher stiefmütterlich behandelte
Standesinitiative aufwerten. Er beantragte, sie einer Volksinitiative gleichzustellen, wenn sie in mindestens acht Kantonen vom Volk oder vom Parlament beschlossen worden ist
[43].
Während sich die FDP und die CVP hinter die vorgeschlagenen Neuerungen stellten, bekräftigten SP, SVP, GP und SD ihren
Widerstand gegen die Erhöhung der Unterschriftenzahlen
[44].
[39]
Amtl. Bull. StR, 1996, S. 45 ff., 456 f. und 587;
Amtl. Bull. NR, 1996, S. 868 f. und 1276;
BBl, 1996, III, S. 39 ff.;
AS, 1997, S. 761 ff. Die neuen Bestimmungen wurden auf den 1.4.97 in Kraft gesetzt. Vgl.
SPJ 1995, S. 40.39
[40]
TA, 27.2. (SP, CVP) und 22.4.96 (SVP);
Bund, 29.2.96 (GP und SGB). Vgl.
SPJ 1995, S. 40 f. und oben, Teil I, 1a (Totalrevision der Bundesverfassung).40
[41]
BBl, 1997, I, S. 1 ff. (v.a. S. 436 ff.); Presse vom 24.8.96 (Vororientierung) und 22.11.96. Vgl. dazu auch oben, Teil I, 1a (Totalrevision der Bundesverfassung). Zur allgemeinen Volksinitiative siehe auch
Lit. Moser.41
[42]
BBl, 1997, I, S. 477 ff. Zur Initiative siehe
SPJ 1995, S. 41.42
[43]
BBl, 1997, I, S. 451;
TA, 22.11.96.43
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