Année politique Suisse 1996 : Allgemeine Chronik / Öffentliche Finanzen / Direkte Steuern
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Unternehmensbesteuerung
Nachdem im Vorjahr zwei parlamentarische Vorstösse die Zulassung der grenzüberschreitenden Restrukturierung sowie die Gewinn- und Verlustverrechnung im Konzernverbund gefordert hatten, wurden im Berichtsjahr weitergehende Reformen in der Unternehmensbesteuerung verlangt. In der Frühjahrssession überwies der Nationalrat mit 72:51 Stimmen eine Motion der CVP-Fraktion, die eine steuerliche Entlastung der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die Einführung der renditeunabhängigen proportionalen Besteuerung, die Prüfung der Abschaffung der Kapitalsteuer, die Möglichkeit der steuerneutralen grenzüberschreitenden Umstrukturierung von schweizerischen Unternehmen, die Zulassung der Gewinn- und Verlustverrechnung im Konzernverbund und die Herabsetzung der Emissionsabgaben auf Eigenkapital auf EU-Niveau forderte. Weiter verlangt die Motion, die steuerliche Doppelbelastung von Gesellschaft und Aktionären bei der Gewinnausschüttung zu mildern, bestehende Steuererleichterungen zugunsten von Jungunternehmern auszubauen und den Generationenwechsel in einem Familienbetrieb durch fiskalische Vorkehrungen zu vereinfachen. Vergeblich beantragte Bundesrat Kaspar Villiger die Umwandlung in ein Postulat. Er bezweifelte, dass das gesamte Unternehmenssteuerrecht in kurzer Zeit reformiert werden könne, stellte aber die rasche Ausarbeitung eines kleineren Pakets mit den dringlichsten Anliegen in Aussicht [6].
Im Juli schickte der Bundesrat einen Entwurf für eine Reform der Unternehmensbesteuerung auf Bundesebene in die Vernehmlassung, die Steuererleichterungen für Holdinggesellschaften und KMU vorsieht. Von seinem ursprünglichen Ziel, die Reform haushaltsneutral durchzuführen, rückte er ab und präsentierte stattdessen zwei Varianten, die geschätzte Steuerausfälle von 90 bzw. 210 Mio Fr. zur Folge hätten. In beiden Paketen sind die Einführung der proportionalen Gewinnsteuer, die Verlustverrechnung im Konzern, eine höhere Freigrenze bei den Emissionsabgaben und eine Neuregelung beim Erwerb eigener Aktien enthalten. Der heutige renditeabhängige Dreistufentarif, den die Schweiz noch als einziger OECD-Staat kennt, führt dazu, dass Firmen je nach Kapitalstruktur bei gleichem Produkt, Gewinn und Umsatz unterschiedlich hohe Steuern bezahlen. Als wichtigste Neuerung wird deshalb der Übergang zur proportionalen Gewinnsteuer vorgeschlagen. Die Einführung der proportionalen Besteuerung hatte (bei einem Satz von 9,8%) bereits Bundesrat Otto Stich gefordert, war damit im Parlament im Rahmen der Sanierungsmassnahmen 1994 aber gescheitert. Die Variante A sieht einen Satz von 8,9%, Variante B einen solchen von 9,5% vor. Diese hätten zunächst Mehreinnahmen von jährlich 230 (A) bzw. 410 Mio Fr. (B) zur Folge. Da aber eigenkapitalstarke Unternehmen wie Banken und Versicherungen, die vom heutigen System profitieren, wenig Freude an einem Systemwechsel haben dürften, soll der Übergang zur Proportionalsteuer mit der Anrechnung der Kapitalsteuer an die Gewinnsteuer abgefedert werden, wodurch ein Einnahmenausfall von 260 Mio Fr. entstünde.
Den Übergang zur Proportionalsteuer will der Bundesrat mit einer weiteren Massnahme verbinden, wonach der Verlust einer Konzernrechnung immer dann unverzüglich zur Verrechnung gebracht werden kann, wenn andere Konzerngesellschaften einen entsprechenden Gewinn ausweisen. Dies würde Steuerausfälle von 50 Mio Fr. nach sich ziehen. Im weiteren soll die bisherige Freigrenze bei Emissionsabgaben von 250 000 Fr. auf eine Million heraufgesetzt werden, wodurch die Gründungskosten von KMU vermindert würden. Die damit verbundenen Steuerausfälle werden auf 5 bis 10 Mio Fr. geschätzt. Im Paket A ist überdies der Steueraufschub bei grenzüberschreitenden Beteiligungsumstrukturierungen enthalten, eine Massnahme, die den Beteiligungstransfer über die Grenze hinweg erleichtern würde, ohne dass damit Steuerausfälle verbunden wären. Das Paket B sieht dagegen zusätzlich vor, dass Holdings Beteiligungsgewinne nicht mehr versteuern müssen. Sie könnten somit Beteiligungen ins Ausland verlagern, ohne dass sie die stillen Reserven zu versteuern hätten, eine Massnahme, die dem Bund jährlich Steuerausfälle von 300 Mio Fr. bescheren würde. Der Bundesrat sprach sich für das mit weniger Steuerausfällen verbundene Paket A aus.
Die Vernehmlassung fiel jedoch kontrovers aus. Während SP und Gewerkschaften Widerstand gegen jegliche Abweichung vom Postulat der Ertragsneutralität anmeldeten, ging den Wirtschaftsverbänden und den bürgerlichen Parteien die Reform zuwenig weit. Beide Seiten befürworteten zwar den Übergang zur proportionalen Gewinnsteuer, die Linke forderte aber einen Höchstsatz von 9,8%, während die bürgerliche Seite einen Satz von näher bei 8% als bei 9% verlangte. Als Begleitmassnahme forderte sie u.a. eine völlige Abschaffung der Kapitalsteuer. Gegensätzliche Stellungnahmen gaben auch die Kantone ab, deren Interessenlage sehr unterschiedlich ist [7].
 
[6] Amtl. Bull. NR, 1996, S. 214 ff. Vgl. SPJ 1995, S. 142. Beide Räte überwiesen ausserdem zwei nationalrätliche Kommissionsmotionen, die vom BR verlangen, der Förderung der KMU eine höhere Priorität einzuräumen (Amtl. Bull. NR, 1996, S. 764; Amtl. Bull. StR, 1996, S. 399) und Reformen bei der Besteuerung von Aktien- und Holdinggesellschaften und verbesserte fiskalische Rahmenbedingungen für Schweizer Unternehmen vorzulegen (Amtl. Bull. StR, 1996, S. 446; Amtl. Bull. NR, 1996, S. 811).6
[7] Presse vom 2.7. und 3.10.96; NZZ vom 23.7., 13.9., 25.9. und 7.10.96; SHZ, 19.9., 26.9. und 19.12.96; Lit. Zarin-Nejadan. Vgl. SPJ 1995, S. 151. Einen Vorschlag von Vororts-Präsident A. Leuenberger, die Unternehmen zwischen der Proportionalsteuer und der renditeorientierten Besteuerung wählen zu lassen, lehnte BR Villiger wegen den hohen Einnahmenausfällen ab (SHZ, 21.3.96).7