Année politique Suisse 1996 : Wirtschaft / Allgemeine Wirtschaftspolitik / Strukturpolitik
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Tourismus
Im Berichtsjahr publizierte der Bundesrat einen Bericht über die Tourismuspolitik des Bundes. Er kam dabei einer Aufforderung des Parlaments nach, welches 1995 zwei entsprechende Postulate verabschiedet hatte. In der Lageanalyse stellte er unter anderem fest, dass der Tourismus nach der Maschinen- und Apparateindustrie sowie der Chemie die drittwichtigste Exportbranche ist, und seine binnenwirtschaftliche Bedeutung für die Städte gross und für die Berggebiete sogar existentiell ist. Mit der Globalisierung des Angebots seit den 80er Jahren ist aber die Konkurrenz sowohl für die Schweiz als Reiseziel als auch für deren meist kleingewerblich organisierte Betriebe enorm gewachsen, was sich in sinkenden Gästezahlen und stagnierenden Einnahmen ausdrückte. Immerhin lag die Schweiz 1995 in bezug auf Exporterlöse aus dem Tourismus pro Kopf der Bevölkerung weltweit noch an vierter Stelle (hinter Singapur, Österreich und Hong Kong), in bezug auf Wertschöpfung je Mitarbeiter gar an der Spitze. Um die herrschende Stagnation zu überwinden und neue Chancen zu nutzen, rief der Bundesrat die interessierten Privatunternehmen zu grösserer Aktivität auf, namentlich in den Bereichen Innovation des Angebots und partnerschaftliches Auftreten auf dem internationalen Markt. Er selbst sei bestrebt, Anstrengungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen zu unternehmen. Eine direkte Unterstützung von Betrieben oder einen Ausbau der im internationalen Vergleich bescheidenen Subventionierung der Tourismuswerbung schlug er im Bericht jedoch nicht vor [29].
Gestützt auf diesen Bericht legte der Bundesrat dem Parlament gegen Jahresende einen auf fünf Jahre befristeten Bundesbeschluss über die Förderung von Innovation und Zusammenarbeit im Tourismus vor. Er möchte damit Projekte begünstigen, welche überbetriebliche neue und qualitativ hochstehende Angebote entwickeln. Diese Angebote können sowohl Produkte (z.B. ein Paket mit verschiedenen, dem Gast angebotenen Aktivitäten) als auch Informationen (z.B. gemeinsame Reservationssysteme) umfassen. Die geförderten Projekte sollen beispielhaft sein und andere Anbieter zur Nachahmung anregen. Die Subventionierung darf maximal 50% der Kosten ausmachen, wobei die gesamte Finanzhilfe für fünf Jahre auf maximal 18 Mio Fr. beschränkt ist. In der Vernehmlassung hatten einzig die SP und die FDP grössere Bedenken angemeldet. Erstere, weil ihr das Programm zu vage war, letztere aus ordnungspolitischen Gründen [30].
Nach zäher Diskussion beschloss das Parlament eine auf fünf Jahre befristete Reduktion des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen (inkl. Frühstück) von 6,5% auf 3%. Dieser auf den 1. Oktober in Kraft gesetzte Beschluss, welcher die Konkurrenzfähigkeit der unter dem starken Frankenkurs leidenden Hotellerie verbessern soll, setzte sich gegen einen Alternativvorschlag des Sozialdemokraten Ledergerber (ZH) durch. Dieser hatte verlangt, auf die Steuerreduktion zu verzichten und stattdessen einen Fonds für die Unterstützung des Strukturwandels im Tourismus zu schaffen [31].
Der Bundesrat tat sich weiterhin schwer mit dem 1993 vom Volk mit deutlichem Mehr erteilten Auftrag, Spielbanken zuzulassen. Nachdem die 1995 durchgeführte Vernehmlassung zum Vorentwurf für ein Gesetz über Spielkasinos sehr kontroverse Resultate ergeben hatte, beauftragte der Bundesrat eine inzwischen anstelle der Expertenkommission eingesetzte interdepartementale Arbeitsgruppe mit einer grundlegenden Überarbeitung. Die in den letzten Jahren aufgetretene starke Vermehrung der bewilligten Kursäle und der darin aufgestellten Glücksspielautomaten bewog den Bundesrat im April zu einem Stop bei der Bewilligung neuer Kursäle. Zudem beschloss er eine Ausweitung des im Gesetz vorgesehenen Spielbankenbegriffs. Im neuen Entwurf, den er im September den Kantonen zur Stellungnahme vorlegte, schlug er vor, nicht wie ursprünglich vorgesehen dreizehn, sondern lediglich noch sieben eigentliche Spielbanken zu konzessionieren. Nur in diesen wären Tischspiele wie Roulette und Glücksspielautomaten mit hohen Einsätzen zulässig. Daneben sind Spielkasinos mit beschränkten Einsätzen und Gewinnmöglichkeiten vorgesehen, welche wie bisher neben Automaten nur das Tischspiel Boule anbieten dürfen. Beide Kategorien von Casinos sollen an den Bund Steuern zuhanden der AHV-Kasse abliefern. Bei den Spielbanken soll der Satz 80% des Bruttospielertrags ausmachen, die Trinkgelder aber von einer Besteuerung ausgenommen sein; bei den Kursälen würden auch die Kantone an den Einnahmen partizipieren [32]. Die Tourismuskantone waren auch mit diesem zweiten Vorentwurf überhaupt nicht zufrieden. Sie kritisierten sowohl die vorgesehenen Bundeskompetenzen bei den Kursälen als auch den als viel zu hoch beurteilten Steuersatz. Bundesrat Koller schloss grundsätzliche Änderungen am Vorentwurf aus, kündigte aber Verhandlungsbereitschaft beim Steuersatz für Kursäle an [33].
 
[29] BBl, 1996, III, S. 852 ff.; Bund, 25.3.96; Presse vom 30.5.96. Vgl. SPJ 1995, S. 111.29
[30] BBl, 1997, I, 1412 ff.; Presse vom 30.5. und 10.12.96; NZZ, 2.9.96 (Vernehmlassung).30
[31] AS, 1996, S. 2378 f.; Presse vom 13.3.96. Zur Diskussion siehe unten, Teil I, 5 (Indirekte Steuern).31
[32] Neues Gesetzesprojekt: TA, 13.8.96; Presse vom 28.9.96 sowie Amtl. Bull. NR, 1996, S. 1454 ff. und 1545 ff. Vernehmlassung: SHZ, 8.2.96 sowie SPJ 1995, S. 111 f. Bewilligungsstop: NLZ, 25.4.96. Zum Boom der Kursäle mit Geldspielautomaten: TA, 15.1.96.32
[33] SHZ, 24.10.96; Presse vom 12.11.96; NZZ, 16.11.96 (Koller).33