Année politique Suisse 1996 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik
 
Konjunkturlage
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Weltwirtschaft
Das globale wirtschaftliche Wachstum beschleunigte sich 1996 wieder. Im OECD-Bereich verzeichneten namentlich die USA und Grossbritannien eine Konjunkturbelebung, während die grossen Industriestaaten auf dem europäischen Festland die Schwächephase, welche im Herbst 1995 eingesetzt hatte, erst in der zweiten Jahreshälfte langsam überwinden konnten. Japan vermochte nach mehreren Jahren der Stagnation erstmals wieder ein kräftiges Wachstum zu erzielen, getragen wurde dieses allerdings weitgehend von staatlichen Investitionsprogrammen. Die meisten mitteleuropäischen Reformstaaten wiesen weiterhin beachtliche Wachstumsraten (allerdings auf tiefem Ausgangsniveau) aus; die Lage in den Nachfolgestaaten der UdSSR (mit Ausnahme des Baltikums) blieb hingegen schwierig. In den neuen Industriestaaten im südostasiatischen Raum schwächte sich die Dynamik etwas ab. In Lateinamerika besserte sich die Situation, welche in den Vorjahren von der Finanzkrise Mexikos überschattet worden war, wieder. Auch in Afrika waren in bezug auf das Wirtschaftswachstum eher positive Zeichen auszumachen.
Die Teuerung blieb im OECD-Raum niedrig. Die Inflationsraten verharrten in den meisten Industrieländern auf dem Niveau des Vorjahres oder sogar leicht darunter. In den EU-Staaten belief sie sich auf durchschnittlich 2,5%. Die Arbeitslosigkeit nahm in den USA und in Grossbritannien weiter ab, in vielen anderen Industriestaaten Europas nahm sie allerdings weiter zu. In Deutschland übertraf die Arbeitslosenrate erstmals die Marke von 10% und näherte sich damit dem im Vergleich zum Vorjahr stabilen Mittelwert der EU von 11% an [8].
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Schweiz
Die schweizerische Konjunkturlage verschlechterte sich 1996 wieder. Nach der Stagnation im Vorjahr bildete sich das reale Bruttoinlandprodukt nach ersten Schätzungen um 0,7% zurück. Für die schwierige Lage wurden weiterhin in erster Linie die Probleme auf dem Immobiliensektor, die Sparpolitik der öffentlichen Haushalte, der zumindest in der ersten Jahreshälfte hohe Frankenkurs sowie der Konjunktureinbruch in der EU verantwortlich gemacht. Die Wachstumsrate der Güterexporte halbierte sich von 4,2% auf 2,1%. Die reduzierte wirtschaftliche Aktivität wirkte sich auch auf die Importe, namentlich von Rohstoffen und Halbfabrikaten aus; insgesamt nahmen die realen Güterimporte nur noch um 1,5% zu. Die von massivem Arbeitsplatzabbau begleiteten Umstrukturierungen in grossen Dienstleistungs- und Industrieunternehmen wirkten sich ebenso negativ auf die Stimmung der Konsumenten aus wie die steigenden Arbeitslosenzahlen und die Erhöhung der Krankenkassenprämien. Der private Konsum nahm nur noch um 0,3% zu, derjenige der öffentlichen Hand bildete sich leicht zurück. Das Wachstum der Anlageinvestitionen reduzierte sich im Vergleich zum Vorjahr massiv auf 1,3%. Die Ausrüstungsinvestitionen wuchsen nur noch etwa halb so stark an wie im Vorjahr (8,4%), die realen Bauinvestitionen gingen erneut zurück (-3,5%). Der Handelsbilanzüberschuss bewegte sich mit 1,9 Mia Fr. leicht über dem Vorjahresniveau. Trotz eines weiteren Einbruchs bei der Zahl der Übernachtungen ausländischer Gäste, bei gleichzeitiger Zunahme der Ausgaben schweizerischer Touristen im Ausland, nahm auch der positive Saldo beim Dienstleistungsverkehr leicht zu (um 0,1 Mia auf 15,0 Mia Fr.). Diese Zuwächse trugen zu einer Verbesserung des Ertragsbilanzüberschusses auf 25,1 Mia Fr. (1995: 25,0) bei [9].
Die Arbeitsmarktsituation blieb prekär. Die Zahl der Erwerbstätigen nahm um 0,2% zu. Im Industriesektor und im Baugewerbe setzte sich aber der Beschäftigungsabbau fort (-3,3%); der Dienstleistungsbereich verzeichnete hingegen ein leichtes Wachstum (1,1%). Gemäss der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE), welche auch Anstellungen von weniger als 50% erfasst, erhöhte sich die Gesamtzahl der Beschäftigten um 0,5%. Dabei entfiel der Zuwachs ausschliesslich auf die Beschäftigten mit Anstellungen von weniger als 50%; die Zahl der Teilzeitbeschäftigten mit höherem Anstellungsgrad bildete sich gemäss dieser Erhebung um 2,1% zurück und die Zahl der Vollzeitbeschäftigten stagnierte. Die Zahl der registrierten Arbeitslosen nahm 1996 kontinuierlich zu und erreichte im Dezember einen neuen Höchststand von 192 171. Die Arbeitslosenquote stieg damit im Jahresmittel auf 4,7%, im Dezember betrug sie 5,3%. Weiterhin waren die französischsprachige Schweiz und das Tessin wesentlich stärker betroffen als die Deutschschweiz. Der Anteil der Ausländer an den Arbeitslosen nahm auf 45% zu. Die für internationale Vergleiche konzipierte SAKE des Bundesamtes für Statistik wies im 2. Quartal 1996 eine Arbeitslosenquote von 3,7% aus (1995: 3,3%) [10].
Die am Landesindex der Konsumentenpreise gemessene Teuerung bildete sich von 1,6% im Januar auf 0,8% im Dezember zurück; im Jahresmittel betrug sie 0,8%. Da sich der Frankenkurs im Jahresverlauf abschwächte, wirkten sich auf Konsumentenstufe die Importe nicht mehr preisdämpfend aus; die Preise inländischer Güter und Dienstleistungen stiegen nur noch um 1,0% an. Der Preisindex der Produzenten- und Importpreise, welcher den früheren Grosshandelspreisindex ersetzt, ging insgesamt um 2,4% zurück [11].
 
[8] SNB, Geschäftsbericht, 89/1996, S. 7 ff.8
[9] SNB, Geschäftsbericht, 89/1996, S. 18 ff. Zum Aussenhandel siehe oben, Teil I, 2 (Commerce extérieur suisse).9
[10] Die Volkswirtschaft, 70/1997, Nr. 3, S. 22*; SNB, Geschäftsbericht, 89/1997, S. 20 ff. Siehe dazu auch unten, Teil I, 7a (Arbeitsmarkt). Die bisher hier publizierten Angaben über die Entwicklung der industriellen Produktion lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.10
[11] Die Volkswirtschaft, 70/1997, Nr. 2, S. 15* f.; SNB, Geschäftsbericht, 89/1996, S. 22.11